Angehende Mechatroniker in einem Bildungszentrum. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Keine Angst vor Digitalisierung

Mit Weiterbildung fit für den Arbeitsmarkt der Zukunft

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Die Anforderungen an das Wissen und Können von Beschäftigten verändern sich durch digitale Anwendungen, neue Technologien und Prozesse. Die Arbeitswelt steckt in einem tiefgreifenden Wandel. Lebenslanges Lernen wird dabei immer wichtiger.

Auch beim Baumaschinenhersteller BOMAG in Boppard (Rhein-Hunsrück-Kreis) laufen inzwischen viele Prozesse digital. Hier wird mit Scannern und Tablets hantiert, eingehende Waren mit Labels versehen und ins Computersystem eingebucht. "Es ist alles auf Effizienz getrimmt", sagt Steven Krethen.

Berufsbegleitende Weiterbildung

Krethen ist einer von 13 Beschäftigten, die bei BOMAG aktuell weitergebildet werden. Krethen hofft, dass er nach der fast einjährigen Qualifizierungsmaßnahme fest übernommen wird. Die Weiterbildung besteht aus mehreren Modulen, einem Theorie- und Praxisteil, sodass die Teilnehmenden ihre Kenntnisse schrittweise erweitern können. Am Ende gibt es eine Prüfung. Aus einem Lager-Helfer wird so eine Fachkraft Lagerlogistik, ein IHK-geprüfter Beruf mit besseren Chancen.

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"Flexible Weiterbildungen, wie zum Beispiel Teilqualifizierungen, können ein Schlüssel sein, um Beschäftigte und Betriebe zukunftssicher aufzustellen", so Arbeits- und Transformationsminister Alexander Schweitzer (SPD) bei einem Ortsbesuch in Boppard.

Transformationsbegleiter sollen beim Wandel helfen

Unterstützt bei den Schulungsmaßnahmen wird BOMAG von so genannten Transformationsbegleitern. In vier Regionen in Rheinland-Pfalz beraten sie Beschäftigte und Unternehmen kostenlos bei der Suche nach passenden Weiterbildungen und Fördermöglichkeiten. Das Pilotprojekt des Landes startete im Oktober.

Einer der Begleiter ist Jochen Tautges vom Bildungswerk der rheinland-rheinhessischen Wirtschaft in Koblenz. Die Anfragen nähmen täglich zu, berichtet er. Derzeit meldeten sich vor allem ungelernte Kräfte, Helfer oder Produktionsmitarbeiter, aus den Bereichen Lager und Logistik: "Die Menschen haben schlichtweg Angst, von der Maschine ersetzt zu werden."

Der Schlüssel: Lebenslanges Lernen

Auch für ihn liegt der Schlüssel, um den Wandel in der Arbeitswelt zu gestalten, in der Fort- und Weiterbildung: "Lebenslanges Lernen ist in unserer Gesellschaft angekommen." In seinen Beratungsgesprächen erlebt er die Beschäftigen dafür grundsätzlich offen. Viele hätten sich daran gewöhnt, sich anpassen zu müssen, so seine Beobachtung.

"Lebenslanges Lernen ist in unserer Gesellschaft angekommen."

Bei der Beratung sei es besonders wichtig, individuell auf die Beschäftigten einzugehen, auf ihr Können und ihre privaten Interessen. Eine passgenaue Schulung müsse für jeden Einzelnen gefunden werden. Dabei stellten die Begleiter aber auch immer wieder fest: "Es gibt solche Schulungen noch nicht auf dem Markt", dann würden sie selbst für entsprechende Angebote sorgen. So war es auch bei BOMAG.

Die Transformationsbegleiter arbeiten eng mit den Agenturen für Arbeit und den Jobcentern vor Ort zusammen. Auch die Bundesagentur für Arbeit setzt im Zuge der Digitalisierung zunehmend auf Beratungsangebote rund um Weiterbildungen und Neuorientierung auf dem Arbeitsmarkt, heißt es auf Anfrage.

Fachkräfte dringend gesucht

Dass die Digitalisierung und der Wandel in der Arbeitswelt dazu führt, dass viele Menschen von den Unternehmen auf die Straße gesetzt werden, glaubt Tautges indes nicht: "Wir versuchen in jedem Gespräch den Beschäftigten die Ängste zu nehmen, dass ihr Arbeitsplatz nicht sicher ist", sagt er. "Er wird sich nur verändern." Darum sei die Erweiterung der persönlichen Kenntnisse so wichtig. "Nur durch gezielte und individuelle Fort- und Weiterbildung wird es uns gelingen, den Arbeitskräftemangel zu reduzieren und gleichzeitig Menschen eine sichere Perspektive auf dem Arbeitsmarkt zu geben." Dabei gehe es auch darum, arbeitssuchende Menschen wieder zurück in den Arbeitsmarkt zu integrieren.

Angesichts des fortschreitenden Fachkräftemangels könne man sich gar nicht erlauben, Mitarbeitende zu verlieren, betont auch Moritz Mengen, Sprecher der Landesvereinigung Unternehmerverbände Rheinland-Pfalz (LVU). Sicher, Arbeitsplätze würden wegfallen, neue aber auch geschaffen: "Wer mitmachen will, hat eigentlich jede Chance. Wir brauchen jeden in dem Prozess."

Die Beschäftigten müssten sich aber darauf einstellen, dynamisch zu bleiben. Gleichzeitig seien die Unternehmen gefragt, sie auf diesem Weg mitzunehmen. Auch die BASF in Ludwigshafen betont auf Anfrage, wie wichtig es sei, Digitalisierung für die Beschäftigten erlebbar, Prozesse transparent und verständlich zu machen, darüber zu sprechen und Qualifizierungsmaßnahmen bereitzustellen.

DGB: Beschäftigte beteiligen

Der Deutsche Gewerkschaftsbund geht hier noch einen Schritt weiter. Es gehe neben guten Schulungsangeboten vor allem darum, die Beschäftigten am Wandel direkt zu beteiligen und als Gestalter wahrzunehmen: "Wer an Veränderungen nicht beteiligt wird, empfindet Ohnmacht", so Susanne Wingertszahn, Vorsitzende des DGB Rheinland-Pfalz/Saarland. Es dürfe nicht nur um Effizienzsteigerung und Profitmaximierung gehen, Beschäftigte müssten den Prozess mitbestimmen dürfen. Nur so könne die Digitalisierung die Arbeitsbedingungen auch wirklich verbessern.

Arbeitswelt in rasantem Wandel

Alle Branchen in Rheinland-Pfalz stecken inzwischen in einem tiefgreifenden Wandel, sagen Fachleute. Die Unternehmen im Land hätten erkannt, welches Potenzial die Digitalisierung bietet, heißt es von der IHK. Betriebe setzten etwa auf Automation oder Künstliche Intelligenz. Eine bundesweite Umfrage des DGB aus dem vergangenen Jahr zeigt, dass rund 83 Prozent der Befragten digitale Anwendungen in ihrem Job nutzen, am häufigsten als Kommunikationsmittel.

Wandel unerlässlich, aber stressig

Aus Sicht der Unternehmen in Rheinland-Pfalz ist dieser Wandel unerlässlich, um auf den internationalen Märkten den Anschluss nicht zu verlieren. "Man muss besser, effizienter, das Produkt muss klüger und einfacher herzustellen sein", sagt LVU-Sprecher Moritz Mergen.

Der Dachdecker, der das Loch im Dach mit einer Drohne überprüft und nicht mehr selbst rauf klettern muss. Roboter, die das passende Werkzeug in einer Produktionshalle verteilen - all das erleichtere die Arbeit, beschleunige sie und verbessere die Sicherheit, betont Mergen. Auch die BASF in Ludwigshafen bestätigt dieses Potential der Digitalisierung. Also: ein Gewinn für die Beschäftigten?

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Belastung durch Digitalisierung

Nicht uneingeschränkt, heißt es vom DGB. Viele Beschäftigte fühlten sich durch die Digitalisierung eher stärker belastet. Das gaben 40 Prozent bei einer DGB-Umfrage an. "Ein wachsendes Arbeitspensum, mehr Multitasking und technische Störungen sowie Bedienungsprobleme sind häufig genannte Belastungsfaktoren", so DGB-Vorsitzende Wingertszahn.

Auch die Kontrolle der eigenen Arbeitsleistung sei durch den Einsatz der digitalen Technologien für viele Beschäftigte größer geworden, etwa durch Künstliche Intelligenz. Digitalisierung biete durchaus die Chance, Arbeitsbedingungen zu verbessern und Belastungen zu reduzieren. Es gehe damit aber auch eine große Verantwortung einher, den Wandel zu gestalten und die Interessen der Beschäftigten zu unterstützen.

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