Ende Februar wird in Rheinland-Pfalz der erste Covid-19-Fall offiziell bestätigt und keine drei Wochen später werden sämtliche Schulen im Land komplett dicht gemacht, zunächst für vier Wochen. Fragt man bei Schüler-, Eltern und Lehrervertretern nach einer Bilanz, wird klar: Die Corona-Pandemie hat die Schwächen im Schulsystem schonungslos aufgedeckt.
"Die Krise wirkt wie ein Brennglas: Jetzt werden die Probleme sichtbar, die sonst gerne versteckt oder schöngeredet wurden", so Gerhard Bold vom Verband Bildung und Erziehung (VBE) Rheinland-Pfalz, auf Anfrage des SWR.
Der VBE findet klare Worte Richtung Politik: "In Bezug auf das Bildungsministerium haben wir durchweg schlechte Erfahrungen gemacht. Sei es die späte Kommunikation von wichtigen Informationen oder der Zick-Zack-Kurs." Eine Kritik, der sich der Elternbeirat anschließt. Der Informationsfluss von Ministerium und der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD) an die Schulen und Eltern sei nur sehr schleppend in Gang gekommen.
Neben dem reinen Krisenmanagement werden zwei weitere Probleme unisono genannt, wenn es um die Erkenntnisse aus dieser Zeit geht: die personelle Ausstattung und die Digitalisierung.
Zu wenig Lehrkräfte
Die Ausnahmesituation zeigt nach Einschätzung der Elternvertretung, dass es an Personal mangelt: in den Schulen genauso wie im Ministerium und in der Schulaufsichtsbehörde ADD. "Diese Personalknappheit zeigt die Grenzen im Bildungsbereich", so der rheinland-pfälzische Landeselternsprecher, Reiner Schladweiler und fordert: "Es muss schnell eingestellt werden, damit die nach den Ferien weiterhin ausfallenden Lehrkräfte der Risikogruppe ersetzt werden können."
Gewerkschaft fordert ein Viertel mehr Lehrer
Auch die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) drängt darauf, die personelle Ausstattung der Schulen schnellstens aufzubessern. "Die GEW sieht einen Mehrbedarf von bis zu 25 Prozent, um mehr individuelle Förderung und entsprechende Lerngruppen zu ermöglichen." Hinzu kämen spätestens im Herbst vermehrt Krankmeldungen wegen Infektionskrankheiten, Corona-Verdachtsfällen und Corona-Erkrankungen. Auch der VBE fordert einen ordentlichen Puffer an Personal, denn bereits vor Corona habe man mit Lehrkräftemangel zu kämpfen gehabt.
Schlechte Noten im Fach Digitalisierung
Doch die dünne Personaldecke ist nicht die einzige Baustelle im Bildungsbereich. Der Lockdown habe schnell aufgedeckt, dass es keine flächendeckende Internetversorgung gebe. Zudem hätten weder alle Schüler noch alle Lehrkräfte die erforderlichen Endgeräte, moniert der Landeselternbeirat.

Die Landesschülervertretung Rheinland-Pfalz (LSV) wird noch deutlicher: "In der digitalen Ausstattung besteht auf jeden Fall Nachholbedarf." Schüler dürften nicht durch fehlende digitale Endgeräte abgehängt werden. Die LSV warnt weiter, "es darf nicht passieren, dass Schüler durch den Mangel an technischen Fähigkeiten der Lehrkräfte im Unterricht aufgehalten werden."
"Wir haben hier insgesamt eine riesige Baustelle, die aufgearbeitet werden muss."
Digitale Schulungen für Lehrer
IT-Schulungen für Lehrkräfte, digitale Endgeräte für Schüler und Lehrer - hier sehen die Gewerkschaften dringenden Handlungsbedarf. Die GEW fordert, dass Webkonferenzsysteme und eine digitale Arbeitsumgebung für Schüler und Lehrer flächendeckend bereitgestellt werden, denn: Auch wenn ein "normaler" Schulbetrieb nach den Ferien wünschenswert sei, sei ein solcher nicht sicher. Es müssten verschiedene Szenarien in den Blick genommen werden, darunter auch die Möglichkeit, dass weiter Fernunterricht organisiert werden müsse.
Der VBE fordert vom Land, sich zu einem einheitlichen Konzept zu bekennen und eine landesweit einheitliche technische Ausstattung zu schaffen. Dazu gehöre eine Versorgung der Lehrkräfte mit dienstlichen E-Mail-Adressen und Arbeitsgeräten wie Notebooks und/oder Tablets. Der Landeselternbeirat resümiert: "Wir haben hier insgesamt eine riesige Baustelle, die aufgearbeitet werden muss."

Kritik gibt es rückblickend auch mit Blick auf die konkreten Maßnahmen zur Einhaltung des Hygieneplans. Der VBE moniert: Es seien für Grundschulkinder zu große Schutzmasken geliefert worden, für Beschäftigte der Schulen seien die Mund-Nasen-Masken zu spät gekommen und es hätten Schutzvorrichtungen wie Plexiglasscheiben gefehlt.