Susanne Geib* ist 45 Jahre alt und arbeitet seit 24 Jahren als Erzieherin, aktuell in einer Kita in einer kleinen Gemeinde in Rheinhessen. "So schlimm wie jetzt war es noch nie", erzählt sie frustriert.
Kita-Kinder müssen auf Vieles verzichten
"Eigentlich liebe ich meinen Beruf", betont Susanne Geib. Corona habe sie und ihre Kolleginnen und Kollegen in den vergangenen beiden Jahren aber müde gemacht. Immer wieder neue Verordnungen, die für Verwirrung sorgen - das ärgere sie und die anderen im Team. Am meisten mache ihnen aber zu schaffen, dass die Arbeit mit den Kindern leidet.
"Das Pädagogische fällt in der Pandemie hinten runter."
So müssten beispielsweise gemeinsame Ausflüge ins Theater ausfallen. Stattdessen habe es mal einen Kino-Nachmittag in der Kita mit selbst gemachtem Popcorn gegeben. Doch viele Eltern hatten sich danach beschwert, weil mehrere Kinder aus einer Schüssel aßen. "Dabei teilen sie sich doch auch Spielsachen", meint Susanne Geib. Solche Reaktionen seien demotivierend.

Verbindliche Corona-Tests könnten Kita-Personal schützen
Überhaupt reagierten Eltern oft mit Unverständnis. Trotz vieler Krankheitsfälle im Team versuche die Kindertagesstätte, den Betrieb so gut es geht aufrecht zu erhalten. Werden die Öffnungszeiten dann doch gekürzt, sind die Eltern regelrecht sauer, berichtet Geib. Wie ernst die Lage in den Kitas sei, würden die meisten gar nicht sehen.
Und noch etwas kritisiert die Erzieherin: Obwohl die Kleinen ungeimpft sind, sei die Bereitschaft der Eltern, sie auf Corona testen zu lassen, gering. Geib betreut beispielsweise 25 Kinder in ihrer Gruppe - bei den freiwilligen Corona-Tests, die zwei Mal pro Woche in ihrer Einrichtung stattfinden, machen in der Regel gerade mal zwei Kinder mit. "Wir Erzieherinnen sind ungeschützt", klagt die Pädagogin.
"Viele Eltern verstehen den Ernst der Lage nicht. Da wird man richtig wütend."
Kinder, die Symptome einer Corona-Erkrankung zeigen, würden oft nur widerwillig von den Eltern abgeholt. Ist das Kind positiv getestet, darf es nach einem einmaligen Schnelltest schon wieder zurück in die Kita. "Und was ist mit der Inkubationszeit?", fragt sich Geib.
Die Erzieherin wünscht sich, dass die Politik die Rahmenbedingungen schafft, damit nur negativ getestete Kinder in die Kita dürfen. "Auch ich habe eine Familie, die ich schützen möchte", betont die 45-Jährige.
Viele Kita-Mitarbeiter schmeißen hin
Doch nicht nur Corona erschwere seit Jahren die Arbeit in der Kita - auch der Fachkräftemangel. Viele Stellen seien nicht besetzt, das verschärfe die angespannte Lage. Es sei kein Wunder, dass viele Kolleginnen und Kollegen kündigten. Auch Susanne Geib kommt nach der Arbeit oft völlig erschöpft nach Hause und hat schon überlegt, hinzuwerfen. Doch die Arbeit mit den Kindern mache ihr zu viel Spaß.
"Die Unbefangenheit, das Kinderlachen und die strahlenden Augen - das macht vieles wett."
Seit Freitag Tarifverhandlungen für Erzieherinnen und Erzieher
Die aktuelle Situation will sie trotzdem nicht einfach so hinnehmen. Sie war schon auf einer Demo in Mainz, um gegen die Corona-Regeln in Kitas zu protestieren. Und wenn am Freitag die Tarifverhandlungen für den Sozial- und Erziehungsdienst beginnen, ist Geib bereit, wieder auf die Straße zu gehen.
*Name von der Redaktion geändert