Ein Handwerker Team mit Mundschutz wegen Covid-19 arbeitet in einer TischlereiWerkstatt. (Foto: picture-alliance / Reportdienste, Zoonar | Robert Kneschke)

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DGB befürchtet Jugendarbeitslosigkeit

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AUTOR/IN
Anna-Lara Weidinger
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Die Corona-Krise schwächt seit einem Jahr die Wirtschaft. Aber inwiefern trifft sie auch den Ausbildungsmarkt? Und was bedeutet die Pandemie für Auszubildende in Rheinland-Pfalz?

In Rheinland-Pfalz sind 2020, im ersten Jahr der Corona-Pandemie, deutlich weniger Ausbildungsverträge abgeschlossen worden als noch im Vorjahr: Nach Angaben des Statistischen Bundesamts sank ihre Zahl um ganze acht Prozent. Bei vielen Unternehmen gebe es Zurückhaltung wegen ihrer Geschäftsentwicklung und der finanziellen Situation, sagte Walter Hüther von der rheinland-pfälzischen Regionaldirektion der Bundesagentur für Arbeit Anfang April.

Bundesweit könnte jeder zehnte ausbildungsfähige Betrieb zum neuen Ausbildungsjahr 2021 weniger Lehrstellen besetzen als noch im Vorjahr. Das fand das Nürnberger Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) in einer Studie heraus. Die unsichere Lage in der Krise gaben 93 Prozent der befragten Betriebe dabei als Hauptgrund an.

Die Betroffenen befänden sich in einem Dilemma: Einerseits falle es ihnen angesichts ihrer finanziellen Lage und der wirtschaftlichen Unsicherheit schwer, ihr bisheriges Engagement aufrechtzuerhalten. Andererseits könnten ihnen mittel- bis langfristig genau deswegen Fachkräfte fehlen - die sie eigentlich benötigen, um nach der Krise ihre Tätigkeiten wieder voll aufzunehmen.

Kettenreaktion durch zu wenig verfügbare Fachkräfte

Dass die aktuelle Situation sich langfristig auf den Ausbildungsmarkt auswirken wird, davon geht auch Dieter Muscheid, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) in Rheinland-Pfalz, aus. Denn klar sei, dass gerade weniger junge Menschen ausgebildet würden, die dann wiederum ihr Wissen an die nachkommenden Lehrlinge und Gesellen weitergeben könnten. Eine Kettenreaktion, durch die "auf jeden Fall" an einigen Stellen in den kommenden Jahren Fachkräfte fehlen werden.

"Es gibt immer weniger Betriebe - und das ist ein Trend, den wir nicht erst seit Corona wahrnehmen - die bereit sind, auszubilden. 2019 waren es gerade noch etwas mehr als 21 Prozent. Das betrifft während der Pandemie einzelne Branchen nochmal stärker als andere", sagt Muscheid. Dass das Angebot an Ausbildungsstellen stark zurückgehe, werde in den kommenden Jahren "definitiv" zu einer erhöhten Jugendarbeitslosigkeit führen.

Was lässt Schulabgänger zögern?

Parallel beobachtet der DGB auch eine gewachsene Zurückhaltung bei den potentiellen Bewerberinnen und Bewerbern, gerade im vergangenen Jahr: "Das größte Thema für junge Menschen ist im Moment Unsicherheit. Das betrifft sowohl die, die gerade noch die Schule besuchen, als auch diejenigen, die in Ausbildung, die sich fragen, wie es danach weitergehen kann."

Durch die Umstellung auf den digitalen Unterricht sei es auch schwieriger geworden, an den Schulen den Absolventen Orientierung zu geben und konkretere Vorstellungen von bestimmten Berufsbildern zu vermitteln. Auch die Durchführung von Praktika gestalte sich seit der Corona-Pandemie schwerer.

Viele freie Ausbildungsstellen im Handwerk

Vorsichtig optimistisch hingegen gibt sich Ralf Hellrich, Hauptgeschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) Koblenz, für das Jahr 2021. An Ausbildungsstellen mangele es nicht - die Betriebe suchten teils händeringend nach Auszubildenden, sagt er im Gespräch mit dem SWR. "Noch ein Corona-Jahr als Hängepartie können wir uns schlicht nicht leisten."

Das schlechte Marketing für handwerkliche Berufe sieht Hellrich als einen Grund für den Fachkräftemangel. Deshalb ist die HWK Koblenz kurz vor Ostern mit dem Projekt "Eine Woche - Deine Chance" in die Offensive gegangen, um zwischen Schülern und Betrieben zu vermitteln. Auf der Webseite können sich Interessierte auch für die Pfingstferien um einen Platz bewerben. Die Praktika finden mit Coronatest und allen Schutzvorkehrungen statt, die die HWK selbst übernimmt. Aktuell sind bei ihr rund 20.300 Betriebe eingetragen, das entspricht 38 Prozent aller Handwerksbetriebe in Rheinland-Pfalz.

Gerade die gegenwärtige Krise könne jungen Menschen zeigen, dass eine solide Berufsausbildung potentiell unabhängig mache, sagt Hellrich. Nach dem deutlichen Rückgang der Konjunkturergebnisse im Frühjahr 2020 präsentiere sich die Wirtschaftslage im Handwerk außerdem stabil und sogar besser als erwartet, wie die Frühjahrsumfrage der HWK Koblenz ergeben habe.

Wie es den Auszubildenden derzeit und mit Prüfungen vor der Brust ergeht, lesen Sie auf der nächsten Seite.

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