Die Polizei hat am Wochenende in Oldenburg einen 21-jährigen Mann erschossen – und zwar von hinten, das hat jetzt die Obduktion gezeigt. Im Einsatzbericht ist von Notwehr die Rede. Ob das stimmt, will die niedersächsische Polizei jetzt untersuchen. Eine andere zentrale Frage ist: Hätten die Polizisten den Mann stoppen können, ohne gleich auf ihn zu schießen? Das wäre möglich gewesen, sagt die Polizeigewerkschaft Niedersachsen – wenn die Beamten einen Taser benutzt hätten, eine Elektroschockpistole. Doch die dürfen Streifenpolizisten in Niedersachsen und anderen Bundesländern nicht benutzen. Auch nicht in Baden-Württemberg. Warum der Landesvorsitzende der Polizeigewerkschaft, Ralf Kusterer, den Einsatz von Tasern schon seit längerem fordert, erklärt er im SWR-Aktuell-Interview mit Leon Vucemilovic.
SWR Aktuell: Hätte der Tod des jungen Mannes in Oldenburg verhindert werden können, wenn der Polizist einen Taser benutzt hätte?
Ralf Kusterer:Diese Frage ist natürlich nur sehr schwer zu beantworten, weil wir natürlich die genauen Vorkommnisse nicht kennen. Man kennt etwas aus der Presse, aber da muss man sicherlich immer den Einzelfall sehen. Aber wir fordern grundsätzlich die Einführung des Tasers in Baden-Württemberg, weil es viele Situationen gibt, in denen wir dann nicht von der Schusswaffe Gebrauch machen müssen, sondern eine andere Waffe einsetzen können.
SWR Aktuell: Was sind denn das für Situationen?
Kusterer: Zunächst mal muss man das sicherlich in die Hände der Kolleginnen und Kollegen legen, die dann in dem konkreten Fall entscheiden, ob sie denn diesen Taser einsetzen können oder nicht. Wir haben verschiedene Angriffssituationen. Wir haben insbesondere Situationen, in den der Täter auch eine gewisse Distanz hat zum Polizeibeamten. Und es sind sicherlich viele Situationen, bei denen wir es mit psychisch Kranken zu tun haben, mit Menschen, die unter Alkohol oder Drogen stehen, wo es sich um schuld- und deliktunfähige Täter handelt, die quasi auch kein Schmerzempfinden mehr haben, wo wir mit so einem Mittel sicherlich gut zurechtkommen würden.
SWR Aktuell: Das Land Baden-Württemberg hat sich zu Jahresbeginn noch dagegen ausgesprochen, Taser für Streifenpolizisten einzuführen, unter anderem aus Kostengründen - weil die Polizistinnen und Polizisten für den Einsatz aufwendig geschult werden müssen. So sagt es das Land. Können Sie das Argument verstehen?
Ich erwarte, dass der Innenminister und alle, die mit dem Sicherheitsbereich zu tun haben, sich hinter die Polizeibeamten stellen.
Kusterer: Überhaupt nicht. Wenn Sie sehen, wie viele Polizeibeamte jährlich Opfer von Gewalt werden, dann kann ich das überhaupt nicht nachvollziehen. Ganz im Gegenteil: Ich erwarte, dass der Innenminister und alle, die mit dem Sicherheitsbereich zu tun haben, klare Kante zeigen, sich hinter die Polizeibeamten stellen und ihnen den allen Instrumentarien zur Verfügung stellen, die sie brauchen, damit sie eben nicht gesundheitlich beschädigt werden.
SWR Aktuell: Taser gelten ja als nicht-tödliche Waffe. Das ist ja aber eigentlich auch nur die halbe Wahrheit. Denn auch Taser können ja töten oder zu schweren Verletzungen führen. Amnesty International warnt davor, Streifenpolizeieinheiten den Einsatz von Tasern einfach so zu erlauben. Was sagen Sie denen denn?
Die Schusswaffe ist auf jeden Fall tödlich.
Kusterer: Ach, das ist einfach dieses Wiederholen von irgendwelchen Unwahrheiten, die eigentlich gar nicht zutreffen. Kein Polizeibeamter setzt ein Einsatzmittel ein, das er nicht unbedingt einsetzen muss - und schon gar nicht die Schusswaffe. Ob der Taser im Einzelfall, weil jemand ungeschickt hin fällt oder sich dabei irgendwie verletzt….ich sage Ihnen: die Schusswaffe ist auf jeden Fall tödlich, und jedes Mittel, das darunter steht, das den Tod verhindert, muss uns eigentlich ein gutes Mittel sein.
SWR Aktuell: Aber ist es nicht so, dass die Schwelle, zum vermeintlich harmlosen Taser zu greifen, im Ernstfall dann doch vielleicht niedriger ist als zur Pistole zu greifen?
Rheinland-Pfalz setzt seit Jahren erfolgreich den Taser im Streifendienst ein.
Kusterer: Die Schwelle mag sicherlich niedriger sein, weil die Auswirkungen natürlich auch wesentlich geringer sind. Sie können keine umliegenden Menschen irgendwie verletzen wie mit einer Schusswaffe. Aber wir können ja nun auch sagen, was welche Erfahrungen die anderen Bundesländer haben. Rheinland-Pfalz, unser Nachbarbundesland setzt seit Jahren erfolgreich den Taser ein im Streifendienst. Wir haben ihn bei der Bundespolizei - und wie in Berlin setzen es viele Polizeien der Länder das jetzt schon ein, und zwar sehr erfolgreich. Wir haben da positive Rückmeldungen und diese Gruselgeschichten, die Amnesty da verbreitet, die können wir nicht nachvollziehen.