"Wie lange hat die Demokratie in Deutschland und Europa noch Zeit zu überleben - bei allen Angriffen, die sie von innen und außen erlebt hat, jetzt sogar von einer der größten Demokratien der Welt?“, diese Frage stellt Michel Friedman und gibt die Antwort selbst: "Sehr wenig Zeit".
Höchste Zeit also, darüber zu sprechen, was zu tun ist. Darum geht es beim Demokratieforum am 26. Februar auf dem Hambacher Schloss. Mit dem Publizisten und Moderator Michel Friedman diskutieren Achim Wambach, Direktor des ZEW-Leibnizinstituts für Europäische Wirtschaftsforschung und Mitglied des Deutschen Ethikrates, Jagoda Marinić, Schriftstellerin und Publizistin und Volker Kronenberg, Politikwissenschaftler.
Wenig Zeit und viel zu tun. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft sind schlecht. Wohnungsnot, Rente, Inflation, Bildungspolitik - die Liste der ungelösten Themen ist lang und immer neue Probleme kommen dazu: Russland ist kein Partner mehr, die transatlantischen Beziehungen sind kompliziert.
Politologe: Wahlergebnis ist "krasses Misstrauensvotum gegenüber etablierter Politik"
Wählerinnen und Wähler trauen den etablierten Parteien offenbar immer weniger zu, anstehende Probleme zu lösen. Das Wahlergebnis sei ein krasses Misstrauensvotum gegenüber etablierter Politik, so der Bonner Politologe Volker Kronenberg. "Wenn die neue Regierung wieder floppt, wird die AfD in Höhen vordringen, das wollen wir uns nicht vorstellen. Der Druck ist groß", so Kronenberg. Doch wie kann die künftige Bundesregierung Vertrauen zurückgewinnen?
Demokratieforum im Hambacher Schloss Dreyer: Bitter für die SPD, wenn die AfD stärker ist
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) hat das Ergebnis der AfD bei der Europa- und der Kommunalwahl als "richtig bedrückend" bezeichnet. Es sei erschreckend, wie stark die AfD inzwischen in Deutschland verbreitet sei.
Wie kann die künftige Bundesregierung Vertrauen zurückgewinnen?
Dass ein "weiter so" schwer möglich ist, weiß auch der Mannheimer Wirtschaftswissenschaftler Achim Wambach. Exporte in die USA werden schwierig, die Produktion in Deutschland teuer. Jetzt gelte es, in anderen Bereichen Chancen auszuloten. Im digitalen Bereich hinkt Deutschland hinterher. Wambach sieht Chancen, das zu ändern.
"70 Prozent der laufenden Belastungen der Wirtschaft in Deutschland sind auf die Umsetzung von EU-Richtlinien zurückzuführen", sagt Achim Wambach. Wambach ist Mitglied im Deutschen Ethikrat. Seine Aufgabe dort: aufräumen bei Verordnungen. Das Ziel: so wenig Regularien wie möglich, so viel wie nötig - und Wege frei machen für Start Ups.
Dominantes Thema Migrationspolitik
Dominantes Thema ist die Migrationspolitik. "Alles wurde dabei durcheinandergeworfen, irreguläre Migration, reguläre Migration und die aktive Politik, die Migranten mit Qualifikation in unserem Land haben will", sagt Michel Friedman. Doch ohne Migranten gehe es nicht. Aber, fragt Friedman, "werden diese kommen und bleiben wollen in einem Land, in dem sich ein Allgemeinverdacht immer mehr verhärtet: Schuld an allem sind die Migranten, die Ausländer?" Er plädiert in der Migrationsdebatte für Besonnenheit und Sachlichkeit.
Jagoda Marinić bemüht sich in der Migrationsdebatte um versöhnliche Töne und sagt: "Ich hoffe, dass ich viele sanfte Radikale finde, die sagen: Wir wollen Gemeinschaft stiften." Marinić hat jahrelang das Interkulturelle Zentrum in Heidelberg geleitet.
"Die Demokratie ist das Versprechen, dass Menschen aufeinander zugehen müssen"
Die nächsten vier Jahre werden entscheiden, wie stabil die Demokratie ist. Wir stehen am Scheideweg, so Michel Friedman: autoritäre Gesellschaft und Unfreiheit – oder Freiheit und Demokratie: "Die Demokratie ist das Versprechen, dass Menschen aufeinander zugehen müssen, weil sie gleichberechtigte Menschen sind. Ich werde mich immer für die Freiheit, für die Selbstverantwortung entscheiden. Alles andere ist kein gutes Leben."