Luftaufnahme von einem Mähdrescher, der über ein Weizenfeld fährt (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa | Boris Roessler)

Getreideknappheit

Bauern in RLP regen sich über Diskussion um Biosprit auf

Stand

Der Ukraine-Krieg und die Weizenknappheit haben auch in Rheinland-Pfalz eine Debatte entfacht: Sollen Nutzpflanzen nicht mehr zu Biosprit verarbeitet werden, sondern auf dem Teller landen? Das könnte aber Landwirte in Not bringen.

Mais, Raps, Weizen - bei weitem nicht alles, was auf unseren Feldern wächst, landet irgendwann auch mal auf einem Teller. Aus vielen Nutzpflanzen wird Bioenergie erzeugt. Raps ist ein wichtiger Bestandteil von Biodiesel. Aus Mais, Getreide oder Zuckerrüben wird Bioethanol, das Benzin beigemischt werden kann. In Deutschland werden auf etwa jedem siebten Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche Energiepflanzen für Biogas oder Biodiesel und Benzin angebaut.

Umweltministerin will keine Pflanzen mehr im Tank

Damit soll bald Schluss sein - dafür will Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) sorgen. Sie will die Beimischung von Biosprit aus Nahrungs- und Futtermittelpflanzen zu herkömmlichem Benzin und Diesel ab dem kommenden Jahr deutlich reduzieren. Bis 2030 soll die Obergrenze schrittweise auf Null verringert werden. Dazu arbeitet sie an einem Gesetzesentwurf.

Rückendeckung kommt von Parteikollege und Agrarminister Cem Özdemir. Und auch Bundesentwicklungsministerin Svenja Schulze (SPD) ist mit an Bord: "Es muss aufhören, dass wir Lebensmittel in den Tank packen - egal ob Weizen, Palmöl, Raps oder Mais."

Hintergrund ist der Krieg Russlands in der Ukraine. Vor Beginn des Krieges war die Ukraine neben Russland einer der weltweit wichtigsten Getreideproduzenten. Wegen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine sind Seewege und Häfen allerdings blockiert. Es droht eine globale Getreideknappheit.

Landwirt spricht bei Gesetzesvorhaben von Populismus

Für Uwe Bißbort aus Pirmasens-Windsberg ist der Vorstoß von Bundesumweltministerin Lemke Populismus. "Man will suggerieren, ich als Umweltministerin habe die Probleme der Zeit erkannt und steuere dagegen. Das ist nicht zielführend", sagte der Landwirt dem SWR-Politikmagazin Zur Sache Rheinland-Pfalz.

Foto von Landwirt Uwe Bißbort. Er guckt von oben in die Kamera. Umrahmt ist er von Rapsblüten. Sein Raps wird vor allem zu Biodiesel.  (Foto: SWR)
Landwirt Uwe Bißbort aus Pirmasens in einem seiner Rapsfelder

Bißbort baut auf seinen Feldern Raps an. Das meiste davon wurde bislang zu Biodiesel. Weil da die Nachfrage am größten war, sagt er. "Wir brauchen Biosprit, um die CO2-Bilanz zu verbessern und weil es unabhängiger von anderen Energieformen macht." Das alles jetzt über Bord zu werfen, hält Bißbort für falsch. Er ist der Überzeugung, dass sich der Markt selbst regulieren wird.

Sollte Lemkes Gesetz verabschiedet werden, hätte das auch für ihn selbst deutliche Konsequenzen. Er würde dann viel weniger Raps anbauen, weil die Wirtschaftlichkeit nicht mehr gegeben wäre, sagt der Landwirt. Und das brächte ein weiteres Problem mit sich. Denn Bißbach braucht den Raps in der Fruchtfolge auf seinen Äckern. Sein Anbausystem würde ansonsten nicht mehr funktionieren.

Ständiges "Hin und Her" der Regierung sorgt für Unverständnis

Einer der Bauern, die in Energieproduktion investiert haben, ist auch Hermann Kesseler aus Lutzerath in der Eifel. Weil sich Anfang der 2000er Jahre seine Flächen wegen der niedrigen Preise für landwirtschaftliche Produkte nicht mehr rentierten, suchte er nach Alternativen, um Geld zu verdienen. Er fand diese Alternative in der Bioenergie. Mehr als eine Million Euro investierte er in eine Biogasanlage. Sie versorgt unter anderem eine Grundschule, einen Kindergarten und ein Feuerwehrhaus in Lutzerath mit Wärme. Amortisiert hat sich die Anlage bis heute nicht, sagt Kesseler.

Foto von Landwirt Hermann Kesseler, der in einem Roggenfeld steht.  (Foto: SWR)
Roggen, Wicke und Erbse wachsen auf diesem Feld von Hermann Kesseler aus der Eifel

Die politische Diskussion kann auch er nicht nachvollziehen: "Vor ein paar Jahren hatten wir zu viele Produkte. Dann mussten wir weniger produzieren, dann fing die Ökoschiene an. Heute sollen wir wieder Weizen anbauen." Das Hin und Her bereite Probleme. "Es arbeiten viele Lehrlinge in der Regierung, aber keine Meister", sagt Kesseler.

Fest steht für ihn: Er kann seine Biogasanlage nicht leerstehen lassen, denn der Landwirt braucht das Geld, um seine Investitionen abzudecken.

Kurzfristige Änderungen in der Landwirtschaft schwierig

Landwirt Kesseler aus der Eifel und Landwirt Bißbort aus Pirmasens sind mit ihren Sorgen nicht alleine. Eberhard Hartelt, der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, sagt, viele Bauern hätten in den Energiebereich investiert. Das könne man nicht einfach so beenden, ohne sich in wirtschaftliche Gefahr zu bringen. "Es ist moralisch geboten, über alle Alternativen nachzudenken. Aber man muss sich auch über Auswirkungen Gedanken machen und nicht nur kurzfristig denken. Wir Landwirte denken über Jahre und Generationen", warnt Hartelt.

Eine kurzfristige Abhilfe, die möglich gewesen wäre, habe die Regierung hingegen nicht umgesetzt. So hatte die EU-Kommission empfohlen, in diesem Jahr die Bewirtschaftung von ökologischen Vorrangflächen zu erlauben, um darauf zum Beispiel Sonnenblumen, Soja oder Mais anbauen zu können. Diesem Weg ist Deutschland nicht gefolgt. "Es ist unbegreiflich, warum einer EU-Vorgabe, denen wir sonst immer folgen, diesmal nicht gefolgt wurde", beschwert sich Hartelt.

Foto vom Präsidenten des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt. Er steht auf einem Feldweg. (Foto: SWR)
Kein Verständnis für die Pläne des Umweltministeriums hat der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Pfalz Süd, Eberhard Hartelt

Wissing lehnt Lemkes Biosprit-Vorschlag ab

Unverständnis darüber kommt auch von der FDP - immerhin Koalitionspartner von Lemkes Grünen sowohl im Bund als auch in Rheinland-Pfalz. So hatte sich die rheinland-pfälzische Landwirtschaftsministerin Daniela Schmitt (FDP) im April anlässlich der Abstimmung im Bundesrat deutlich für die Nutzung der Vorrangflächen für den Getreide- und Nutzpflanzenanbau ausgesprochen.

Und FDP-Bundesverkehrsminister Volker Wissing teilte mit, es sei ein Widerspruch, einerseits Agrarflächen stillzulegen und andererseits Nahrungsmittelknappheit zu beklagen. Wissing lehnt zudem Lemkes Vorschlag zur Verbannung von Raps & Co. aus dem Tank ab.

Damit steckt die Regierung in einem Dilemma: Während sich die Grünen gegen eine Bewirtschaftung von Vorrangflächen und gegen die weitere Nutzung von Biosprit positionieren, sind die Interessen bei der FDP genau andersherum. Ob der Plan der Bundesumweltministerin also wie geplant umgesetzt wird, ist aktuell noch offen.

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