Allein und wehrlos im Pflegeheim? Gegen Diebe kann man was tun. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Christoph Schmidt)

Seltener Schockmoment

Wie Einrichtungen Diebstahl im Seniorenheim vorbeugen

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Anne Koark

Es ist ein schockierender Fall: Eine Pflegerin hat einen Bewohner eines Seniorenheims betäubt und anschließend ausgeraubt. Sie wurde zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt. Aber wie häufig sind solche Fälle und was wird dagegen getan?

38.000 Euro - das ist die Summe, die eine Altenpflegerin aus Neustadt (Wied) erbeutet haben soll. Und zwar von einem ihrer Schützlinge, einem 90-jährigen Bewohner eines Seniorenheims. Zuvor hat sie den Mann nach Überzeugung des Gerichts mit einem Beruhigungsmittel betäubt. Er musste im Anschluss drei Tage im Krankenhaus behandelt werden.

Das Landgericht Koblenz hat die Frau am Montag wegen schweren Raubes zu sechseinhalb Jahren Haft verurteilt. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.

376 Fälle von Diebstahl im Seniorenheim

Solche schweren Straftaten sind die absolute Ausnahme. Wie oft es in Seniorenheimen genau zu Raubüberfällen kommt, ist in der polizeilichen Kriminalstatistik nicht separat erfasst. In ganz Rheinland-Pfalz gab es im vergangenen Jahr 113 Fälle von Raub in Wohnungen.

Eine detailliertere Erfassung gibt es bei der Zahl der Diebstähle. Von den 47.144 Fällen in ganz Rheinland-Pfalz, entfielen im vergangenen Jahr 376 auf Alten- und Pflegeheime. Es ist also kein Massenphänomen, kommt aber hin und wieder vor. Insgesamt gibt es mehr als 500 Pflegeheime im Land.

Bei der großen Mehrheit der Fälle handelt es sich um einfachen Diebstahl. Das heißt, der oder die Täter müssen zum Beispiel keine Türen aufbrechen, um an das Diebesgut zu kommen.

Was im Einzelnen geklaut wurde, geht in den meisten Fällen nicht aus der Statistik hervor. Fast alle Verfahren sind unter dem Punkt "Diebstahl von sonstigem Gut" aufgelistet. Das kann die Lesebrille aber auch Bargeld sein. Zwölfmal wurden EC- oder Kreditkarten geklaut, siebenmal Betäubungsmittel, fünf Fahrräder und ein Auto.

Diebe kommen häufig von außen

Um der Frage nachzugehen, wer häufig hinter Diebstählen in Seniorenheimen steckt, lohnt sich ein Blick auf die Statistik für das Jahr 2020 - die Hochphase der Corona-Beschränkungen. Auch der Zugang zu Seniorenheimen wurde strikt kontrolliert. Besucher waren im Normalfall nicht zugelassen.

Insgesamt wurden für das Jahr 2020 nur 47 Fälle von Diebstahl in Seniorenheimen erfasst, ein deutlicher Unterschied zu den 376 Fällen im vergangenen Jahr. Das rheinland-pfälzische Landeskriminalamt (LKA) sieht einen Zusammenhang zwischen den Zugangsbeschränkungen und der geringen Zahl der Fälle.

Es gebe Leute, die sich im Pflegeheim als Besucher ausgeben, es aber auf Wertsachen der Bewohner abgesehen haben, sagt Michael Krausch von der Abteilung "Polizeiliche Prävention" beim LKA.

Pflegepersonal achtet auf Unbekannte

Der beste Schutz vor solch unerwünschtem Besuch ist die Aufmerksamkeit des Pflegepersonals. Gerade in den stationären Einrichtungen seien die Besucher und Angehörigen dem Personal bekannt, sagt Bianca Jertz, Referentin Altenhilfe beim Caritasverband für die Diözese Mainz. "Unbekannte Gesichter fallen direkt auf. Die Pflegekräfte sprechen die Personen auch darauf an, wen sie besuchen möchten."

Die Caritas betreibt im Bistum Mainz 25 stationäre Einrichtungen mit fast 1.500 Mitarbeitenden. Pro Jahr werden fast 4.000 Menschen betreut, teilt Pressesprecherin Julia Gaschik mit.

Diebstähle seien im Heimalltag die große Ausnahme, sagen Gaschik und Jertz. Damit das so bleibt, werden Vorsichtsmaßnahmen getroffen. "Wenn Bewohner bei uns einziehen, raten wir ihnen, nicht so viel Bargeld mitzunehmen", erklärt Jertz. Die Bewohner hätten im Heim Konten, die sie beispielsweise für Frisörbesuche nutzen. Auch Angehörige könnten Rechnungen bargeldlos begleichen.

Wertvolle Sachen gehören ins Schließfach

Bei älteren Menschen sei zwar gemeinhin der Sparstrumpf noch beliebt, die nachkommenden Generationen im Seniorenheim seien aber auch schon mit EC-Karten gut vertraut.

Einige Einrichtungen verfügen zusätzlich über Schließfächer im Zimmer. In denen sollte Bargeld oder auch wertvoller Schmuck aufbewahrt werden, empfiehlt der Caritasverband.

Ein Faktor, der im Seniorenheim natürlich auch eine Rolle spielt, sind Krankheitsbilder. "Bei Demenzerkrankten verschwinden auch mal Gegenstände. Da wird das Gebiss vertauscht oder die Brille. Sie verstecken auch mal Sachen", sagt Altenhilfe-Referentin Jertz. "Es gehört auch zum Krankheitsbild dazu, dass man glaubt, beklaut zu werden. Aber man kennt ja seine Bewohner. Wichtig ist, alle Beschwerden ernst zu nehmen."

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Keine hundertprozentige Diebstahlabsicherung möglich

Ganz auf Null reduzieren lasse sich das Risiko für Diebstähle in Seniorenheimen nicht, sagt Sebastian Rutten, Geschäftsführer der PflegeGesellschaft Rheinland-Pfalz. Der Verband vertritt die Interessen der Mehrzahl der Pflegeeinrichtungen im Land.

Auch Rutten verweist vor allem auf die Gefahr von außen. "Das Thema Diebstähle in Pflegeeinrichtungen ist leider eines, das immer wieder einmal zum Problem wird, oft aber nicht aus der Belegschaft heraus, sondern durch externe Personen." Diese würden "gezielt schlecht einsehbare Orte mit guter Fluchtmöglichkeit suchen".

Hausratversicherung im Seniorenheim abschließen

Das Pflegepersonal sei dabei auch auf die Mithilfe der Polizei angewiesen, da es keine Befugnisse habe, Verdächtige zu durchsuchen oder aufzuhalten. Rutten empfiehlt Bewohnern, gegebenenfalls eine eigene Hausratversicherung für ihren Hausstand im Seniorenheim abzuschließen.

Außerdem setzt Rutten auf Aufklärung der Bewohner - durch Angehörige und Pflegepersonal. Sollten welche auffallen, die besonders sorglos mit ihren Wertsachen umgehen, würde mit diesen gesprochen. "Wenn ein Bewohner aber die lieb gewonnene, teure Uhr jederzeit bei sich tragen möchte, ist das sein/ihr gutes Recht."

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