Menschen und Hunde bei einer Treibjagd im Wald - Vegetarier haben vor dem Verwaltungsgericht Koblenz erfolgreich gegen Treibjagden auf ihren Grundstücken geklagt (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance / Jens Büttner/dpa-Zentralbild/dpa | Jens Büttner)

Organisation will "Hobbyjagd" verbieten

Jagd in RLP: Wie zeitgemäß ist das noch?

Stand

Seit Oktober läuft in Rheinland-Pfalz wieder die Hauptjagdsaison. Jetzt haben Tierschützer eine Petition zum Verbot der ehrenamtlichen Jagd lanciert. Ein Überblick über die Debatte.

Die Zukunft der Jagd ist für Rheinland-Pfalz nicht unwichtig, denn ganze 42,3 Prozent der Landesfläche bestehen aus Wald. Damit ist Rheinland-Pfalz zusammen mit Hessen das waldreichste Bundesland. Mögliche Änderungen des Jagdrechts könnten also große Auswirkungen auf Hunsrück, Pfälzerwald und Co. haben.

Wie viele Jäger gibt es in Rheinland-Pfalz?
Wie sicher ist die Jagd?
Welche Argumente führen die Jagdgegner an?
Was sagt der Jagdverband?
Welche Erfahrungen gibt es mit Jagdverboten?
Wo steht die Landesregierung?

Wie viele Jäger gibt es in Rheinland-Pfalz?

In Rheinland-Pfalz gibt es rund 3.500 Jagdbezirke, in denen etwa 22.500 Jägerinnen und Jäger ihrem Steckenpferd nachgehen. Voraussetzung ist der Besitz eines Jagdscheins. Bundesweit gibt es derzeit mehr als 403.000 Jagdscheininhaber.

Wie sicher ist die Jagd?

Die Jagd gilt als relativ sichere Betätigung. Zwar listet die Gesundheitsberichterstattung des Bundes nicht gesondert auf, wie viele Menschen bei Jagdunfällen sterben. In Daten der Landwirtschaftlichen Sozialversicherung wird man aber fündig. Aus diesen geht hervor, dass es beispielsweise im Jahr 2019 einen Todesfall und insgesamt 477 Unfälle gab - bei etwa 389.000 Jägern. In den beiden Folgejahren sank die Zahl der Unfälle auf 426 beziehungsweise 364 - und das, obwohl die Zahl der Jäger stieg. Todesfälle wurden in den beiden Jahren nicht verzeichnet.

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Um die Jagd sicher zu gestalten, stellen Jäger rot umrandete Dreiecke mit Aufdrucken wie "Treibjagd" oder "Vorsicht Jagd" an Straßen, Wald- und Feldwegen auf. Der Deutsche Jagdverband (DJV) bittet Spaziergänger, Jogger, Reiter und andere, diese zu beachten. Insbesondere bei Jagden mit mehreren Jägern und Hunden müssten alle Beteiligten zudem signalfarbene Kleidung tragen, mit der sie sich von ihrer Umgebung abhöben, heißt es.

Welche Argumente führen die Jagdgegner an?

In Rheinland-Pfalz macht unter anderem die Organisation "Wildtierschutz Deutschland" gegen das Jagen mobil. In einer Petition an die Bundesregierung und EU-Kommission fordert der Verein nicht nur die Abschaffung der ehrenamtlichen Jagd, sondern auch eine deutliche Verschärfung des Jagdrechts. Aus seiner Sicht sollte das Erlegen von Großraubtieren, wie Luchs und Wolf, tabu sein. Auch die Jagd von Beutegreifern wie Fuchs, Dachs und Goldschakal gehöre abgeschafft - ebenso das Erlegen sämtlicher Vogelarten. Auch solle die Jagd auf gefährdete Arten ab einer Vorwarnstufe in der Roten Liste verboten werden.

Aus Sicht der Jagdgegner dient die Jagd fast ausschließlich den "individuellen Interessen der Jagdausübungsberechtigten, der Pflege von Traditionen und der Lust am Töten". Arten- und naturschutzrechtliche Argumente lässt "Wildtierschutz Deutschland" nicht gelten: Als Beispiel führt der Verband die Jagd auf Füchse, Waschbären und Marder an, die erlegt werden, um jagdbare Arten wie Rebhühner, Fasane und Feldhasen zu erhalten.

So seien im Jagdjahr 2019/20 in Deutschland 1.877 Rebhühner, 108.081 Fasane und gut 230.945 Feldhasen erlegt worden. 15 Jahre zuvor seien es noch 11.745 Rebhühner, 445.267 Fasane und 552.882 Feldhasen gewesen. Für den Verband ist das Fazit klar: "Obwohl in diesen 15 Jahren etwa sechs Millionen Füchse plus Marder, plus Dachse, plus Waschbären u.a. getötet wurden, ist der Bestand der zu schützenden Arten extrem zurückgegangen."

Jagdgegner sehen sich durch Meinungsumfragen bestätigt. So gab die Tierrechtsorganisation Peta beispielsweise 2018 eine Umfrage zum Thema Jagd in Auftrag. Daraus geht hervor, dass eine Mehrheit (49 Prozent) der Befragten ausschließlich Berufsjägern ein Jagdrecht zugestehen will. 45 Prozent befürworten den Erhalt der ehrenamtlichen Jagd und drei Prozent wollen die Jagd grundsätzlich verbieten.

Was sagt der Jagdverband?

Aus Sicht des rheinland-pfälzischen Jagdverbandes (LJV) ist Jagen als Ehrenamt nicht nur zeitgemäß, sondern unerlässlich. Jäger verbrächten über 41 Stunden pro Monat in der Natur, heißt es. Dadurch könne nachhaltig Fleisch gewonnen werden. Von den 41 Stunden entfielen 16 Stunden auf Hege und Arbeiten im Revier: "Jäger retten beispielsweise Wildtiere vor dem Mähtod, legen Blühflächen für bedrohte Arten an, schützen Bäume vor Verbiss, machen Projekte zur Naturbildung mit Kindern oder halten Hochsitze instand." Den vielen ehrenamtlichen Jägern stünden nur etwa 1.000 Berufsjäger gegenüber. Diese wären nicht im Ansatz dazu fähig, "das ehrenamtliche Engagement der Jäger:innen in der Fläche zu realisieren", so der LJV.

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Ohne Jagd würden Wildbestände laut Verband überhandnehmen. Die Folgen: Der unter Trockenstress stehende Wald könnte sich durch Verbiss- und Schälschäden nicht ausreichend verjüngen. Gleichzeitig würden Krankheiten und Tierseuchen zunehmen. Eine Selbstregulierung der Natur, wie sie Tierschützer fordern, gebe es nur bedingt. Als Beispiel führt der LJV den Rotschenkel an, der zur Brut dringend Salzwiesen benötigt. "Sollten diese durch Landwirtschaft oder Beutegreifer wie Fuchs, Marder, Waschbär etc. bedroht sein, bleibt ein Bruterfolg gänzlich aus und die Art stirbt schlussendlich aus."

Einzig beim Schutz großer Raubtiere gibt es Gemeinsamkeiten zwischen Tierschützern und Jägern. "Die Bejagung des Luchses ist in Deutschland nicht notwendig, da er aufgrund seiner Lebensweise nicht zum Problem für Mensch oder Nutztierhaltung wird", sagt der LJV. Beim Wolf stehe man ebenfalls klar zum Artenschutz und verurteile illegale Tötungen. Allerdings müsse der Wolfsmanagementplan des Landes weiterhin der Populationsentwicklung angepasst werden. "Dabei steht der Mensch im Vordergrund, mit seinem Bedürfnis nach Sicherheit und einem angstfreien Naturgenuss in Sport und Freizeit."

Aus Sicht des DJV ist die Jagd gesellschaftlich breit akzeptiert. Als Beleg führt er an, dass seine Mitgliederstruktur in den vergangenen Jahren weiblicher und jünger geworden sei: So habe es beim Anteil der Jägerinnen unter den DJV-Mitgliedern seit 2016 einen Anstieg von 7 auf 11 Prozent gegeben. Die Zahl der Mitglieder zwischen 18 und 34 Jahren nahm demnach um knapp ein Viertel auf 11 Prozent zu. Das Durchschnittsalter der Jägerschaft sei im selben Zeitraum von 57 auf 56 Jahre gesunken. 

Welche Erfahrungen gibt es mit Jagdverboten?

Ein Ort in Mitteleuropa, wo die Jagd tatsächlich abgeschafft wurde, ist der Schweizer Kanton Genf. 1974 stimmte eine große Mehrheit der Bürger für eine entsprechende Initiative. Seitdem haben sich die Tierbestände in Genf erholt. Auch sind Wildtiere zutraulicher geworden. Gleichzeitig haben sich Rehe und Wildschweine so stark vermehrt, dass sie doch wieder bejagt werden müssen - allerdings nur von speziellen "Umwelthütern", für die strenge Auflagen beim Abschuss gelten. 2006 sprachen sich 90 Prozent der Genfer für eine Beibehaltung dieser Form des Jagdverbots aus.

Ein Vortrag zu den Erfahrungen aus Genf:

Wo steht die Landesregierung?

Die rheinland-pfälzische Ampel-Koalition steht - wenig überraschend - hinter der gegenwärtigen Rechtslage: Für die Landesregierung stellt Jagd eine "legitime, nachhaltige Nutzung der Wildarten als Ausfluss des Eigentumsrechts" dar. Sie sei unverzichtbar, um Weinberge, Äcker und Wälder zu schützen. Die Wildbestände würden nur in dem Umfang bejagt, wie sie tatsächlich nachwüchsen. Aus Sicht des Landes werden die derzeitigen Regeln auch dem Tierschutz gerecht: So gebe es für manche Arten überhaupt keine Jagdzeiten (Luchse, Wildkatzen, Greifvögel und zahlreiche Entenarten) und für die meisten anderen Arten Schonzeiten.

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SWR