Autos wie Spielzeug: Die Wassermassen haben große Teile der Bad Neuenahrer Innenstadt verwüstet.  (Foto: SWR)

Gutachter zur Ahrkatastrophe

Hydrologe: Flut-Videos und -Fotos zeigen hohe Fließgeschwindigkeit

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch  (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Müller )

Auf den Fotos und Videos aus dem Polizeihubschrauber in der Flutnacht sind nach Angaben eines Hydrologen hohe Strömungsgeschwindigkeiten der Ahr zu erkennen. Holger Schüttrumpf war vom Untersuchungsausschuss des Landtags als Sachverständiger geladen worden.

Aufgrund der Farbe und der Schlieren, die das Wasser gebildet habe, seien auf den Aufnahmen hohe Strömungsgeschwindigkeiten der Ahr zu erkennen, sagte Schüttrumpf. Die Fotos lagen in der Flutnacht auch Innenminister Roger Lewentz (SPD) vor. Lewentz gibt an, er habe in der Nacht keine Hinweise auf die Flutkatastrophe gehabt. Die Videos hat Lewentz nach eigenen Angaben in der Flutnacht dagegen nicht gekannt und gesehen.

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Nach Aussage von Schüttrumpf zeigen die Videos extrem hohe Fließ-Geschwindigkeiten der Ahr an bestimmten Stellen sowie extrem hohe Wasserstände, Wellenbildungen und überströmte Brücken. Es handele sich um Effekte, die man sofort erkenne, so der Experte. Lewentz hatte zuletzt am Mittwoch gesagt, die Videos zeigten keine Hinweise auf das tatsächliche Ausmaß der Katastrophe.

"Für solche Flutereignisse fehlen entsprechende Warn-Kategorien"

Der Sachverständige äußerte sich auch zum Warnsystem. Für Hochwasser gebe es in Deutschland keine Katastrophen-Warnungen. "Für solche Ereignisse wie das 2021-Ereignis fehlen uns in Deutschland eigentlich entsprechende Warn-Kategorien", so der Direktor des Instituts für Wasserbau und Wasserwirtschaft der Technischen Hochschule Aachen. Nachholbedarf sieht er nach eigenen Angaben auch bei der Erstellung der Hochwasser-Gefahrenkarten.

Experte: Landesamt hat bei Flutkatastrophe im Ahrtal spät gewarnt

Das Landesamt für Umwelt hat nach Ansicht eines weiteren Experten für Wasserkreisläufe am Tag der Ahr-Flut erst spät und nicht ausreichend gewarnt. Im Untersuchungsausschuss des Landtags stellte der Bonner Hydrologe Thomas Roggenkamp sein Gutachten vor. Demnach passten die Warnungen, die das Landesamt für Umwelt (LfU) am Nachmittag des 14. Juli 2021 herausgab, nicht zu den Pegelprognosen. Die Prognosen seien relativ spät gekommen und hätten dann noch das Ausmaß des Hochwassers unterschätzt, sagte Roggenkamp. Die höchste Warnstufe habe das Landesamt erst um 17:17 Uhr herausgegeben.

Schon einige Stunden früher habe die Prognose für den Pegel Altenahr aber bei fünf Metern gelegen und damit bereits um 1,30 Meter über dem Pegel von 2016. Damals gab es das sogenannte Jahrhunderthochwasser im Ahrtal.

Manz: "Alle wichtigen Erkenntnisse lagen vor Ort vor"

Laut Umweltstaatssekretär Erwin Manz (Grüne) haben am Tag der Flut alle wichtigen Erkenntnisse zu Pegelprognosen und Hochwasserwarnungen vor Ort vorgelegen. Aus seiner Sicht habe es kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem gegeben, sagte Manz. Auch der besonders betroffene Kreis Ahrweiler habe um 17:17 Uhr die Meldung bekommen, dass die höchste Warnstufe ausgerufen wurde. "Leider hat es noch fast sechs Stunden gedauert, bis der Landkreis den Katastrophenfall ausgerufen hat", so der Umweltstaatssekretär, der zum dritten Mal im Ausschuss Rede und Antwort stehen musste. Das für Hochwassermeldungen zuständige Landesamt für Umwelt (LfU) ist dem Umweltministerium unterstellt.

Frühere LfU-Präsidentin: Hohe Pegelprognosen waren dem Kreis Ahrweiler bekannt

Auch die ehemalige LfU-Präsidentin Riewenherm sagte, der Kreis Ahrweiler sei am Tag der Flutkatastrophe bereits am Nachmittag über extrem hohe Pegelprognosen informiert worden. Die Ausrufung der höchsten Warnstufe sei damals auch über die Katastrophenschutz-App Katwarn und über die eigene Internetseite bekannt gemacht worden. In der Meldung sei unter anderem vor Sturzfluten und Überflutungen gewarnt worden. Sie sei davon ausgegangen, dass die Warnung bei den für den Katastrophenschutz zuständigen Stellen angekommen sei, so Riewenherm.

CDU und Freie Wähler fordern weiter Rücktritt von Manz

Die Oppositionsfraktionen von CDU und Freien Wählern blieben bei ihrer Rücktrittsforderung. Der CDU-Abgeordnete Marcus Klein sagte dem SWR, Manz habe an einer Stelle gesessen, die früher hätte warnen müssen. Der Staatssekretär habe heute einen ganz schwachen Auftritt gehabt und nichts Klärendes beigetragen. Der Obmann der Freien Wähler im Ausschuss, Stephan Wefelscheid sagte, Manz habe keinen Überblick über die Lage am Flutabend gehabt und sei damit falsch auf seiner Position.

Der Untersuchungsausschuss soll klären, welche Versäumnisse es bei der Flutkatastrophe Mitte Juli 2021 gab und wer dafür verantwortlich ist. Die Flut hatte in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 für verheerende Zerstörungen gesorgt, 135 Menschen starben alleine in Rheinland-Pfalz.

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