
Als "richtige Reaktion auf dramatisch steigende Energiekosten" bezeichnet der ADAC Pfalz die jüngste Maßnahme der Bundesregierung, die Pendlerpauschale ab dem 21. Kilometer rückwirkend zum 1. Januar 2022 von 35 auf 38 Cent pro Kilometer anzuheben. "Konsequenter und wirkungsvoller wäre es gewesen, die Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer anzuheben", sagt Monika Gaß vom ADAC Pfalz, "denn von den gestiegenen Kosten sind auch Menschen betroffen, die weniger als 21 Kilometer zum Arbeitsort pendeln."
"Heute noch mal den Tank voll machen, kann nicht schaden."
Aus Sicht des ADAC entlastet die Pendlerpauschale nicht nur Autofahrer, sondern unabhängig vom Verkehrsmittel diejenigen Menschen, die lange Arbeitswege zurücklegen müssen. "Nach unten wird sich der Spritpreis wohl nicht bewegen", sagt Gaß auch mit Blick auf den Krieg in der Ukraine. "Heute noch mal den Tank voll machen, kann nicht schaden." Grundsätzlich ist der Preis morgens eher teurer als abends und in den Nachtstunden. Für die Wirtschaft sei die Situation insgesamt negativ.
"Wer einen SUV fährt, bekommt noch mehr Geld, damit er die Umwelt verpestet."
Sozialverbände werten Entlastungspaket als verpasste Chance
Anders klingt das bei den Sozialverbänden in Rheinland-Pfalz: "Wer einen SUV fährt, bekommt noch mehr Geld, damit er die Umwelt verpestet", so der Geschäftsführer der Arbeiterwohlfahrt (AWO) Rheinland, Andreas Zels. Er ist stellvertretender Vorsitzender der Liga der Freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz, in der neben der AWO die Caritasverbände, der Deutsche Paritätische Wohlfahrtsverband, das Deutsche Rote Kreuz und die Diakonischen Werke auf Landesebene zusammengeschlossen sind. "Natürlich leiden unter den Energiekosten viele - sie ärgern sich über den Spritpreis, aber können trotzdem ihren Lebensstandard aufrecht erhalten."
Hohe Energiekosten: Hilfe für Ärmere kommt zu spät
Zels macht das am Mittwoch auf den Weg gebrachte Entlastungspaket "fassungslos". Die Politik scheine nicht zu begreifen, "wie tief die Not ist". Schließlich seien die Energiekosten bereits in den vergangenen Jahren angestiegen, eine Einmalzahlung im Sommer komme zu spät. Auch die Aufstockung der Hartz-IV-Sätze seit Januar um durchschnittlich drei Euro im Monat helfe wenig. Das dauere einfach viel zu lange.
Steigende Lebenshaltungskosten in RLP Wenn's am Monatsende nicht mal mehr für eine Gurke reicht
Bei immer mehr Menschen in Rheinland-Pfalz ist deutlich vor Monatsende das Konto leer. Strom, Gas, Lebensmittel, Wohnen - alles ist teurer geworden. "Ich kann nicht keine großen Sprünge machen, ich kann gar keine Sprünge machen", sagt eine Hartz-IV-Empfängerin aus Koblenz.
Die Energiewende und der Konflikt um die Ukraine in den zurückliegenden Wochen sind zwei Gründe dafür, warum Sprit und Heizen für Rheinland-Pfälzer zurzeit so teuer sind. Die Bundesregierung will die Lage mit diesem Maßnahmen-Paket entschärfen. Die Ampel-Koalition hat neben der höheren Fernpendlerpauschale beschlossen, dass ab Juli die EEG-Umlage auf den Strompreis entfällt. Die Koalition erwartet, dass die Energieversorger die Entlastung an die Verbraucher weitergeben - sicher ist das jedoch nicht. Für Hartz-IV-Bezieherinnen und -Bezieher ist außerdem eine Einmalzahlung in Höhe von 100 Euro geplant und für von Armut betroffene Kinder soll es zum 1. Juli 2022 einen monatlichen Zuschlag von 20 Euro geben. Letzteres wertet Zels als hilfreich.
Folgen des Russland-Ukraine-Krieges ungewiss
Die Liga der freien Wohlfahrtspflege in Rheinland-Pfalz blickt besorgt auf den Krieg in der Ukraine. "Ich bin fassungslos, dass es nicht möglich war, diese Aggression zu verhindern", sagt Zels. "Die Folgen können wir uns für unser Bundesland gar nicht ausmalen."
Woher kommt Gas, wenn nicht aus Russland?
Deutschland und Rheinland-Pfalz sind abhängig vom russischen Gas. Alternative zum russischen Gas ist Gas aus Norwegen oder den Niederlanden, erklärt Energieexperte Hermann-Josef Tenhagen. "Die Niederländer sind im Augenblick ein bisschen schwierig, weil die aus Umweltgründen bestimmte Gaslieferungen eingestellt haben." Auch in Deutschland könne man "ein bisschen Gas selber erzeugen". Auch aus den USA könne man Gas kaufen oder bei den Vereinigten Arabischen Emiraten.
"Bis zum Herbst kann man da sicherlich eine Regelung finden, dass die Versorgungssicherheit in Europa und auch in Deutschland gegeben ist", sagt der Energieexperte. Aber: "Das alles sagt nichts darüber, dass nicht im Herbst dann die Preise deutlich gestiegen sein können."
Letztendlich spielt auch die Energiewende eine wichtige Rolle, denn noch sind wir im Land abhängig von den alten Energieträgern. "Sobald wir unabhängig sind von den alten Energieträgern, die uns jetzt die Probleme machen, umso leichter und einfacher ist es auch den Strompreis kalkulierbarer und stabiler zu halten", sagt Hans Weinreuter von der Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz dazu.