Neue Warnstreiks drohen

DGB-Chefin Fahimi: Wir sind ein Niedrigstreikland

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Jim-Bob Nickschas

Neue Warnstreiks könnten bald viele Bereiche des öffentlichen Lebens lahmlegen. DGB-Chefin Yasmin Fahimi weist Kritik daran zurück – und warnt die Arbeitgeber.

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DGB-Chefin Yasmin Fahimi weist Kritik an den aktuellen Tarifforderungen der Gewerkschaften zurück. "Sie sind notwendig!", betont sie im SWR Interview der Woche. Der Tarifabschluss bei der Post habe zudem gezeigt, dass die Forderungen ganz und gar nicht unrealistisch seien. Es gebe sowohl einen Nachholbedarf aus dem Jahr 2022 mit einem Inflationsrekord als auch eine vorausschauende Perspektive. "Denn in diesem Jahr wird die Inflation ja auch nicht gerade wieder auf zwei, drei Prozent fallen."

Debatte um Lohn-Preis-Spirale "einfach mal beenden"

Befürchtungen, höhere Tarifabschlüsse könnten eine Lohn-Preis-Spirale in Gang setzen, weist Fahimi zurück. "Es gibt überhaupt keinen Anlass und keinerlei Evidenz dafür, dass die Inflation durch Lohnentwicklung begründet ist. Insofern wünsche ich mir auch, dass man diese Debatte jetzt einfach mal beendet. Denn sie ist nichts anderes als der Versuch, den Beschäftigten zu sagen, dass die Krise auf ihrem Rücken ausgetragen werden soll."

In den kommenden Wochen stehen Deutschland nun wohl weitere Arbeitskämpfe bevor: Im Öffentlichen Dienst will die Gewerkschaft Verdi eine Lohnerhöhung von 10,5 Prozent durchsetzen, die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG verlangt von der Bahn 12 Prozent mehr für die Beschäftigten – in beiden Fällen zeichnet sich bisher keine Einigung ab.

Massiver Streik im Verkehr Ende März?

Am 27. März könnten beide Gewerkschaften zusammen den Verkehr in Deutschland flächendeckend lahmlegen, heißt es. Auch DGB-Chefin Yasmin Fahimi will das im Interview nicht ausschließen: "Darauf müssen sich alle einstellen. In der Demokratie muss man damit leben, dass es eben auch zu Streiks kommt", sagt sie dem SWR.

Überlegungen von Seiten der Arbeitgeberverbände, das Streikrecht zu ändern, weist Fahimi klar zurück: "In Summe ist Deutschland ein Niedrigstreikland. Es wird bei uns im Vergleich zum europäischen-internationalen Vergleich extrem wenig gestreikt. Insofern ist das der Versuch, Stimmung gegen das Streikrecht zu machen, was ich wirklich hochproblematisch finde." Für den Fall, dass tatsächlich jemand auf die Idee komme, an das Streikrecht zu gehen, kündigt Fahimi im SWR-Interview massive Proteste an: "Dann wird es uns sicherlich nicht schwerfallen, viele Tausend Menschen zu mobilisieren, die ganz deutlich ihr Grundrecht einfordern!"

Die Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes Yasmin Fahimi steht neben SWR-Korrespondent Jim-Bob Nickschas im Foyer des ARD-Hauptstadtstudios. (Foto: SWR)
Yasmin Fahimi, Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundes und SWR-Korrespondent Jim-Bob Nickschas

Bildungsgipfel: Fahimi wirft Ländern Versagen vor

Fahimi zeigt sich im Interview zudem enttäuscht über den Ausgang des Bildungsgipfels diese Woche in Berlin. Beschlüsse waren keine gefasst worden, nachdem zahlreiche Entscheider – vor allem aus den Ländern – abgesagt hatten. "Ich bin schon sehr enttäuscht darüber, dass es der Kultusministerkonferenz aller Länder einfach nicht gelingt, wirklich mal über sehr grundsätzliche Reformen zu diskutieren", sagt Fahimi. Alle hielten daran fest, zu 100 Prozent unabhängig sein zu wollen – versagten aber in der Kooperation untereinander und in dem Gelingen eines besseren Bildungssystems. Dass man in Deutschland gleichzeitig über einen Fachkräftemangel diskutiere, sei geradezu skurril.

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Jim-Bob Nickschas