Für den neuen Vorstandschef der BASF, Markus Kamieth, ist es ein Debüt. Zum ersten Mal wird der 55-Jährige an der Spitze der BASF bei der Bilanzpressekonferenz erläutern, wie die Geschäfte des Riesen-Konzerns im vergangenen Jahr gelaufen sind – und vor allem: wie sein Blick in die Zukunft für die BASF ausfällt.
Vor noch nicht einmal einem Jahr hatte Asien-Chef Kamieth im Rahmen der Hauptversammlung den Vorstandsvorsitz von Martin Brudermüller übernommen, der aus Altersgründen aufgehört hatte. Kamieth sagte damals gegenüber den Aktionärinnen und Aktionären, es sei ihm wichtig, alle mitzunehmen. Eins sei aber klar, die BASF müsse sich verändern.

Die BASF steckt mitten drin im Veränderungsprozess, angesichts einer schwachen Weltkonjunktur, hohen Energiekosten und der grünen Transformation. Wie das Unternehmen diesen Herausforderungen begegnen will, dazu präsentierte Kamieth gemeinsam mit dem Vorstand im September 2024 Investoren und der Öffentlichkeit seine neue Strategie.
Strategische Konzentration auf die vier Kernsegmente
Im Mittelpunkt der Pläne mit dem Namen "Winning Ways" steht eine Konzernstruktur, bei der sich das Unternehmen auf seine vier Kernsegmente konzentrieren will. Auf Chemikalien, auf Kunststoffe etwa für die Auto-, Bau- oder Konsumgüterindustrie, auf Zusatzstoffe für industrielle Anwendungen sowie Inhaltsstoffe für Lebensmittel und Kosmetika.
"Diese Kerngeschäfte sollen gestärkt werden, damit sie profitabel wachsen, organisch als auch durch Zukäufe – und der Wert der eigenständigen Geschäfte soll stärker herausgestellt werden", so Kamieth in einer Videopräsentation.
Und eigenständig meint Bereiche, für die die BASF derzeit Partnerschaften, Verkäufe oder auch Börsengänge prüft. Die Pläne nehmen Fahrt auf. So ließen Berichte über Fortschritte beim möglichen Börsengang der lukrativen Agrarsparte unlängst den Kurs der BASF-Aktie steigen.
Vergangene Woche wurde außerdem der Verkauf der Bautenanstrichmittel in Brasilien an ein US-Unternehmen offiziell bekannt, für 1,1 Milliarden Euro. Die Sparte Farben und Lacke zählt der Konzern nicht mehr zum Kern, wie auch die Katalysatoren oder die Batteriechemie. Das bedeutet Unsicherheit für die Beschäftigten dieser Bereiche.

Anlagen in Ludwigshafen auf dem Prüfstand
Wie geht es weiter? Das fragen sich vor allem die rund 39.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter am größten BASF-Standort. Das Werk in Ludwigshafen schreibt Verluste. Seit zwei Jahren läuft ein Sparprogramm, 1.800 Stellen sind unterm Strich davon betroffen, eine Milliarde Euro zusätzlich will der Konzern in einem zweiten Schritt sparen.
Im vergangenen Jahr wurden dafür alle Produktionsanlagen auf den Prüfstand gestellt. Ergebnis: rund 80 Prozent sind wettbewerbsfähig - aber 20 Prozent eben nicht - oder vielmehr risikobehaftet, wie Standortleiterin Katja Scharpwinkel sagt.
Man gehe Anlage für Anlage durch und versuche Maßnahmen zu finden, wie sich eine Wettbewerbsfähigkeit herstellen lasse. Nur wenn das nicht gelinge, könne es auch darum gehen, eine Anlage schließen zu müssen, so Scharpwinkel.
Ein Schicksal, das bereits andere Anlagen auf dem riesigen Werksgelände getroffen hat: so wurde etwa die energieintensive Ammoniakproduktion heruntergefahren, die TDI-Anlage stillgelegt, die Herstellung von Adipinsäure gestoppt. Davon betroffen waren mehrere hundert Mitarbeiter.
Sparprogramm bei BASF läuft
Wie viele Stellen das aktuelle Sparprogramm trifft, das will der Konzern nicht beziffern. Noch sind betriebsbedingte Kündigungen jedenfalls bis Ende des Jahres per Standortvereinbarung ausgeschlossen.
Aktuell laufen die Verhandlungen für einen neuen Vertrag, der nach dem Willen des Betriebsratschefs Sinischa Horvath mindestens bis zum Jahr 2030 laufen sollte. Ob sich das Management in diesen unsicheren Zeiten darauf einlässt, bleibt abzuwarten - die Bedeutung des Stammwerks ist BASF-Chef Kamieth jedenfalls bewusst.
"Der Standort Ludwigshafen ist und bleibt der größte Standort der BASF. Ich kann mir eine erfolgreiche BASF in der Zukunft ohne ein erfolgreiches Ludwigshafen nicht vorstellen."
Die Lage der Chemiebranche
In der deutschen Chemieindustrie bleiben die Aussichten düster. Der Branchenverband VCI rechnet für 2025 mit stagnierenden Aufträgen und Umsätzen, während die Produktion lediglich um 0,5 Prozent zulegen dürfte. "Die Stimmung in den meisten unserer Unternehmen ist nicht gut", sagte VCI-Präsident Markus Steilemann Mitte Dezember 2024 auf der Jahrespressekonferenz des Verbands in Frankfurt.
Die Aussichten für 2025 machten kaum Hoffnung, dass sich konjunkturell kurzfristig etwas ändere. Fast jedes zweite Unternehmen erwartet laut einer aktuellen Mitgliederbefragung des VCI eine Verschlechterung der Ertragslage.
Die Branche kämpft weiterhin mit einem Auftragsmangel. Die Produktionsanlagen waren 2024 laut VCI im Schnitt nur zu 75 Prozent ausgelastet und liegen damit seit vier Jahren in Folge deutlich unter dem notwendigen Grundwert für einen rentablen Betrieb. Unternehmen hätten deshalb erste Anlagen dauerhaft geschlossen, weitere Stilllegungen dürften folgen.
Die Chemiebranche ist Deutschlands drittgrößter Industriezweig nach der Autobranche und dem Maschinenbau. In Deutschland gibt es ca. 2.100 Chemie- und Pharmaunternehmen, die zuletzt rund 470.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter beschäftigen. Bei 92 Prozent der deutschen Chemieunternehmen handelt es sich um kleine und mittelständische Unternehmen mit weniger als 500 Beschäftigten.