Zum 1. Januar war die Reform in Kraft getreten, nach dem Bundestag stimmte auch der Bundesrat dem Kompromiss zu, den die Ampel und die Union im Vermittlungsausschuss ausgehandelt hatten. Vorausgegangen waren heftige Debatten. Nun treten weitere Neuerungen in Kraft. Was ist jetzt neu, was ist eigentlich das Bürgergeld und warum war es so umstritten?
- Was ändert sich im Juli?
- Was ist das Bürgergeld?
- Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?
- Wie hoch ist das Bürgergeld?
- Wann wird das Bürgergeld erhöht?
- Was wollte die Ampel, was ist Gesetz geworden?
- Stellt das Bürgergeld Empfänger besser als Arbeitende?
- Wie sind die Reaktionen auf den Kompromiss
Was ist neu zum 1. Juli?
- Wer zwischen 520 und 1.000 Euro verdient, kann jetzt mehr von seinem Einkommen behalten. Die Freibeträge in diesem Bereich werden auf 30 statt bisher 20 Prozent angehoben. Das bedeutet bis zu 48 Euro mehr im Geldbeutel als bisher.
- Die Freibeträge für Einkommen von Schülerinnen und Schülern sowie Studierenden erhöhen sich bis zur Minijob-Grenze von derzeit 520 Euro. Auch für Auszubildende gelten höhere Freibeträge für die Ausbildungsvergütung.
- Wer eine Weiterbildung mit Abschluss in Angriff nimmt, bekommt für erfolgreiche Zwischen - und Abschlussprüfungen eine Weiterbildungsprämie. Zusätzlich gibt es ein monatliches Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro.
- Mutterschaftsgeld wird zukünftig nicht mehr als Einkommen angerechnet; auch Erbschaften gelten nicht mehr als Einkommen, sondern als Vermögen.
- Wer Bürgergeld bezieht, kann eine umfassende Betreuung (Coaching) als neues Angebot in Anspruch nehmen. Es soll Leistungsberechtigten helfen, die wegen individueller Probleme besondere Schwierigkeiten haben, Arbeit aufzunehmen.
Was ist das Bürgergeld?
Vereinfacht gesagt hat das Bürgergeld ab dem 1. Januar 2023 Hartz IV abgelöst. Es ist laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales eine Leistung der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Es stellt sicher, dass sie ihren Lebensbedarf (Existenzminimum) bestreiten können. Ziel ist, dass sich Betroffene stärker auf Weiterbildung und Arbeitssuche konzentrieren können. Sie sollen dafür vom Jobcenter weniger unter Druck gesetzt werden.
Wer hat Anspruch auf das Bürgergeld?
Wer bisher schon Anspruch auf Arbeitslosengeld II oder Sozialgeld hatte, hat auch Anspruch auf Bürgergeld. Das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld sind abgeschafft. Bürgergeld wird nur auf Antrag gewährt. Der Antrag muss bei der zuständigen Behörde gestellt werden. Das ist in aller Regel die Kommune, also die Stadtverwaltung oder Gemeindeverwaltung.
Wie hoch ist das Bürgergeld?
Der Regelsatz beträgt für Alleinstehende 502 Euro monatlich. Das entspricht einer Erhöhung des bisherigen Hartz-IV-Satzes um 53 Euro. Außerdem gelten folgende Regelsätze:
- 451 Euro für eheliche oder nicht eheliche Partner einer Lebensgemeinschaft
- 420 Euro für Kinder im Alter von 14 bis 17 Jahren
- 348 Euro für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren
- 318 Euro für Kinder bis einschließlich 5 Jahren
Die Anhebung der Regelsätze war zwischen Bundesregierung und Opposition unstrittig, hier wurde im Vermittlungsverfahren nichts geändert.
Wann wird das Bürgergeld erhöht?
Im kommenden Jahr werden die Sätze für das Bürgergeld deutlich erhöht. Damit steigen laut Sozialminister Hubertus Heil (SPD) die staatlichen Ausgaben für das Bürgergeld im kommenden Jahr um 4,2 Milliarden Euro. Die Berechnungsmethode sei so geändert worden, dass die Inflation stärker berücksichtigt wird.
- 563 Euro für Alleinstehende
- 357 Euro für Kinder bis einschließlich 5 Jahren.
- 390 Euro für Kinder im Alter von 6 bis 13 Jahren
- 471 Euro für Kinder von 14 bis 17 Jahren
Was wollte die Ampel, was gilt nun?
Der sogenannte Vermittlungsvorrang fällt weg. Danach musste ein Leistungsbezieher etwa eine Weiterqualifizierung abbrechen, wenn er in einen Arbeitsplatz, auch für eine geringere Qualifikation, vermittelt werden konnte. Nun sollen Aus- und Weiterbildung einen größeren Stellenwert haben. Auch diese Neuerung blieb im Vermittlungsverfahren bestehen.
Nach den Plänen der Ampel sollte in den ersten zwei Jahren des Leistungsbezugs nicht geprüft werden, ob Wohnungsgröße und Miete angemessen sind. Hier kam die Ampel der Opposition entgegen, die Karenzzeit beträgt nur noch ein Jahr.
Gleiches gilt für das Schonvermögen. Der Entwurf von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sah vor, Vermögen von bis zu 60.000 des Leistungsempfängers in einem Haushalt nicht auf den Anspruch anzurechnen - und zwar für zwei Jahre. Dies wurde auf 40.000 Euro verringert. Für jedes weitere Haushaltsmitglied sind es nun 15.000 Euro, geplant hatte Heil 30.000 Euro. Die Karenzzeit beträgt auch hier nur noch ein statt zwei Jahre.
Hartz-IV-Empfänger wurden in der Vergangenheit mit Sanktionen belegt, wenn sie sich beispielsweise nicht an Vereinbarungen mit dem Jobcenter hielten. Das wollte die Ampel zwar nicht abschaffen, aber eine sechsmonatige Vertrauenszeit einführen. In dieser Zeit sollten Leistungen nur in Ausnahmefällen gekürzt werden können.
Hier setzte die Union durch, dass Sanktionen vom ersten Tag an möglich sind, wenn Betroffene etwa eine zumutbare Stelle nicht antreten. Leistungen können dann beim ersten Mal um zehn Prozent gekürzt werden - bei einer weiteren Pflichtverletzung binnen eines Jahres um 20 Prozent und bei einem nochmaligen Verstoß um 30 Prozent. Im Vergleich zum bisherigen Hartz-IV-System fallen die Kürzungen damit aber deutlich niedriger aus.
Hintergrund dafür ist auch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom November 2019. Die Karlsruher Richter hatten damals Leistungskürzungen von 60 oder gar 100 Prozent für verfassungswidrig erklärt.
Stellt das Bürgergeld Arbeitslose wirklich besser als Arbeitende?
Arbeit lohne sich nicht mehr, das war in der Diskussion ein weiterer Kritikpunkt der Opposition am Bürgergeld. Leistungsbezieher würden am Ende des Monats mehr Geld in der Tasche haben als Menschen, die zum Mindestlohn arbeiten. Bei dieser Rechnung bleibt aber oft unberücksichtigt, dass Bezieher von niedrigen Löhnen meist auch Anspruch auf weitere Leistungen haben - wie etwa Wohngeld, Kinderzuschläge, Unterhaltsleistungen oder Freibeträge. Zudem wurde ab Januar 2023 auch das Wohngeld erhöht und die Empfängergruppe um 1,4 Millionen Menschen erweitert.
Reaktionen auf den Kompromiss
In der Politik stieß der ausgehandelte Kompromiss überwiegend auf Zustimmung. Kritik an etlichen Punkten kam jedoch von Sozialverbänden. Für den VdK fiel die Erhöhung der Regelsätze zu niedrig aus, sie sei von den hohen Inflationsraten in den vergangenen Monaten aufgefressen worden, so VdK-Präsidentin Verena Bentele.
Die Menschen würden in Zeiten hoher Inflation weiter Hilfe benötigen. Bentele plädierte für eine schnelle Einführung der Kindergrundsicherung. Vor allem Kinder litten sehr darunter, dass ihnen echte Teilhabe nach den derzeitigen Regelungen verwehrt bleibe.