Nach dem Tod von Papst Franziskus hofft „Wir sind Kirche“, dass sein Nachfolger die Reformen fortsetzt. Das hat Christian Weisner, Mitglied im Bundesteam der Kirchenvolksbewegung im SWR-Aktuell-Interview bei Andreas Böhnisch gesagt. Franziskus ist am Ostermontag im Alter von 88 Jahren gestorben.
SWR Aktuell: Was wird denn aus Ihrer Sicht vom verstorbenen Papst Franziskus bleiben?
Er hat unendlich viele Impulse neu gegeben, die müssen wir jetzt weiterführen.
Christian Weisner: Ja, wird hoffentlich ganz, ganz viel bleiben. Er hat die römisch-katholische Kirche in einer Zeit der großen Krisen übernommen. Vor zwölf Jahren war sie, ich sage mal, theologisch am Ende, theologisch ganz festgefahren. Dann gab es den Missbrauchsskandal, den der vorherige Papst Benedikt noch versucht hatte unter das päpstliche Geheimnis zu stellen. Dann gab es Finanzskandale. Da gab es Korruption im Vatikan, in der Vatikanbank. Und er hat wirklich die Kirche wieder vom Kopf auf die Füße gestellt, zu den Menschen gebracht. Und das hat er in ganz beeindruckenden Worten, Symbolen und Handlungen gemacht. Was in den Berichten auch gestern immer wieder gesagt worden ist: Lampedusa, das war seine erste Auslandsreise, die Flüchtlingsbewegung. Er hat also unendlich viele Impulse neu gegeben, und die müssen wir jetzt einfach weiterführen.
SWR Aktuell: Würden Sie denn sagen, dass Papst Franziskus als Reformpapst in die Geschichte eingehen wird?
Nicht „America First“ oder „Catholic First“. Wir brauchen Gemeinschaftssinn.
Weisner: Ich würde sagen: absolut! Die Reformen waren dringend notwendig, denn es hat ja sogar mal ein Priester hier in Deutschland sein Amt verloren, weil er gesagt hat, Papst Benedikt habe die Kirche gegen die Wand gefahren, weil er sie so eng gemacht hat, weil er nur mit kirchlichen Verboten und Regularien gehandelt hat. Und Franziskus hat jetzt den Menschen wieder Vertrauen geschenkt - aber das heißt auch: eine Verantwortung. Bei diesem Synodalen Weg, den es auf den verschiedensten Ebenen gab, jetzt in Deutschland erst einmal, aber auch weltweit, da sind die Themen, die Probleme der Menschen auf die Agenda gekommen, zur Sprache gekommen. Papst Franziskus hat einen neuen Weg gefunden, aber den gab es eigentlich schon nach dem zweiten Vatikanischen Konzil. Aber er hat ihn wiederbelebt. Dass die Menschen zusammenkommen, das ist für viele Menschen natürlich ganz ungewohnt, weil wir im Augenblick so autoritäre Systeme erleben in der Kirche. Wir haben auch die katholische Kirche früher als große Moralinstanz erlebt. Damit ist sie krachend gescheitert. Und er hat jetzt wieder gesagt: Kommt zusammen, überlegt, was eigentlich die Botschaft Christi in der heutigen Zeit ist. Was ist die Botschaft des Evangeliums heute - und nah bei den Menschen zu sein, bei den Armen, bei den Schwachen und vor allen Dingen keine Ausgrenzung zu machen. Das gilt im Bereich der Sexualität: Geschiedene, Wiederverheiratete, homosexuelle Paare, alles Mögliche. Das gilt auch in der Frage der Migration. Und das ist natürlich eine Herausforderung, eine Botschaft, die er uns aufgetragen hat, gerade in Europa, dass wir uns nicht abschotten können. Und die Botschaft gilt genauso natürlich für Amerika. Wir Menschheit, wir müssen wieder lernen, Gemeinschaft zu leben und nicht, uns auszugrenzen. Nicht „America First“ oder „Catholic First“, sondern wir brauchen diesen Gemeinschaftssinn auch gerade in den Umweltfragen. Die Agenda, die er uns aufgetragen hat, ist sehr, sehr groß, aber das ist auch ein Vertrauen. Und da hoffe ich sehr, dass dies weiter zündet, dass die Kardinäle, die jetzt in Rom das weitere Prozedere bestimmen, einen guten Weg finden und einen guten, neuen Papst. Ich würde mir sehr einen Papst wünschen, der das, was jetzt angestoßen ist, moderieren kann. Und da hat Papst Franziskus ganz viele Türen geöffnet, durch die müssen aber wir jetzt gehen, die Ortskirchen.
SWR Aktuell: Wie groß ist denn ihre Befürchtung, dass konservative Kräfte im Vatikan, denen ja nicht allen gefallen hat, was Papst Franziskus da gemacht hat, jetzt vielleicht versuchen werden, manches wieder zurückzudrehen?
Weisner: Diese Gefahr ist groß. Wir haben ja immer schon die Machtkämpfe erlebt. Wir haben auch erlebt, wie der zurückgetretene Papst eigentlich ganz still sein wollte. Das hatte er versprochen, hat dann doch immer wieder dazwischengefunkt. In Artikeln und Büchern hat gesagt, das mit dem Zölibat müsse bleiben. Er hat es Franziskus natürlich sehr schwer gemacht. Und das haben eben auch viele Kardinäle und Bischöfe in aller Welt auch gemacht. Das Problem ist einfach in der katholischen Kirche, dass natürlich diese Leitungsfiguren noch von dem Vorgängerpapst nach den alten Regeln ausgesucht worden sind. Und das ist wie in einer Firma, wo jetzt eine andere Unternehmenskultur herrscht - und das in die Köpfe der Menschen reinzubringen, da hat Franziskus, denke ich, aber den guten Weg gewählt. Aber der ist natürlich schwieriger. Den haben auch nicht alle verstanden. Einfach nur ein Gesetz zu ändern, das ist leicht. Am Ende geht es darum, die Herzen und Köpfe der Menschen zu ändern, das Bewusstsein zu ändern, was wirklich sein muss. Und da sind wir auf einem Weg.
"Die alten Störenfriede dürfen sich nicht stark machen"
Und da hoffe ich sehr, dass eben jetzt nicht wieder die alten Störenfriede sich stark machen, sondern dass da wirklich dieser Weg weitergegangen wird mit einem hoffentlich moderierenden Papst. Und für ganz entscheidend halte ich natürlich noch mal die Frage der Frauen. Da steht die katholische Kirche natürlich in der Schuld, sich an das Evangelium zu halten. Im Evangelium steht nicht diese Hierarchisierung und Klerikalisierung der Männer über die Frauen. Das hat Franziskus noch nicht abgeschafft, weil ihm einfach auch seine Vorgängerpäpste Steine in den Weg gelegt haben. Die haben gesagt ja, die Kirche hat keine Vollmacht, Priesterinnen zu weihen. Das muss überwunden werden. Das ist eine große Herausforderung, auch für den nächsten Papst.
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