1.450 Quadratmeter, spiegelnde Fensterfront, 2,9 Millionen Euro: Ein normales Bürogebäude steht in Mainz zum Verkauf. Kaum ein Passant dürfte ahnen, dass sich hier hinter der Tiefgarageneinfahrt einer der letzten Schutzräume in Rheinland-Pfalz in sogenannter Zivilschutzbindung verbirgt. Genauso wenig wie im Keller des Verwaltungsgebäudes der Verbandsgemeinde Bitburger Land. Ein Thema, das nach dem Mauerfall in Vergessenheit geraten ist - aber mit Russlands Angriffskrieg in der Ukraine nur zwei Flugstunden entfernt wieder Aktualität gewonnen hat: Wo fänden Rheinland-Pfälzer notfalls Schutz?
"Vielleicht interessant, so einen Schutzraum zu erhalten"
Der Immobilienmakler Armin Rechel sagt zu dem dreistöckigen Gebäude in Mainz-Hechtsheim, dessen besonders gesicherte Tiefgarage sei kein Nachteil: "Vielleicht ist es sogar interessant für Kaufinteressenten, so einen Schutzraum zu erhalten." Die Tiefgarage mit 31 Stellplätzen habe ein zusätzliches dickes Schutztor sowie Zugangsschleusen. "Im Lager darüber kann ein Schwerlast-Lkw über die Garage fahren." Das Bürogebäude ist laut am Montag aufgerufener Online-Immobilienanzeige 1986 erbaut worden - in dem Jahr, als es im April zur Nuklearkatastrophe von Tschernobyl nahe der ukrainischen Stadt Prypjat gekommen ist.
Wartung seit 15 Jahren nicht mehr vorgeschrieben
Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (BImA) in Bonn bestätigt, "dass es in Rheinland-Pfalz fünf öffentliche Schutzräume gibt, die bislang noch nicht entwidmet wurden". Sie befänden sich eben in Mainz und Bitburg sowie in Worms, Neustadt an der Weinstraße und einem Dorf nahe dem US-Luftwaffen-Standort Spangdahlem in der Eifel. In Rheinland-Pfalz hat es bei Marienthal im Ahrtal zudem einst den unterirdischen Bunker der Bundesregierung gegeben - doch von 17 Kilometern Länge sind hier nur noch 200 Meter als Museum erhalten. Kürzlich hat die BImA zum Zivilschutz für Bürger allerdings auch mitgeteilt: "Die funktionale Erhaltung öffentlicher Schutzräume wurde im Jahr 2007 eingestellt." Somit ist deren Wartung schon seit 15 Jahren nicht mehr vorgeschrieben. Bundesweit sind viele längst verkauft worden.
Platz für 1.066 Bürger
Im März 2022 hat die BImA sogar erklärt, inzwischen "stehen in Deutschland keine öffentlichen Schutzräume mehr zur Verfügung". Also null Bunker. Kurz danach spricht die Bundesregierung im Widerspruch hierzu in einer Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der AfD von deutschlandweit 599 verbliebenen Bunkern in Zivilschutzbindung. Eben nur fünf davon befänden sich in Rheinland-Pfalz mit Platz für insgesamt 1.066 Bürger. In diesen zwei kommunalen und drei privaten Bunkern könnte also im Krisenfall nur ein winziger Bruchteil der rund 4,1 Millionen Rheinland-Pfälzer unterschlüpfen.
Innenminister Lewentz will mit Kollegen über Zivilschutz sprechen
Angesichts des brutalen und völkerrechtswidrigen Krieges in der Ukraine hat indessen bundesweit ein Umdenken begonnen. Der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) will bei der Frühjahrskonferenz mit seinen Amtskollegen vom 1. bis 3. Juni in Würzburg nach eigenen Worten auch über Zivilschutz sprechen. Laut Bundesinnenministerium wird "das aktuelle Rückbaukonzept für Schutzräume geprüft". Erster Schritt sei eine Bestandsaufnahme. In der BImA ist zu hören, dass sich diese etwas hinziehen könnte. Das Innenministerium teilt mit: "Bislang hat sich der Bund mit der konkreten Zielrichtung einer Bestandsaufnahme noch nicht an das Land gewandt. Es wird davon ausgegangen, dass dies im Zuge der laufenden Gespräche über den Zivilschutz erfolgen wird."
Entwidmungsverfahren gestoppt
Derweil erläutert Jörg Diester, Autor mehrerer Bücher über Bunker, mit Blick auf den Schutzraum für bis zu 60 Bürger in einem Privathaus in einem Dorf bei Spangdahlem: "Der Familienvater dort hat mir berichtet, dass die BImA die Entwidmung gestoppt hat." Der einst mit einem staatlichen Zuschuss geförderte Bunker müsse erhalten werden. Auch ein Sprecher der Verbandsgemeinde Bitburger Land sagt nach einer kurzen Nachprüfung überrascht: "In der Tat ist unser Schutzraum noch nicht entwidmet." Die Kommune habe diesen Schritt bei der BImA angestrebt. "Aber das Entwidmungsverfahren wurde ruhend gestellt." Wohl wegen des Krieges in der Ukraine, vermutet der Sprecher.
Der Schutzraum im Anfang der neunziger Jahre fertiggestellten Anbau des Verwaltungsgebäudes in Bitburg habe eine Genehmigung für die Nutzung mit Akten. Es gebe allerdings die Auflage, dass dieses sogenannte Zwischenarchiv im Keller notfalls rasch ausgeräumt werden könne.