Ein Schlaganfallpatient liegt in einem Bett im Krankenhaus und ein Computerbildschirm zeigt seine vitalen Lebensfunktionen an (Foto: dpa Bildfunk, (c) dpa)

Bewegungsmangel als Risikofaktor

Mehr Schlaganfälle durch die Corona-Pandemie?

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Susanne Weber

In Rheinland-Pfalz haben jedes Jahr 15.000 Menschen einen Schlaganfall oft mit verheerenden Folgen. Dabei sind bis zu 70 Prozent aller Schlaganfälle vermeidbar.

Nach Krebs- und Herzerkrankungen ist der Schlaganfall die dritthäufigste Todesursache in Deutschland. Bundesweit sind pro Jahr etwa 270.000 Menschen betroffen. Die Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe hat den Tag gegen den Schlaganfall in diesem Jahr unter das Motto gestellt: "Ein bisschen was geht immer! Bewegung im Alltag wirkt Wunder." Denn: Einer von zahlreichen Risikofaktoren für einen Schlaganfall ist Bewegungsmangel.

Viele Deutsche sind Bewegungsmuffel, das ist nichts Neues. Die Pandemie hat ihr Übriges dazu getan: Homeoffice, geschlossene Fitness-Klubs, Einschränkungen für Kinder- und Jugendsport in Vereinen, kein Schulsport im Fernunterricht. Corona hat laut Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe wie ein "Brandbeschleuniger" in Sachen Mangelbewegung gewirkt.

Mehr Schlaganfälle durch die Pandemie?

Weniger Bewegung in der Corona-Pandemie - mehr Schlaganfälle? Ganz so einfach ist die Rechnung nicht. In Rheinland-Pfalz wurden am Klinikum Ludwigshafen 2019 knapp 1.600 Patienten wegen eines Schlaganfalls behandelt. Laut Simon Nagel, Direktor der dortigen Klinik für Neurologie, hat sich diese Zahl durch die Pandemie nicht signifikant erhöht. Am Anfang sei die Zahl der Patienten mit leichteren Schlaganfällen eher zurückgegangen. "Dieser Trend war auch 2020 und 2021 sicher noch zu sehen," so Nagel. Das habe vermutlich daran gelegen, dass Patienten mit leichten Symptomen und ohne schmerzhafte Beschwerden eher zu Hause geblieben seien und nicht den Rettungsdienst gerufen hätten. Die Zahl der schweren Fälle sei etwa gleichgeblieben.

Ursache bei Jüngeren oft genetisch bedingt

Auch an der Altersverteilung hat sich laut Nagel nicht viel geändert. Die Gründe für einen Schlaganfall bei Jugendlichen seien andere als bei älteren Patienten, etwa genetische Ursachen, bestimmte Herzanomalien oder Gefäßverletzungen. Bei Älteren sind es demnach eher die "Klassiker" - also Bluthochdruck, Diabetes mellitus, Fettstoffwechselstörungen oder die Folgen langjährigen Rauchens.

Ob der Bewegungsmangel infolge der Corona-Pandemie nun zu mehr Schlaganfällen geführt habe, sei schwer abzuschätzen, so Nagel. Durch allgemeine Entzündungsreaktionen im Körper und Veränderungen der Blutgerinnung könne aber auch eine Infektion mit dem Coronavirus das Schlaganfallrisiko erhöhen. Grundsätzlich zeigen Studien, dass fehlende Bewegung das Risiko erhöhe - und in der Pandemie haben sich viele Menschen deutlich weniger bewegt.

Ganz klar sei, so Nagel, dass die allgemeinen Behandlungszahlen in den Krankenhäusern während der Pandemie zurückgegangen seien, um circa 20 bis 30 Prozent. Beim Schlaganfall blieben die Zahlen relativ stabil, weil "es sich eben um eine Notfallerkrankung handelt. Die schweren Notfälle kamen auch während der Pandemie".

Was ist ein Schlaganfall?

Ein Schlaganfall ist eine plötzliche Funktionsstörung des Gehirns. Man unterscheidet zwischen zwei Ursachen für einen Schlaganfall: In etwa 80 Prozent aller Fälle tritt ein Blutgerinnsel auf und verschließt ein Gefäß, das das Gehirn mit Blut versorgt. In den restlichen 20 Prozent der Fälle reißt ein Blutgefäß im Gehirn und es kommt zu einer Blutansammlung. Diese Durchblutungsstörung führt dazu, dass die Nervenzellen des Gehirns an der betroffenen Stelle nicht mehr ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden - sie beginnen abzusterben. Je länger die Störung andauert, desto mehr Nervengewebe wird zerstört.

Was sind die Folgen eines Schlaganfalls?

Jeder fünfte Betroffene stirbt in den ersten Wochen an den Folgen eines Schlaganfalls. Rund 64 Prozent der überlebenden Patienten bleiben dauerhaft pflegebedürftig. Der Schlaganfall ist die häufigste Ursache für erworbene Behinderungen im Erwachsenenalter in Deutschland.

Altersfaktor - kann es jeden treffen?

Der Schlaganfall ist keine reine Alterskrankheit; auch wenn das Risiko mit steigendem Lebensalter wächst. Etwa 80 Prozent der Fälle betreffen Menschen über 60 Jahre. Als Faustregel gilt laut der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe, dass sich das Risiko ab dem 50. Lebensjahr jedes Jahrzehnt verdoppelt. Aber auch jüngere Menschen und Kinder können betroffen sein.

Nach Schätzungen - genaue Zahlen gibt es nicht - sind maximal acht Prozent der von einem Schlaganfall Betroffenen jünger als 50 Jahre. In absoluten Zahlen wären das bis zu 14.000 Personen. Auch Kinder können einen Schlaganfall erleiden, Experten gehen von mehreren hundert Fällen pro Jahr bundesweit aus. Da vermutlich nicht alle Fälle erkannt werden, gibt es eine gewisse Dunkelziffer.

Auch das Geschlecht sowie genetische Faktoren wie Gefäßerkrankungen in der Familie erhöhen das Risiko.

Was sind die Risikofaktoren für einen Schlaganfall?

Neben Alter und genetischer Prägung gibt es zahlreiche Faktoren, die man durchaus beeinflussen oder behandeln kann. Am wichtigsten hierbei: der Bluthochdruck (Hypertonie), Zuckerkrankheit (Diabetes mellitus) und Herzrhythmusstörungen wie etwa Vorhofflimmern. Darüber hinaus erhöhen Übergewicht, Rauchen, übermäßiger Alkoholkonsum und Bewegungsmangel das Risiko eines Schlaganfalls.

Wie erkenne ich einen Schlaganfall?

Ein Schlaganfall kann sich durch viele Symptome äußern, jedoch gibt es einige charakteristische. Jeder Schlaganfall ist als Notfall zu betrachten. Symptome müssen im Krankenhaus abgeklärt werden, weil so schnell wie möglich mit der Behandlung begonnen werden sollte, um Langzeitfolgen zu vermeiden oder zumindest abzumildern. Anzeichen können folgende sein:

  • Sehstörungen
  • Sprach- und Sprachverständnisstörungen
  • Lähmungserscheinungen, Taubheitsgefühle
  • Schwindel, unsicherer Gang
  • sehr starke Kopfschmerzen

Was kann ich tun, um das Risiko eines Schlaganfalls zu verringern?

Die Vorbeugung setzt natürlich bei den Risikofaktoren an. Mehr Bewegung und eine bewusste Ernährung wirken sich positiv auf Gewicht, Blutdruck, Blutfette und den Blutzucker aus. Auch der Verzicht auf das Rauchen senkt das Schlaganfall-Risiko.

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Laut der Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe wären bei entsprechender Vorsorge bis zu 70 Prozent aller Schlaganfälle vermeidbar. Die Stiftung bietet einen Online-Test an, bei dem man sein persönliches Risiko ermitteln kann.

Mehr Bewegung - weniger Schlaganfälle?

Deutsche Sportvereine haben allein im ersten Jahr der Pandemie rund 850.000 Mitglieder verloren, das hat der Deutsche Olympische Sportbund ermittelt. Ähnliche Zahlen von den Sportstudios, sie haben nach Angaben ihres Dachverbandes DSSV binnen zwei Jahren 2,4 Millionen Mitglieder weniger gezählt. Und in Rheinland-Pfalz sieht es nicht anders aus. Der Landessportbund meldet ebenso sinkende Zahlen, allein beim Sportbund Rheinland ein Minus von rund 6.000 Mitgliedern im vergangenen Jahr.

Dabei ist Bewegung laut Stiftung Deutsche Schlaganfall-Hilfe der "Alleskönner in Sachen Prävention". Die  Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfiehlt pro Woche mindestens 150 Minuten moderate Bewegung. Damit ließe sich das persönliche Risiko um die Hälfte verringern. Doch schon vor der Pandemie haben sich höchstens 45 Prozent der Deutschen so regelmäßig bewegt.

Auch wenn es nach Binsenweisheit klingt: Schon mit einfachen Mitteln lässt sich das erreichen: Öfter mal die Treppe nehmen, statt den Aufzug. Selbst regelmäßige Spaziergänge zeigen bei bislang Untrainierten schon eine Wirkung.

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