Nach dem Beschluss der Gesundheitsministerkonferenz können sich nun Kinder ab zwölf auch in der Region Trier impfen lassen. (Foto: dpa Bildfunk, picture alliance/dpa/AP | Raul Mee)

Corona-Impfung für Grundschulkinder rückt näher

EMA empfiehlt Zulassung von BioNTech-Impfstoff für Kinder

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Die europäische Arzneimittelbehörde EMA hat den BioNTech-Impfstoff gegen das Coronavirus für Kinder von fünf bis elf Jahren zugelassen. Was sagen Studien und Ärzte dazu? Sollte man seine Kinder impfen lassen oder nicht?

In den USA sind bereits mehr als zwei Millionen Kinder im Alter von fünf bis elf Jahren gegen Corona geimpft worden. Auch in Deutschland könnte es bald losgehen. Die europäische Arzneimittelbehörde EMA gab am Donnerstagmittag grünes Licht für den Einsatz des Covid-19-Impfstoffs von BioNTech und Pfizer auch bei Kindern und empfahl eine Erweiterung der Zulassung. Die finale Entscheidung muss noch von der Europäischen Kommission gefällt werden. Dies gilt jedoch als Formsache. Bisher war das Vakzin in der Europäischen Union erst ab zwölf Jahren zugelassen. Trotz der EMA-Verkündung gibt es für viele Eltern noch Unsicherheiten und offene Fragen.

Was sagen Studien zur Impfung von Kindern unter 12 Jahre?

Eine im "New England Journal of Medicine" veröffentlichte Evaluation beurteilt die Studie von BioNTech/Pfizer zur Verwendung ihres Impfstoffs bei Kindern. In Phase eins war die Dosis bestimmt worden: Bei Erwachsenen sind es 30 Mikrogramm, für Kinder unter 12 Jahren entschied man sich nach Abschluss der Testreihe für 10 Mikrogramm. Die Studienphasen zwei und drei umfassten 2.268 Kinder zwischen elf und fünf Jahren. Zwei Drittel von ihnen bekamen je zwei Dosen des Impfstoffs, ein Drittel ein Placebo. Die Immunantwort wurde einen Monat nach der zweiten Dosis gemessen.

Die Autoren sahen "ein günstiges Sicherheitsprofil", es seien "keine schweren impfbedingten Nebenwirkungen beobachtet worden". Beobachtet wurden nur "milde und vorübergehende Reaktionen" wie Fieber, Schmerzen am Einstich, Müdigkeit oder Kopfschmerzen. Die Impfung sei sicher und effektiv, lautet das Fazit.

Drei der geimpften Kinder erkrankten in der Beobachtungszeit an Covid-19, in der Kontrollgruppe waren es 16. Die Forscher beziffern die Wirksamkeit des Impfstoffs auf 90,7 Prozent. Die einzigen drei schwereren Schäden im Beobachtungszeitraum hatten nach Ansicht der Autoren keinen Zusammenhang zur Impfung - in einem Fall war es ein gebrochener Arm. Herzmuskelentzündungen, wie sie nach breiterer Impfung von über Zwölfjährigen vereinzelt vorkamen, wurden in dieser - recht kleinen - Probandengruppe nicht festgestellt.

Reichen die vorliegenden Daten aus, um die Impfung zu beurteilen?

"Eine Zulassung ist etwas völlig anderes als eine Impf-Empfehlung", sagt Fred Zepp, Mitglied der Ständigen Impfkommission (STIKO). Bis Ende März leitete er die Kinder- und Jugendklinik in Mainz. Um den Impfstoff für Kinder unter 12 Jahren zuzulassen, reichten die Daten wahrscheinlich aus, sagt er vor der EMA-Entscheidung. Dafür müsse zunächst nachgewiesen werden, dass die Impfung eine schützende Antikörperantwort auslöst und dass sie bei den Probanden keine akuten unerwünschten Nebeneffekte hatte.

"Was Sie in der Zulassungsstudie nicht sehen, sind Risiken, die seltener auftreten als es statistisch in einer so kleinen Gruppe zu erwarten ist."

Bei der Zulassungsstudie haben nur rund 1.500 Kinder den Impfstoff erhalten. "Sehr seltene Nebenwirkungen kann man da nicht erkennen", sagt Zepp. Herzmuskelentzündungen zum Beispiel habe man bei jungen Männern erst nach breiterer Anwendung des Impfstoffs entdeckt.

Der STIKO geht es auch darum, Daten zu seltenen Impfkomplikationen aus anderen Ländern zu bekommen. In den USA etwa werden kleinere Kinder bereits seit November mit dem geringer dosierten Vakzin geimpft, nach Regierungsangaben haben bisher rund 2,6 Millionen Fünf- bis Elfjährige die erste Spritze bekommen. Die dortige Lage und der Gesundheitszustand der US-Kinder gelten aber nicht als 1:1 vergleichbar mit Deutschland.

Was sagen Kinderärzte zur Corona-Impfung von Kindern?

"Wir plädieren dafür, zunächst abzuwarten, was die STIKO sagt", erläuterte der Sprecher des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Jakob Maske. "Es wäre nicht ratsam, dass die Politik die Impfung empfiehlt, solange es keine Empfehlung des Gremiums gibt, das die Politik berät." Natürlich stiegen die Infektionszahlen und damit der Druck, mit allen Mitteln gegenzusteuern.

"Aber die Politik sollte nicht schon wieder unnötig Druck auf Eltern und Kinder machen."

Man wolle eine sichere Impfung, so Maske. "Und das wollen ja auch die Eltern." Kinder infizierten sich. Dass sie schwer erkrankten, sei aber die absolute Ausnahme. Die Nutzen-Risiken-Abwägung müsse bei Kindern daher eine andere sein als bei Erwachsenen: "Weil das Risiko sehr klein ist, muss der Nutzen sehr groß sein." Daher müssten für mögliche Nebenwirkungen noch viel strengere Kriterien gelten.

Corona-Impfung für Kinder: Wann entscheidet die STIKO über eine Empfehlung?

Laut STIKO-Mitglied Zepp wird "zeitnah in den nächsten Wochen" darüber beraten. Eine Entscheidung könnte abhängig vom Zeitpunkt der Zulassung noch im November fallen, sagte der Mainzer Kinderarzt. Er persönlich hält es für möglich, dass es eine Empfehlung zunächst für Kinder mit einem erhöhten Risiko aufgrund von Vorerkrankungen geben könnte, wie das auch zunächst bei Impfungen für 12- bis 17-Jährige der Fall war.

Dürfen Kinderärzte auch ohne STIKO-Empfehlung impfen?

Ja, erklärt Maske vom Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte: "Das ist eine freie ärztliche Entscheidung." Sogar vor der Zulassung des Impfstoffs für diese Altersgruppe ist es nicht illegal, kleinere Kinder zu impfen. Maske hält die Zahl der Kinderärzte, die bisher unter 12-Jährige geimpft haben, für klein. Wenn die EMA-Zulassung vorliegt, werden sich mehr Kinderärzte dazu bereit erklären, die Impfung anzubieten, glaubt Maske. Das könnte zu Diskussionen in den Praxen führen. "Aber dafür sind wir ja da", sagt Maske.

Was halten Kinderärzte generell von Covid-Impfungen für Kinder?

Kinder gegen eine Infektionskrankheit zu impfen, die sie meist unkompliziert und ohne Komplikationen überstehen, sei immer "eine schwierige Entscheidung", sagt Kinderarzt und STIKO-Mitglied Zepp. "Man muss die Risiken einer Sars-CoV-2 Infektion den möglichen seltenen Risiken einer Impfung gegenüberstellen."

Dabei müsse auch berücksichtigt werden, dass man unterschiedliche Gruppengrößen vergleicht: "Wenn ich alle Kinder einer Altersgruppe impfe, setze ich alle zunächst dem sehr geringen Risiko einer Impfnebenwirkung aus. Die Risiken einer Covid-19-Erkrankung sind größer, aber wir wissen nicht, wie viele Kinder sich tatsächlich infiziert hätten und erkrankt wären."

Was spricht für das Impfen von Kindern?

Die Autoren der Studie im "New England Journal of Medicine" argumentieren mit einem direkten und einem indirekten Nutzen: Eine Impfung schütze Kinder vor einem - wenn auch seltenen - schweren Verlauf oder Spätfolgen einer Covid-19-Erkrankung. Indem man sie schütze, schütze man auch Menschen in ihrem Umfeld, die ein Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf hätten. Ungeimpft könne diese Altersgruppe Überträger auch für neue Virus-Varianten werden.

In der Debatte gibt es Zepp zufolge verschiedene Parameter. Das eine sei die Krankheitslast des einzelnen Kindes, das andere der Nutzen für die gesamte Gesellschaft. Möglicherweise sei es in einer Pandemie auch sinnvoll, Kinder zu impfen, um für die Gemeinschaft mehr Teilhabe und eine bessere Lebensführung zu ermöglichen. Hingegen hat die Impfung von Kindern nur einen geringen Effekt auf die Übertragung des Virus zwischen Erwachsenen.

Ärzte, die jetzt schon Kinder U12 impfen

Es gibt eine Reihe von Eltern, die ihre Kinder dringend impfen lassen wollen - notfalls auch ohne vorherige Zulassung des Impfstoffs für die jüngere Altersgruppe. Dafür gibt es mehrere Gründe: etwa eigene Vorerkrankungen oder Vorerkrankungen des Kindes, Sorge vor den möglichen Folgen einer Corona-Infektion oder der Wunsch, den Kindern ein weitgehend normales Schul- und Sozialleben zu ermöglichen.

Manche Eltern suchen im privaten Umfeld nach Ärzten, die bereit sind, ihre Kinder schon jetzt zu impfen. Im Internet bietet eine ehrenamtliche Initiative Eltern die Vermittlung impfwilliger Ärzte an. Auf einer Online-Plattform der Initiative können Eltern sich entsprechende Ärzte in der Nähe ihres Wohnorts anzeigen lassen. Daneben gibt es auch Eltern, die eine Impfung für ihre Kinder grundsätzlich ablehnen. Etwa, weil sie mögliche Risiken der Impfung scheuen oder eine Covid-Erkrankung bei Kindern als harmlos erachten.

"Ungeimpfte Erwachsene sind das Problem"

Kinderarzt Zepp sagt, man dürfe nicht vergessen: "Ein großer Teil unseres Problems sind ungeimpfte Erwachsene. Wir müssen aufpassen, dass wir nicht wieder eine Stellvertreter-Diskussion zum Nachteil von Kindern haben". Er findet: "Die wichtigste Maßnahme zur Überwindung der Pandemie bleibt unverändert möglichst viele, am besten alle, Erwachsenen durch Impfung zu schützen."

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