Die CDU in Rheinland-Pfalz spricht von einer bedenklichen Entwicklung. Denn schon im siebten Jahr in Folge gehen mehr junge Menschen aus Rheinland-Pfalz für ihr Studium in andere Bundesländer als Studierende hierher kommen. Das Statistische Landesamt meldet für das aktuelle Wintersemester ein Minus von mehr als 14.300 Studentinnen und Studenten für Rheinland-Pfalz beim so genannten Wanderungssaldo.
Das ist der schlechteste Wert in einem Wintersemester seit mehr als zehn Jahren. Insgesamt entschieden sich gut 70.000 rheinland-pfälzische Studienberechtigte für ein Studium in einem anderen Bundesland. Knapp vier Prozent mehr als im Vorjahr.
Vorteil der Gebührenfreiheit ging RLP verloren
Das große Plus für die Studien-Standorte hier war lange die Gebührenfreiheit. Während Studierende in anderen Bundesländern zahlen mussten, verzichtete Rheinland-Pfalz auf Studiengebühren. Die Folge: Vor allem aus Nachbarbundesländern strömten junge Menschen an die rheinland-pfälzischen Universitäten und Hochschulen. Bis 2014, da entfielen die Gebühren bundesweit. Seitdem gibt es eine Trendumkehr: Weniger Studierende kommen nach Rheinland-Pfalz, dafür verlassen mehr das Land und studieren in anderen Bundesländern.
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Attraktive Universitäten in benachbarten Bundesländern
Für die rheinland-pfälzische Hochschullandschaft gibt es große Konkurrenz nicht weit hinter den Landesgrenzen. So gibt es in Nordrhein-Westfalen und Baden-Württemberg Hochschulen mit hoher Attraktivität, etwa die Exzellenz-Universitäten in Aachen, Bonn, Karlsruhe und Heidelberg. Auch die Universität Köln trug bis 2019 den Titel "Elite-Uni".
"In Rheinland-Pfalz haben wir leider noch keine solche Universität", beklagt die CDU-Landtagsabgeordnete Marion Schneid. Aus Sicht der Bildungs- und Wissenschaftsexpertin wäre das Potenzial mit der Technischen Universität Kaiserslautern aber durchaus vorhanden. Was in den vergangenen Jahren an Exzellenz erreicht worden sei, müsse deshalb entschlossen weiter gefördert werden.
CDU: Unsere Hochschulen sind chronisch unterfinanziert
Die rheinland-pfälzische CDU-Landtagsfraktion sieht weitere Gründe, warum die Hochschulen im Land Probleme im Wettbewerb mit anderen Standorten haben. "Unsere Hochschulen sind chronisch unterfinanziert", bemängelt Marion Schneid. Die Grundfinanzierung der Hochschulen sei unterdurchschnittlich. "Seit Jahren belegt Rheinland-Pfalz die letzten Plätze im bundesweiten Vergleich bezüglich der Ausgaben an Grundmitteln pro Studentin/Student, für 2020 laut Bildungsfinanzbericht sogar den vorletzten Platz", berichtet die CDU-Politikerin.
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"Sanierungsstau an Unis in RLP"
Hinzu kommt laut Schneid "ein massiver Sanierungsstau". Der führe dazu, dass die Studien- und Forschungsbedingungen suboptimal seien. Als Beispiel nennt sie den Zustand des Instituts für Pharmazie an der Johannes Gutenberg-Universität in Mainz, den die CDU auch im Landtag thematisiert habe: "Hier sind die Gebäude und Laboreinrichtungen derart marode, dass nicht einmal mehr die Sicherheit für Studierende und die Angestellten gegeben ist."
So etwas spreche sich natürlich rum und wirke nicht nur abschreckend auf künftige Studienberechtigte, sondern auch auf wissenschaftliches Personal, so Schneid: "Warum sollte ich mich für Rheinland-Pfalz entscheiden, wenn ich viel bessere Bedingungen in anderen Bundesländern vorfinde?"
Abwanderung von Studierenden bedeutet Verlust an Fachkräften
Nach Ansicht der Landes-CDU verheißt die Tendenz der Abwanderung nichts Gutes für die Hochschullandschaft, sie wirke sich zudem auf den Arbeitsmarkt aus. Denn letztlich verliere Rheinland-Pfalz Fachkräfte von morgen an andere Bundesländer, sagt Marion Schneid: "Wir können uns ja nicht darauf verlassen, dass die jungen Menschen nach dem Studium einfach wieder zurückkommen - wir müssen unsere Fachkräfte schon selbst ausbilden." Die Vernachlässigung der Hochschullandschaft bekommen wir langsam zu spüren, meint die CDU-Abgeordnete.
Wissenschaftsministerium: Hochschulen des Landes sehr attraktiv
Nach Ansicht des rheinland-pfälzischen Wissenschaftsministeriums lässt das Wanderungssaldo allein keinen Schluss auf die Bewertung des Studienangebots und der Wettbewerbsfähigkeit der rheinland-pfälzischen Hochschulen zu. Es gebe eine große Nachfrage, die sich in den Studierenden- und Studienanfängerzahlen niederschlage. Diese zeige, dass die Hochschulen des Landes für Studieninteressierte aus dem Land, aus anderen Ländern sowie aus dem Ausland sehr attraktiv seien, heißt es vom Ministerium auf Anfrage des SWR.
Es verweist zudem auf die geografische Lage von Rheinland-Pfalz, die das Wanderungssaldo mitbestimme: "Rheinland-Pfalz liegt nah an den Ballungsräumen Köln/Bonn, dem Rhein-Main-Gebiet und der Rhein-Neckar-Region, die als starke wirtschaftliche Zentren Studierende wie Arbeitskräfte anlocken. Der Wunsch nach Heimatnähe lässt sich somit in Rheinland-Pfalz oftmals auch mit einem Studienplatz in einem benachbarten Land kombinieren." Das Ministerium nehme die Entwicklung des Studierendenwanderungssaldos zum Anlass, Maßnahmen zu ergreifen, um die rheinland-pfälzische Hochschullandschaft noch attraktiver zu gestalten.
Auch Zahl der Studienanfänger rückläufig
Auch wenn das Wissenschaftsministerium von einer großen Nachfrage spricht, ist die Zahl der Studienanfänger ebenfalls rückläufig. In diesem Wintersemester verzeichneten die rheinland-pfälzischen Hochschulen die niedrigste Zahl an Studienanfängern seit 14 Jahren. Die größten Rückgänge gab es an den großen Landesuniversitäten Koblenz-Landau, Mainz und an der Technischen Universität Kaiserslautern. Als Gründe nennt das Landesamt, neben der Abwanderung in andere Bundesländer, demographische Veränderungen und Effekte durch die Corona-Krise.
Unis in NRW und Baden-Württemberg beliebte Ziele
Junge Leute aus Rheinland-Pfalz zieht es besonders häufig zum Studium nach Nordrhein-Westfalen und Baden-Wüttemberg. Aber auch nach Thüringen und Berlin gehen deutlich mehr Studierende aus dem Land als aus diesen Bundesländern Studentinnen und Studenten hierher kommen. Den größten Zulauf gibt es aus dem Saarland.