Weniger Entschädigung, mehr Fahrräder? Was sich bei der Bahn ändert (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

EU-Verordnung tritt in Kraft

Bahn-Kunden erhalten seltener Entschädigung

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Susanne Weber
Bild von Susanne Weber, Redakteurin bei SWR Aktuell in Rheinland-Pfalz (Foto: SWR)

Neuigkeiten aus Brüssel für Bahn-Kunden - eine neue EU-Verordnung tritt in Kraft. Was sich jetzt ändert, haben wir hier zusammengestellt.

Es geht um höhere Gewalt, um Entschädigung bei unpünktlichen Zügen - und um Fahrräder. Im April 2021 hat das Europäische Parlament Änderungen der Fahrgastrechte in der EU beschlossen. Die Verordnung für den Fern- und Nahverkehr ist am 7. Juni in allen Mitgliedsstaaten in Kraft getreten, sie gilt auch in Island, Liechtenstein und Norwegen.

Die EU-Regelung hatte bei ihrer Verabschiedung einige Kritik bei Verbraucherschützern ausgelöst - "Ihre Rechte sind dauerhaft auf dem Abstellgleis", hieß es beim Bundesverband der Verbraucherzentralen. Und die FAZ titelt: "Die EU stutzt die Rechte der Bahnkunden". Die Bahn wiederum sagt, dass sich für die Fahrgäste nur wenig ändert. Wie die neuen Regeln konkret aussehen, haben wir hier zusammengestellt.

Wie viel Entschädigung gibt es bei Verspätung?

Kommt der Zug mehr als eine Stunde zu spät am Zielbahnhof an, kann man 25 Prozent des Fahrpreises verlangen, bei mehr als zwei Stunden sogar 50 Prozent. Diese Summen bleiben gleich - Aber: bisher hat die Ursache für die Verspätung keine Rolle gespielt. Das ändert sich jetzt.

Was sind die Ausnahmen?

Seit dem 7. Juni 2023 gibt es Ausnahmen, in denen das Eisenbahnunternehmen keine Entschädigung zahlen muss. Dazu gehören Fälle von höherer Gewalt wie "extreme Wetterbedingungen" oder Katastrophen, eigenes Verschulden des Fahrgastes oder das Verhalten Dritter, beispielsweise wenn Personen die Gleisanlage betreten oder Sabotageakte verüben. Auch wenn Kabel oder Schienen gestohlen wurden, ist das juristisch gesehen "höhere Gewalt". Das Eisenbahnunternehmen kann sich jedoch nur auf diese Ausnahmen berufen, wenn das Ereignis trotz aller Sorgfalt unvermeidbar war.

Die Frage, was "extreme Wetterbedingungen" konkret heißt, könnte demnächst Gerichte beschäftigen. Der Verordnungstext spricht allerdings von "außergewöhnlichen Naturkatastrophen" - normale jahreszeitlich bedingte Witterungsverhältnisse, wie Herbststürme oder regelmäßig auftretende Überflutungen aufgrund von Gezeiten oder Schneeschmelze fallen demnach nicht darunter.

Ein Bahn-Sprecher sagte dazu auf SWR-Anfrage, die Fahrgäste würden auch in Zukunft bei Unwettern wie Stürmen oder Hochwasser in vollem Umfang im Rahmen der Fahrgastrechte entschädigt. Lediglich bei wenigen Ausnahmeereignissen wie der Jahrhundertflut 2021 gebe es künftig keinen gesetzlichen Anspruch mehr auf Entschädigung.

Was ist mit Entschädigung bei Streiks?

Die gute Nachricht für Fahrgäste: Streiks des Bahnpersonals fallen nicht unter den Begriff der höheren Gewalt. Das heißt, bei durch Streik bedingten Verspätungen besteht der Anspruch auf Entschädigung weiterhin.

Was gilt für Umbuchen, Verpflegung, Hotelkosten?

Auf Fälle höherer Gewalt können sich Bahnunternehmen aber auch künftig nur bei Entschädigungsforderungen berufen. Weitere Pflichten bleiben davon unberührt: Etwa, dass bei Verspätungen von mehr als einer Stunde oder Zugausfällen die Weiterreise auf anderem Weg organisiert werden muss oder sich der Fahrgast den Fahrpreis erstatten lassen kann. Die Bahnunternehmen müssen außerdem bei Verspätungen für Getränke und Verpflegung und im Extremfall, wenn man gar nicht mehr weiterkommt, für Hotelkosten aufkommen.

Nahverkehr - mit dem Taxi ans Ziel?

Im Nahverkehr haben Reisende zusätzliche Rechte, die durch die Eisenbahn-Verkehrsverordnung (EVO) geregelt sind. Und die sind durchaus verbraucherfreundlicher als die EU-Vorgaben. Kommt ein Regionalzug absehbar mehr als 20 Minuten zu spät, können Reisende auch auf einen höherwertigen Zug, zum Beispiel einen ICE umsteigen, sofern dieser nicht reservierungspflichtig ist. Man muss zwar erst ein Ticket dafür kaufen, kann die Kosten aber später zurückfordern. Zweiter Fall: Kommt man verspätungsbedingt zwischen Mitternacht und 5 Uhr morgens an oder fällt die letzte fahrplanmäßige Verbindung aus, so dass man nicht mehr bis Mitternacht am Zielbahnhof ist, kann man ein Taxi nehmen. Hierbei liegt der Höchstbetrag bei 80 Euro.

Was tun, um an die Entschädigung zu kommen?

Die Bahn empfiehlt, dass sich Reisende die Verspätung von Mitarbeitern des Unternehmens immer bestätigen lassen. Damit kann man anschließend im Internet oder in einem Servicecenter des Bahnunternehmens die Reise reklamieren. Ein standardisiertes Fahrgastrechte-Formular zum Ausfüllen bieten die Unternehmen in der Regel auf ihren Internetseiten an.

Wie viel Zeit habe ich für eine Beschwerde?

Bislang galt: Bahnkunden mussten ihre Ansprüche binnen eines Jahres nach dem Reisetag anmelden - diese Frist ist jetzt deutlich kürzer. Ein Antrag muss innerhalb von drei Monaten gestellt werden. Laut Bahn haben dies aber ohnehin mehr als 90 Prozent der Antragsstellerinnen und Antragssteller schon getan. Man werde außerdem "Kulanz walten lassen", wenn Anträge nach den 90 Tagen eintreffen. Überhaupt, sagt die Bahn, werde sich für die meisten Kunden durch die neue EU-Verordnung gar nichts ändern.

Welche Hilfe gibt es für Menschen mit Behinderung?

Menschen mit eingeschränkter Mobilität brauchen in der Bahn meist Hilfe beim Ein-, Aus- und Umsteigen. Das Recht auf entsprechende Unterstützung gilt in Zukunft EU-weit nicht nur für Fernzüge, sondern auch für Regionalbahnen. Nach der neuen Verordnung müssen Menschen mit Behinderungen ihren Hilfe-Bedarf nicht mehr zwei Tage vor Abfahrt anmelden, sondern maximal noch 24 Stunden vorher.

Recht auf Fahrrad-Mitnahme

Laut EU-Verordnung sollen Reisende in ganz Europa künftig einen Anspruch darauf haben, ihr Fahrrad mitzunehmen. Allerdings können die Eisenbahn-Unternehmen dieses Recht einschränken - aus Sicherheits- oder betrieblichen Gründen, wie es heißt. Und die Regelung gilt zunächst auch nur für neue Züge oder bei Umrüstungen und Modernisierung. Dann muss es pro Zug mindestens vier Fahrrad-Stellplätze geben. Die EU-Mitgliedsländer können davon abweichende Regeln erlassen - also eine höhere Zahl vorschreiben.

Fahrrad im Zug mitnehmen - darauf haben Bahnreisende jetzt Anspruch (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Picture Alliance)
Mit dem Fahrrad in den Zug - häufig nicht so einfach.

Reisende müssen in reservierungspflichtigen Zügen die Möglichkeit haben, auch die Fahrrad-Mitnahme zu buchen. Wird die Mitnahme dann ohne berechtigten Grund verweigert, hat der Fahrgast Anspruch auf Erstattung oder Entschädigung oder kann mit einem anderen Zug weiterfahren.

Was gilt für die Fahrradmitnahme im Nahverkehr?

In Rheinland-Pfalz können bislang Fahrräder von Montag bis Freitag ab 9 Uhr und an Samstagen sowie Sonn- und Feiertagen zeitlich unbeschränkt in den Zügen der DB Regio kostenfrei mitgenommen werden. Vor 9 Uhr muss eine Fahrkarte gelöst werden. Die Verkehrsverbünde im Land haben überwiegend ähnliche Regeln für die Fahrradmitnahme - und sehen auch kaum Möglichkeiten, das zu ändern.

So heißt es etwa beim Verkehrsverbund Rhein-Mosel auf SWR-Anfrage, man halte die grundsätzliche Mitnahme von Fahrrädern vor 9 Uhr - also zu Stoßzeiten im Pendler- und Berufsverkehr - für völlig unrealistisch und "nahezu utopisch". Oft reichten die Kapazitäten heute schon kaum aus.

Wie geht die Deutsche Bahn mit der Neuregelung um?

Die neue EU-Verordnung verlangt mindestens vier Fahrrad-Stellplätze pro Zug. Das ist bei der Deutschen Bahn nach deren Angaben bereits heute der Fall - sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr. Es könnten bereits bis zu acht Räder je Zug transportiert werden, so ein Sprecher. Auch bei der Beschaffung von neuen Fahrzeugen im Fernverkehr plane die Bahn bereits mit acht Stellplätzen.

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