Ein Aktenordner mit der Aufschrift "Unterlagen Flutkatastrophe" liegt im rheinland-pfälzischen Landtag bei der Sitzung des Untersuchungsausschusses zur Flutkatastrophe im Ahrtal. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Frank Rumpenhorst)

Gutachter im Untersuchungsausschuss

Flut-U-Auschuss: Frage nach der Einsatzleitung bleibt umstritten

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch  (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Müller )

Der Untersuchungsausschuss des Landtags hat erneut versucht, zu klären, wer bei der Flutkatastrophe für die Einsatzleitung zuständig war. Wesentliche Fortschritte gab es in der ersten Sitzung nach der Sommerpause nicht.

Der U-Ausschuss hat erneut zwei Gutachter dazu befragt, ob das Land in der Flutnacht im Juli 2021 für die Einsatzleitung zuständig war und diese von den Kommunen hätte übernehmen müssen. Beide Staatsrechtler kamen zu dem Schluss, dass das Land die Einsatzleitung hätte übernehmen können. Das sei aufgrund des rheinland-pfälzischen Brand- und Katastrophenschutzgesetzes möglich.

Gutachter Grzeszick: ADD hätte Einsatz übernehmen müssen

Aus Sicht des Gutachters Bernd Grzeszick aus Heidelberg hätte die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion ADD damals sogar aktiv werden müssen. "Für mich lagen genügend Indizien vor, dass die Voraussetzung der Einsatzleitung durch den Präsidenten der ADD gegeben war", sagte Grzeszick.

Als ein Indiz nannte er fehlende Ressourcen. Damals sei von vielen Stellen versucht worden, Hubschrauber zu organisieren. Dies sei eine klassische Situation, in der zentrale Gefahrenabwehrmaßnahmen erforderlich seien, so Grzeszick.

"Einsatzleitung kann automatisch auf das Land übergehen"

Grzeszick vertritt die Auffassung, dass die Einsatzleitung in bestimmten Lagen automatisch auf die Landesregierung übergeht und damit auf die ADD, die für den Katastrophenschutz zuständige Landesbehörde. Das sei etwa der Fall, wenn sich ein Starkregenereignis über mehrere Landkreise erstrecke und Ressourcen knapp seien. Grzeszick bezieht sich dabei auf das rheinland-pfälzische Brand- und Katastrophenschutzgesetz.

Staatsrechtler Gusy sieht keinen Automatismus

Der Staatsrechtler Christoph Gusy von der Universität Bielefeld vertrat im Ausschuss dagegen die Haltung, dass eine Einsatzleitung nicht automatisch wechseln könne, etwa von einem Landkreis auf die ADD. "Die Einsatzleitung muss wissen, dass sie die Einsatzleiter sind", sagte Gusy. Dies müsse in der jeweiligen Situation auch klar erkennbar sein.

Für die konkrete Einsatzleitung vor Ort sei das Land nur in sehr eingeschränkten Fällen zuständig. Im Normalfall liege diese bei den Gemeinden oder Landkreisen. Die ADD habe aber die Pflicht, sich fortlaufend zu informieren und zu beobachten, ob es die Lage erfordere, die Einsatzleitung zu übernehmen. "Wenn die ADD vorher gewusst hätte, was wir heute wissen, dann hätte sie natürlich unbedingt tätig werden müssen. Da gibt es überhaupt gar keinen Zweifel dran."

Nach der Flutkatastrophe im nördlichen Rheinland-Pfalz hatte sich herausgestellt, dass die Technische Einsatzleitung (TEL) im Landkreis Ahrweiler in der Flutnacht überfordert war. Der damalige Landrat Jürgen Pföhler (CDU) war nach Angaben von Mitgliedern der TEL kaum erreichbar.

Journalist Willig: Ich habe nichts klarzustellen

Der Journalist Willi Willig sagte zum zweiten Mal als Zeuge vor dem Ausschuss aus. Grund war, dass er nach Informationen des Ausschussvorsitzes seine erste Aussage korrigieren wollte. Im Juli hatte er erklärt, Innenminister Roger Lewentz (SPD) habe ihm bei einem Telefonat am Flutabend von einem eingestürzten Haus in Schuld berichtet. Das hatte die Frage aufgeworfen, ob Lewentz früher als bekannt vom Ausmaß der Katastrophe gewusst habe.

Zur Überraschung der Ausschussmitglieder sagte Willig nun: "Ich möchte meine Aussage nicht korrigieren." Anschließend verstrickte er sich in Widersprüche und erklärte unter anderem, er könne sich an den genauen Wortlaut des Gesprächs mit dem Minister nicht erinnern.

Innenminister Lewentz soll in zwei Wochen erneut vom Untersuchungsausschuss befragt werden.

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