In Sachen Anerkennung von Abschlüssen gebe es noch Nachholbedarf, sagte Katharina Binz (Grüne) dem SWR. Mit dem Thema befasst sich auch die Integrationsministerkonferenz am Donnerstag in Hamburg. Diskutiert wird aber auch insgesamt über die deutsche Flüchtlingspolitik.
SWR Aktuell: Man weiß nicht so genau, wie viele Ukrainerinnen und Ukrainer zu uns geflüchtet sind. Woran liegt das?
Katharina Binz: Wir haben mittlerweile schon ein relativ gutes Bild. Aber es ist nach wie vor so, dass die Menschen visafrei in Deutschland einreisen und sich auch ohne Einschränkungen in Deutschland bewegen können. Das ist eine Regelung, die noch bis Ende August gültig ist. In der Zwischenzeit melden sich aber diese Menschen bei den Behörden, weil sie auch Leistungen haben wollen, weil sie auch irgendwo unterkommen wollen. Sie werden Schritt für Schritt registriert. Daher gelingt es uns von Woche zu Woche besser, zu sehen, wie viele Menschen sich in Deutschland aufhalten, wie viele Menschen sich in Rheinland-Pfalz aufhalten.
SWR Aktuell: Die Unterbringung, medizinische und psychologische Versorgung, Behördengänge, Schulunterricht für die Kinder, Kita-Plätze - all das muss jetzt langsam in Gang kommen und läuft teilweise schon. Wie läuft es in Rheinland-Pfalz?
Binz: Ich würde sagen, es läuft sehr gut. Wir haben es von Anfang an als sehr wichtig empfunden - und es funktioniert auch sehr, sehr gut - dass wir die Integration der Menschen oder die Aufnahme der Menschen als eine Gemeinschaftsaufgabe begreifen: vom Land, von den Kommunen. Und dass auch alle Ministerien in ihrem Bereich schauen: Wo sind bei ihnen wichtige Aufgaben der Integration zu leisten? Im Bildungsministerium, im Sozialministerium, natürlich auch in meinem Ministerium. Ich glaube, deswegen konnten wir in den letzten Wochen, obwohl die Situation sich sehr, sehr schnell entwickelt hat, auch sehr schnell Schritt halten und die entsprechenden Strukturen aufbauen.
SWR Aktuell: Die Bereitschaft, Flüchtlinge aufzunehmen, ist groß. Es kostet aber Geld. Nun will der Bund dafür zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellen. Wie viel davon bekommt Rheinland-Pfalz und reicht das?
Binz: Wir bekommen natürlich den Anteil über den sogenannten Königsteiner Schlüssel. Das sind ungefähr fünf Prozent, die dann Rheinland-Pfalz immer abbekommt von solchen bundesweiten Töpfen, die zur Verfügung gestellt werden. Wir haben auch schon als Land gesagt, dass wir 50 Millionen Euro in diesem Jahr in die Hand nehmen für die Aufnahme der Ukrainer: Das heißt 30 Millionen für die Erstaufnahme und 20 Millionen, die wir den Kommunen zur Verfügung stellen. Da ist schon eine Menge Geld in die Hand genommen worden. Aber es wird natürlich auch noch mehr Geld bedürfen. Und deswegen ist es auch ganz wichtig, dass sich Bund und Länder darauf verständigt haben, dass die Menschen aus der Ukraine ins SGB II (Anmerkung der Redaktion: Im zweiten Buch des Sozialgesetzbuchs - SGB II - ist die Grundsicherung für Arbeitssuchende geregelt) überführt werden. Das bedeutet, dass sie durch die Jobcenter betreut werden. Das heißt auch, dass sie Leistungen nach dem SGB II bekommen, so dass wir da auch eine Kostenübernahme des Bundes haben und die Kosten eben nicht bei den Kommunen hängenbleiben. Das war uns auch als Land ganz wichtig, ebenso dass die Menschen sehr gut betreut werden.
"Nur wenn die Menschen mit ihren Kompetenzen auf unserem Arbeitsmarkt ankommen können und wahrgenommen werden, dann gelangen sie natürlich auch an die Arbeitsplätze, an die Jobs, für die sie wirklich qualifiziert sind."
SWR Aktuell: Wenn man Ukrainerinnen und Ukrainer, die hier sind, fragt, dann sagen die: Ich will für meinen Lebensunterhalt arbeiten. Wie kann man denn verhindern, dass diese Menschen in ihrer Not als billige Arbeitskräfte missbraucht werden?
Binz: Da müssen wir natürlich vor allem aufklären. Das ist ganz, ganz wichtig, die Menschen immer wieder aufzuklären über die Rechte, die ihnen hier auf dem deutschen Arbeitsmarkt zustehen. Wir brauchen gute Vermittlung. Deswegen ist es gut, dass sie dann demnächst durch die Jobcenter vermittelt werden. Und eine ganz wichtige Aufgabe, die uns noch bevorsteht, ist natürlich die Anerkennung von ukrainischen Abschlüssen, von ukrainischen Berufsbildern. Das ist ein Thema, was in Deutschland doch noch ein bisschen Bearbeitung braucht, denn nur, wenn die Menschen mit ihren Kompetenzen auf unserem Arbeitsmarkt ankommen können und wahrgenommen werden, dann gelangen sie auch in die Arbeitsplätze, an die Jobs, für die sie wirklich qualifiziert sind.
SWR Aktuell: Die meisten Geflüchteten hoffen, dass der Krieg bald beendet sein wird und sie wieder in die Heimat zurückkehren. Muss man trotzdem darüber nachdenken, diese Menschen langfristig oder sogar für immer zu integrieren?
Binz: Ja, das ist genau das Spannungsfeld, in dem sich die Menschen aus der Ukraine befinden. Man muss ihnen auch mit der nötigen Sensibilität entgegentreten und ihnen natürlich Integrationsschritte anbieten. Wir müssen uns auch darauf vorbereiten, dass viele Menschen eventuell auch länger hier bleiben, auch länger, als sie selber möchten. Aber gleichzeitig hoffen wir natürlich mit den Menschen zusammen, dass es bald Frieden gibt in der Ukraine und dass sie bald zurückkehren können.