Cornelia Weigand, Landrätin des Kreises Ahrweiler, kommt in den Untersuchungsausschuss "Flutkatastrophe" (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Boris Roessler)

Ex-Bürgermeisterin Weigand im U-Ausschuss

Flutkatastrophe: Altenahr bat frühzeitig um Katastrophenalarm

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Dirk Rodenkirch
Dirk Rodenkirch  (Foto: ARD-Hauptstadtstudio/Jens Müller )

Im Untersuchungsausschuss des Landtags hat die frühere Bürgermeisterin der Verbandsgemeinde Altenahr, Cornelia Weigand (parteilos), geschildert, wie sie die Flutkatastrophe im vergangenen Juli erlebt hat.

Das Ausmaß der Flutwelle an der Ahr, ein zehn Meter Pegel sei nicht vorstellbar gewesen, sagte Weigand - trotz aller erfolgter Warnungen und Vorbereitungen. "Die Geschwindigkeit und Dramatik ist außerhalb der Fantasie - es sei denn, man mag schlechte Hollywood-Schinken", sagte die heutige Landrätin des Kreises Ahrweiler. Das Wasser sei zeitweise um zwei Meter pro Stunde gestiegen, viermal so schnell wie bei anderen extremen Hochwassern.

Weigand bat frühzeitig um Katastrophenalarm

Sie schilderte, dass sie schon am Nachmittag des 14. Juli 2021 darum gebeten hatte, den Katastrophenalarm auszulösen. Zu diesem Zeitpunkt habe es eine Pegelprognose von 5,50 Meter gegeben. Vom Landratsamt in Ahrweiler habe es damals geheißen, dem Krisenstab fehlten noch Informationen. Das würde noch etwas dauern. Ausgelöst wurde der Katastrophenfall durch den Krisenstab um 23:15 Uhr, rund sieben Stunden später.

Landrat Pföhler für Weigand lange nicht zu erreichen

Der damalige Landrat Jürgen Pföhler (CDU) sei bei ihrem Anruf im Landratsamt am Nachmittag nicht zu erreichen gewesen, erklärte Weigand. Erst kurz vor Mitternacht habe sie mit ihm telefoniert. Pföhler habe erregt gewirkt und ihr geschildert, dass sein Haus überflutet sei. Der Landrat habe nicht gefragt, wie die Lage in Altenahr oder in anderen Orten im Kreisgebiet sei, so Weigand.

Die einzige Landesbehörde, zu der sie an dem Tag regelmäßig Kontakt gehabt habe, sei das Landesamt für Umwelt (LfU) gewesen, das für Hochwassermeldungen zuständig ist. Dort berichtete die Bürgermeisterin am Abend, dass der Pegel der Ahr das erste Stockwerk der Wohnhäuser erreicht habe und bereits Autos durch die Dörfer schwämmen. Ein Mitarbeiter des LfU informierte darüber nach eigenen Angaben auch die Spitze des Landesumweltministeriums.

"Mehr Helfer hätten nicht mehr Menschen retten können"

Der Leiter der Feuerwehr der Verbandsgemeinde Altenahr, Frank Linnarz, sagte vor dem Ausschuss, er habe sich gewundert, dass das zuständige Landratsamt den Katastrophenfall so spät ausgerufen habe. Es sei aber Spekulation, was dieser Schritt im Endeffekt tatsächlich bewirkt hätte. Nach Ansicht des Wehrleiters hätten in der Flutnacht auch nicht mehr Menschenleben gerettet werden können, wenn es mehr Helfer gegeben hätte.

In dem reißenden Strom habe die Feuerwehr viele vom Wasser eingeschlossene Menschen auch mit Booten nicht mehr erreichen können. Allenfalls Rettungshubschrauber, die aber wegen Dunkelheit und Starkregen nicht starten konnten, hätten in dieser Situation noch helfen können. "Nicht nur die Bevölkerung, sondern auch wir haben unterschätzt, wie schnell das Wasser kommt", so Linnartz in seiner Zeugenaussage.

Warnungen an Nachbargemeinden blieben meist aus

In der Ausschusssitzung wurden weitere Wehrleute der Feuerwehren in der Verbandsgemeinde Altenahr als Zeugen befragt. Dabei wurde deutlich, dass sich die betroffenen Gemeinden entlang der Ahr während der Flutkatastrophe kaum gegenseitig gewarnt hätten.

Bernhard Alisch, Wehrführer der Feuerwehr Hönningen, etwa beklagte, dass es keine Meldungen von Oberliegern - also Gemeinden flussaufwärts - gegeben habe. "Infos was kommt, waren dürftig", so Alisch. Mehrere Wehrführer erklärten, dass sie damals selbst auch keine Nachbargemeinden über die Lage informiert haben.

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In vorausgegangenen Sitzungen des Untersuchungsausschusses war deutlich geworden, dass es in betroffenen Landkreisen Defizite bei Alarm- und Einsatzplänen gibt. Das gilt auch für den Kreis Ahrweiler. Dort habe es zum Zeitpunkt der Katastrophe keinen mit den Kommunen abgestimmten Hochwasser-Alarmplan gegeben, sagte der Katastrophenschutzinspekteur des Kreises, Michael Zimmermann, in seiner Zeugenbefragung. Einen solchen Alarmplan gibt es bis heute nicht.

Pföhler muss wie geplant vor Ausschuss erscheinen

Unterdessen stellte der Vorsitzende Martin Haller (SPD) klar, dass Ex-Landrat Pföhler wie geplant vor dem Untersuchungsausschuss erscheinen muss - ungeachtet der gegen ihn laufenden staatsanwaltlichen Ermittlungen. Nach Hallers Angaben gilt das auch für Pföhlers Ehefrau. Beide hatten darum gebeten, nicht am 8. Juli vor dem Ausschuss auftreten zu müssen.

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