"Letzte Chance für die Demokratie?" unter diesem Titel fanden die Gespräche auf dem Hambacher Schloss statt und alle Beteiligten versuchten, die Wahlergebisse einzuordnen und Perspektiven für die Zukunft zu geben.
Politische Vertrauenskrise und die Erneuerung der Demokratie
Michel Friedman machte gleich zu Beginn deutlich, dass Demokratie mehr als nur ein politisches System sei. Eine Wahl sei immer ein Vertrauensvorschuss, doch dieser würde oft von denselben Politikern verwaltet, die das Vertrauen zuvor bereits gebrochen hätten. Friedman stellte die Frage nach einer radikaleren Erneuerung der Parteienlandschaft. Publizistin Jagoda Marinić griff diese Gedanken auf und kritisierte, dass politische Verantwortungsträger selbst nach Wahlniederlagen oft an ihren Posten festhielten.
Schon die ersten zwei, drei Tage nach der Wahl hat man das Gefühl, es soll direkt wieder an die Wand gefahren werden.
Der Wandel sei notwendig, man dürfe die Themensetzung nicht populistischen Parteien überlassen, sondern müsse selbst aktiv gestalten.
Volker Kronenberg sah bei der Bundestagswahl einen wichtigen positiven Aspekt in der hohen Wahlbeteiligung. "Es ist sehr positiv, dass so viele Menschen ganz bewusst zur Wahl gegangen sind", sagte der Politikwissenschaftler. Es zeige, dass die Demokratie noch lebendig sei, auch wenn viele sich von den etablierten Parteien abwendeten. Um das Vertrauen zurückzugewinnen, müsse die Politik transparenter und partizipativer werden.
Migration als gesellschaftliche Herausforderung
Ein weiteres zentrales Thema der Diskussion war die Migrationspolitik. Michel Friedman stellte fest: "Wir sind als Gesellschaft eigentlich nur erfolgreich, weil Menschen kommen und gehen." Gleichzeitig sei es paradox, dass Deutschland einen Fachkräftemangel beklage, während gleichzeitig ein immer schärferes Asylrecht diskutiert werde. Er erinnerte an Jürgen Rüttgers Kampagne "Kinder statt Inder" und kommentierte: "Inzwischen sind weder Kinder noch Inder da."
Jagoda Marinić betonte, dass Migration nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine gesellschaftliche Dimension habe. "Wir haben es ab 2012 nicht geschafft, ein funktionierendes Zuwanderungssystem zu etablieren", sagte sie. Es würden aktuell Wunden aufgerissen, und viele Migranten fühlten sich genauso angegriffen wie deutsche Bürger. Zudem erinnerte sie daran, dass in den 1990er Jahren noch eine deutlich klarere Haltung gegen rassistische Strömungen bestand, während heute oft von "besorgten" Bürgern gesprochen werde.




Volker Kronenberg hob die Bedeutung von rechtstaatlichen Prinzipien im Bereich der Migration hervor.
Die Diskussion dreht sich oft um Migration, die nach geltendem Asylrecht nicht stattfinden dürfte.
Dies sei weniger eine politische als vielmehr eine umsetzungspraktische Herausforderung. Achim Wambach sprach sich für eine pragmatische Lösung aus: "Die Anerkennung ausländischer Abschlüsse muss erleichtert werden, wenn wir den Fachkräftemangel bewältigen wollen." Zudem würde die Reduzierung von Steuern für ausländische Arbeitskräfte nachweislich helfen, talentierte Fachkräfte nach Deutschland zu holen.
Wirtschaft und Demokratie: Eine wechselseitige Beziehung
Ein weiteres Kernthema war das Wechselspiel zwischen Wirtschaft und Demokratie. Achim Wambach betonte, dass wirtschaftliche Stabilität eine Grundvoraussetzung für eine funktionierende Demokratie sei.
Ein sozial gerechtes Wirtschaftssystem und eine starke Demokratie sind keine Gegensätze.
Dabei verwies er auf die wirtschaftlichen Krisen, die in der Vergangenheit oft als Nährboden für populistische Bewegungen dienten – etwa in den USA mit der Wahl von Donald Trump.
Michel Friedman kritisierte, dass Deutschland in vielen Bereichen hinterherhinke. "Wir haben alle das Schlaraffenland genossen und sind nun 20 Jahre zurück in Bildung, im Digitalen, in der Verkehrsinfrastruktur, in der Industrie." Dennoch gebe es Hoffnung, betonte Volker Kronenberg.
"Krisen sind oft auch Chancen, um notwendige Reformen durchzusetzen."