Vor dem Start der Elektronischen Patientenakte ePA: Wie Rheinland-Pfalz Patienten unterstützen will

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Von Autor/in Bernhard Seiler

In Rheinland-Pfalz startet heute das Projekt „ePA-Coaches“. Diese „Digital-Botschafter“ sollen Menschen bei der Elektronischen Patientenakte helfen. Die App ist ab nächster Woche verfügbar.
Dörte Schall von der SPD ist Arbeits- und Sozialministerin in Rheinland-Pfalz und auch für Digitalisierung zuständig. Sie hat im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Bernhard Seiler erklärt, welche Aufgaben die Digital-Botschafter haben.

Dörte Schall
Dörte Schall

SWR Aktuell: Die ePA-Coaches sind ja ihre Digital-Botschafterinnen und -Botschafter in Rheinland-Pfalz - mit einer Art Zusatzausbildung. Was genau haben die denn da jetzt noch zusätzlich gelernt?

Dörte Schall: Wir haben in Rheinland-Pfalz aktuell über 700 ehrenamtliche Digital- Botschafterinnen und -Botschafter. Und da haben sich jetzt einige zusätzlich qualifizieren lassen, um die Menschen über die elektronische Patientenakte zu informieren, also zu erklären, wie man sie nutzt, wie man sie herunterlädt, und vor allem wie man sie auch selbstbestimmt so nutzt, wie man das möchte.

SWR Aktuell: Sie bereiten diese Weiterbildung der Digital-Botschafter schon seit Ende vergangenen Jahres vor. Wie ist denn die Resonanz bisher? Es ist ja eh schon ein arbeitsintensives Ehrenamt…

Schall: Die Resonanz ist sehr gut. Wir merken das immer bei den Digital-Botschaftern, dass sie selbst neugierig sind auf neue Dinge, die eingeführt werden. Und da sie das für sich selbst anwenden wollen, wollen sie es auch anderen erklären. Es war eine relativ aufwendige Schulung mit vier Bausteinen. Aber die ist sehr gut angenommen worden und wird jetzt auch gut übers Land verteilt ausgerollt.

SWR Aktuell: Können Sie etwas dazu sagen, was das für Bausteine sind?

Schall: Es gibt vier Bausteine. Einmal das Thema im Allgemeinen: Was kann die Patientenakte? Welche Aufgaben hat sie? Und ein wichtiger Teil ist die Einrichtung.  Wie erkläre ich Menschen, die auf dem Handy einzurichten, aber auch Fragen zu beantworten bei Menschen, die skeptisch sind: Wer kann meine Daten sehen, wofür ist die Patientenakte da? Also neben der Anwendung auch wirklich die Beratung, was gut ist an der Patientenakte, wie sie mir im medizinischen Betrieb helfen kann und vor allem eben älteren oder chronisch kranken Menschen helfen kann.

SWR Aktuell: Wer kann sich denn jetzt alles in Sachen Patientenakte melden und sagen, ich brauche Hilfe, ich komme nicht alleine zurecht und möchte gecoacht werden?

Schall: Im Prinzip darf sich jeder melden. Die Digital-Coaches sind ja vornehmlich für ältere Menschen da. Aber ich weiß von den Coaches, dass niemand weggeschickt wird. Die werben ja sehr viel für ihre Angebote, in ganz unterschiedlicher Weise. Man kann auf der Seite der Digital-Coaches nach Postleitzahl sehen, wo in der Nähe seines Wohnortes ein Coach oder eine Coachin ist, und die dann erreichen und fragen, ob sie Veranstaltungen anbieten, entweder individuell oder in Gruppen. Das dürfen die Coaches ja selbst entscheiden, wie ihnen das lieber ist.

SWR Aktuell: Sie haben es ja schon angesprochen. Ein wichtiges Thema ist die Freigabe von sensiblen Daten - oder eben auch nicht. Darum geht es ja bei der elektronischen Patientenakte ganz besonders. Inwiefern können einen die Coaches da schlauer machen?

Schall: Man kann in der elektronischen Patientenakte einstellen, ob beispielsweise alle Ärzte auf alle Daten zugreifen können oder ob man möchte, dass nur bestimmte Ärzte das können. Wenn ich beispielsweise nicht möchte, dass der Zahnarzt sieht, welchen Termin ich beim Urologen habe, dann kann ich das festlegen. Es ist aber durchaus sinnvoll, dass man das freigibt, gerade bei Menschen, die chronisch erkrankt sind, oder bei älteren Menschen - dass man zum Beispiel auch feststellt, welche unterschiedliche Medikamente werden gegeben? Wo kann es Kreuzwirkungen geben mit anderen Erkrankungen? Wo gab es vielleicht schon mal eine Unverträglichkeit bei einem Medikament? Oder wenn eine Therapie nicht angeschlagen hat, braucht man die ja auch nicht zehn Jahre später noch einmal zu versuchen. Das kann sehr viele Vorteile bringen, wenn Patienten nicht überflüssige Untersuchungen haben oder eben sogar im schlimmsten Fall Medikamente bekommen, die eine Wechselwirkung haben.

SWR Aktuell: Das heißt, es geht bei diesen Coaches auch darum, mögliche Vorbehalte oder Befürchtungen im Zusammenhang mit dieser Datenfreigabe auszuräumen oder zu klären…

Schall: Nun, das ist ja ein neues System. Im Moment ist es ja so, dass der behandelnde Arzt alles oder vieles über einen weiß. Jeder neue Arzt muss alles neu erfragen, neue Anamnesen machen. Und da kann man sehr viel Arbeit vereinfachen, vor allem eben auch Dinge beim Therapien vereinfachen oder Therapien, die überflüssig sind oder beim Menschen nicht helfen, nicht ein weiteres Mal machen. Das ist ja auch gerade für Menschen mit einer komplizierten Krankheitsgeschichte sehr erleichternd, dass sie nicht immer wieder neu anfangen müssen mit ihren ganzen Vorerkrankungen.  

SWR Aktuell: Gibt es denn auch bestimmte Dinge, die ihre Digital-Botschafter in Sachen elektronische Patientenakte nicht leisten können oder nicht leisten dürfen?

Schall: Die Digital-Botschafter informieren darüber, was die elektronische Patientenakte kann und was sie nicht kann. Sie sollen nicht die Entscheidung treffen, welche medizinischen Daten relevant sind. Das ist den Menschen selbst vorbehalten. Es geht darum, Brücken zu bauen. Es geht darum, Vorbehalte abzubauen - und vor allem Menschen, die keine Digitalkompetenz haben, die Digitalkompetenz zu geben und zu erlernen, welchen Nutzen ich durch die Akte haben kann.

SWR Aktuell: In fünf Tagen startet die Elektronische Patientenakte für alle und überall. Müssen ihre Digital-Botschafterinnen und -Botschafter jetzt in den kommenden Wochen Sonderschichten einlegen?

Schall: Wir werden sehen, wie die Nachfrage ist. Viele Menschen haben ja bereits eine App der Krankenkasse und oft auch mit der elektronischen Patientenakte auf dem Handy und haben die auch freigeschaltet. Da werden gar nicht so viele Fragen auftauchen bei Menschen, die das schon machen. Ich habe das im Privaten mal so abgefragt, auch bei älteren Menschen. Es gibt die einen, die haben das schon lange und finden das gut. Und es gibt die anderen, die sagen, nein, ich will das nicht haben. Und dazwischen gibt es eigentlich relativ wenig. Die Menschen sind sehr informiert und haben schon vielfach Entscheidungen getroffen.

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