Benedikt XVI. hat eingeräumt, bei seiner Stellungnahme für das Missbrauchsgutachten des Erzbistums München und Freising eine falsche Aussage gemacht zu haben. Sein Privatsekretär Georg Gänswein verschickte am Montag eine Presseerklärung, wonach Benedikt XVI., anders als zunächst behauptet, doch im Jahr 1980 als Erzbischof von München und Freising an einer Sitzung teilgenommen hat, bei der über einen Priester gesprochen wurde, der mehrfach wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern auffällig geworden war. Allerdings sei darin nicht über den künftigen Einsatz des Priesters entschieden worden. Dieser wurde später in Bayern wieder als Seelsorger eingesetzt.
Hohe Dunkelziffer bei Missbrauchsopfern und bei Tätern
Das Gutachten, das vergangenen Donnerstag erschienen ist, bescheinigt mehreren Münchner Erzbischöfen und weiteren Angehörigen der Bistumsleitung Führungsversagen im Umgang mit Missbrauchstätern sowie fehlende Sorge für die Geschädigten. Die Gutachter sprechen von mindestens 497 Opfern und 235 mutmaßlichen Tätern, gehen aber von einem deutlich größeren Dunkelfeld aus. Joseph Ratzinger, der spätere Papst Benedikt XVI., stand dem Erzbistum München-Freising von 1977 bis 1982 vor.
Bischof Ackermann: Fehlverhalten "kaum zu ertragen"
Am Montag reagierte der Trierer Bischof Ackermann auf den Missbrauchsskandal. "Es erschüttert mich einmal mehr, schwarz auf weiß zu sehen, welches Leid Menschen in unserer Kirche erfahren haben und erfahren." Dass auch einem ehemaligen Papst schwere Verfehlungen vorgeworfen werden, sei für viele Gläubige kaum mehr zu fassen und zu ertragen.
Münchener Missbrauchsgutachten Trierer Bischof Ackermann fordert Reaktion von Ex-Papst Benedikt
Der Trierer Bischof Ackermann fordert nach dem Münchener Missbrauchsgutachten eine Reaktion vom früheren Papst Benedikt.
Statt sich auf symbolische Gesten zu beschränken, fordert Ackermann einen ehrlichen und konsequenten Aufarbeitungsprozess und zukunftsgerichtete Maßnahmen. Daran zu arbeiten, sehe er als seine Verpflichtung.
"Darüber hinaus meine ich aber auch, dass nun endgültig die Zeit der symbolischen Gesten vorbei ist."
Bischof Kohlgraf: "Viele frühere Bischöfe haben Vorbildfunktion verloren"
Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf berichtet in seiner Stellungnahme am Montag von seiner persönlichen Betroffenheit: "Namen von versagenden Verantwortlichen, die jetzt genannt werden, waren für mich viele Jahre, bei aller Distanz, immer auch Persönlichkeiten, die mein Kirchenbild geprägt haben." Sie könnten jetzt nicht mehr seine Vorbilder sein.

Es erschüttere seinen Glauben, wenn er wegen des augenscheinlichen Versagens kirchlicher Amtsträger kritisiert werde. "Aus dem Stolz, für Jesus Christus unterwegs zu sein, ist bei mir immer wieder auch Scham geworden und der Wunsch, die Erde möge sich unter mir auftun."
Es habe Situationen in den vergangenen Jahren gegeben, in denen er Scheu gehabt habe, sich öffentlich zu zeigen - nicht nur im Hinblick auf den Missbrauch. "Für diese oft versagende Kirche muss ich als Bischof stehen, und das werde ich wohl noch viele Jahre tun."
Bischof Bätzing kritisiert "desaströses Verhalten"
Schon am Freitag hatte der Limburger Bischof Georg Bätzing eingeräumt: Auch unter treuen Anhängern habe die Katholische Kirche massiv an Vertrauen eingebüßt. Bätzing, der auch Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz ist, sprach von einem "desaströsen Verhalten" und erwähnte in diesem Zusammenhang ausdrücklich den emeritierten Papst Benedikt XVI. "Vertuscht, verdeckt wurde lange genug", so der Limburger Bischof mit Blick auf das Münchner Gutachten zum Missbrauch im dortigen Erzbistum.
Bätzing: "Ich schäme mich auch"
Längst habe die Krise auch ihn erreicht, sagte Bätzing weiter. Angesichts dessen, was die Münchner Studie zutage gefördert habe, müsse er eingestehen: "Manchmal schäme ich mich auch, dass wir eine solche Vergangenheit gehabt haben." Der Bischof erklärte: "Jetzt ist die Zeit der Wahrheit." Denn nur sie werde möglicherweise auch neues Vertrauen für die Kirche schaffen.
Vielfach Kritik an neuer Stellungnahme von Benedikt XVI.
Die katholische Reformbewegung "Wir sind Kirche" bezeichnete die jüngste Stellungnahme des zurückgetretenen Papstes Benedikt XVI. als peinlich. Es fehle außerdem noch immer ein persönliches Schuldeingeständnis, kritisierte ein Sprecher.
Aktivistinnen der katholischen Reformbewegung "Maria 2.0" forderten den früheren Papst auf, seinen päpstlichen Namen abzulegen. Er habe den sexuellen Missbrauch Minderjähriger "auf geradezu dreiste Weise verharmlost".
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) wirft dem emeritierten Papst eine "Salamitaktik" bei der Korrektur seiner Aussagen zum Münchner Missbrauchsgutachten vor.