Nach der Wahl von Papst Leo XIV hoffen viele auf Reformen in der katholischen Kirche, insbesondere Gläubige in Deutschland. Dort gibt es Bestrebungen, die Laien mehr einzubeziehen, im sogenannten „Synodalen Weg“. Ob der neue Papst das unterstützen könnte, schätzt der Trierer Bischof Ackermann im Gespräch mit SWR-Aktuell-Moderator Andreas Fischer ein.
Mensch, die Kardinäle! Kluge Wahl!
SWR Aktuell: Was war denn Ihr erster Gedanke, als Sie am Abend gehört haben, dass Kardinal Prevost der neue Papst ist?
Stephan Ackermann:Zunächst war ich überrascht. Er war ja zwar genannt worden bei den Kandidaten, bei den Favoriten, aber eher in der zweiten Reihe. Und dann ich hab ich gedacht, ja, den kennst Du! Das ist ja immer schon mal ein bisschen eine Hilfe zu sagen ist das jetzt jemand, den man überhaupt nicht kennt - oder ist das jemand, wo es schon mal einen Kontakt gab? Das waren so die ersten beiden Reaktionen, und ich habe mich gefreut und gesagt: Mensch, die Kardinäle! Kluge Wahl!
SWR Aktuell: Kennen Sie ihn denn persönlich?
Ackermann:Ich bin ihm schon einige Male begegnet, hatte auch schon ein persönliches Gespräch mit ihm in seiner Eigenschaft als Leiter des Dikasteriums, also der Behörde für die Bischöfe. Da war er noch relativ frisch in diesem Amt. Er ist er ist seit zwei Jahren in dieser Funktion. Und habe ihn da wirklich als jemanden erlebt, der bescheiden ist, unprätentiös, auch zugewandt, der gerne versucht, die Dinge zu verstehen, um die es geht. Da konnte ich ihn kennenlernen. Und er gehörte auch zu der Gruppe vonseiten der römischen Kurie, also des Vatikans, die sich ja in den letzten Jahren mehrere Male mit uns deutschen Bischöfen getroffen hat. Und da konnte ich auch diesen Eindruck gewinnen.
SWR Aktuell: Diese Treffen fanden ja vor dem Hintergrund statt, dass in Deutschland ein Reformdialog läuft, zwischen der Kirche und den Laien - der sogenannte Synodale Weg. Ausgerechnet heute tagt in Magdeburg der Synodale Ausschuss, auch ein schöner Zufall. Der soll diesen ganzen Prozess auf dauerhafte Beine stellen. Als Kardinal hat Prevost vor einem Jahr betont, dieser Ausschuss in Deutschland sei nicht rechtmäßig. Gibt es da möglicherweise dann doch auch Konflikte, wenn er jetzt Papst ist und diesen Ausschuss ablehnt?
Ackermann:Der Kardinal hat ja die Gespräche auch mitbekommen, die wir in Rom geführt haben. Insofern ist ihm das nicht unbekannt. Das glaube ich, ist ein wichtiger Punkt. Und ich habe ihn kennengelernt als jemanden, der gut zuhören kann, der Dinge verstehen will. Insofern, glaube ich, ist das ein Vorteil, jemanden zu haben, der schon ein bisschen einen Einblick hat - und der auch die Gesprächsfäden wahrscheinlich wieder aufgreifen wird. Das wäre meine Hoffnung. Und insofern, glaube ich, geht der neue Papst Leo auch auf der Spur von Papst Franziskus weiter.
SWR Aktuell: Es gibt inhaltliche Differenzen zwischen der Kurie im Vatikan und den deutschen Bischöfen. Zum Beispiel fordern Laien in Deutschland, dass Frauen zum Priesteramt zugelassen werden. In Rom lehnt man das ab. Auch viele deutsche Bischöfe lehnen das nach wie vor ab. Sie haben sich im vergangenen Dezember optimistisch gezeigt, dass Frauen irgendwann zu Diakoninnen geweiht werden. Damals haben Sie auch gesagt, dass Sie aber nicht mehr mit einer Entscheidung unter Franziskus rechnen. Gehen Sie nun, unter Leo, weiter davon aus, dass diese Entscheidung irgendwann fallen wird in seiner Amtszeit?
Wir müssen uns darüber klar sein, dass die Weltkirche insgesamt nicht so tickt wie wir in Deutschland.
Ackermann:Wir werden sehen, wie er ja auch mit den Ergebnissen der Kommission umgehen wird, die Papst Franziskus noch eingesetzt hat zu dieser Frage, das wird man sehen. Aber ich glaube, man muss natürlich insgesamt bedenken, dass auch der neue Papst Leo jemand ist, der zwar in einer gewissen Weise auch Deutschland kennt. Im Gespräch damals, ich erinnere mich, hat er gesagt, dass er auch schon in Deutschland war, als Generaloberer seines Ordens. Dass er also die Niederlassungen des Augustinerordens hier in Deutschland besucht hat. Aber wir müssen uns natürlich darüber klar sein, dass die Weltkirche insgesamt nicht so tickt, wie wir das hier in Deutschland tun. Und diese weltkirchliche Erfahrung bringt gerade der neue Papst Leo mit. Ich vermute, dass bei der Wahl der Kardinäle auch wichtig war, jemanden zu finden, der die verschiedenen Fäden, die es gibt, zusammenhält. Es gab ja auch Irritationen unter Franziskus, aber eher in den Bereich der Konservativen hinein. Und dann werden wir sehen, was das dann auch für diese Frage bedeutet.
SWR Aktuell: In der Vergangenheit gab es oft negative Schlagzeilen über die katholische Kirche in Deutschland. Jetzt muss man sagen: In den letzten Tagen, zum einen nach dem Tod von Papst Franziskus, zum anderen rund um das Konklave und die Wahl von Leo, gibt es viele positive Worte. Die Menschen interessieren sich sehr für das, was in Rom passiert. Hilft Ihnen das, um vielleicht auch wieder mehr Gläubige zu gewinnen?
Ackermann:Es geht, glaube ich, gar nicht darum, einfach wieder mehr Gläubige zu gewinnen. Es geht gerade beim Papst auch immer um die Botschaft Jesu Christi. Und was kann diese Botschaft auch an positivem Potenzial für die Welt insgesamt bedeuten? Und beim Tod von Papst Franziskus hat man schon gespürt, dass natürlich in dem Moment, wo ein Pontifikat zu Ende geht, mehr das Gesamte in den Blick kommt. Und das hat, glaube ich, sich auch deutlich gezeigt, wie viel auch Papst Franziskus sich stark gemacht hat für Menschlichkeit, für Versöhnung, für Dialog - das, was uns manches Mal gerade auch hier in Deutschland aus dem Blick gerät. Der Papst hat ja die ganze Welt sozusagen vor der Brust und setzt sich entsprechend ein, und das ist deutlich geworden. Und das haben die Menschen auch außerhalb des kirchlichen Raums sehr geschätzt und wahrgenommen, dass es diese Stimme gibt, auch gerade in unserer polarisierten, friedlosen Welt zu sagen: Da ist jemand, der wirklich auch mit den Mächtigen dieser Welt in den Dialog tritt, um das stark zu machen. Und gestern hat man gemerkt bei der ersten Ansprache von Papst Leo, dass das auch die Dinge sind, die ihm wichtig sind. Und insofern, glaube ich, ist das dann eine positive Meldungen für die Menschen insgesamt. Aber natürlich freuen wir uns auch als Bischöfe, wenn die Leute so daran teilnehmen, auch in einem positiven Sinn.
Für viele ist das Event sicher ein Anziehungspunkt.
Und für uns ist das natürlich kirchlich, auch religiös, ein sehr wichtiges Ereignis. Für viele, glaube ich, ist aber das Besondere, das Außergewöhnliche, das Event, das auch damit verbunden ist, sicher ein Anziehungspunkt. Es gibt ja keine Institution, die so sehr auch über die Grenzen der Religion hinaus auch Menschen anzieht, die Mächtigen dieser Welt - und das ist, glaube ich, schon faszinierend, das auch im positiven Sinn zu erleben.