Jens Junge ist Direktor des Instituts für Ludologie - also die Wissenschaft vom Spielen - und findet "Monopoly" eigentlich langweilig. Trotzdem kennt er das Erfolgsgeheimnis.
Die eigene Marktmacht ausbauen, andere ausbooten und möglichst viel Gewinn einstreichen - "Monopoly" gilt als Spekulanten-Spiel schlechthin. Dabei hatte die Sozial-Reformerin Lizzie Magie, die die Spielidee 1904 patentieren ließ, das Gegenteil im Sinn: Ihr Brettspiel sollte Kapitalismus-Kritik sein und spielerisch zu Kooperation und Gleichberechtigung ermuntern. Bis heute zocken Millionen Menschen mit dem Monopoly-Geld um die besten Straßenzüge - mittlerweile auch online. Die Vermarktung des Spieleklassikers ist selbst ein kapitalistisches Lehrstück zum Thema Profitsteigerung - und das seit 1935, also seit mittlerweile 90 Jahren.
Faszination kommt von Emotionalität
Jens Junge von der SRH University erklärt die Erfolgsgeschichte des Spiels nicht durch den ansprechenden Spielaufbau. Schon nach zehn Minuten jeder Partie sei eigentlich klar, wer gewinnen wird – und das auch nur durch Würfelglück.
Das Spiel ist eigentlich langweilig.
Er glaubt aber, dass die Überspitzung des kapitalistischen Systems Gefühle in uns weckt, die entscheidend zum Erfolg beigetragen haben: "Beim Spielen sind ja die Emotionen ganz entscheidend wichtig", erklärt er im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Bernhard Seiler. Diese seien in der negativen Spielvariante sehr stark – womöglich stärker als in der von Lizzie Magie entwickelten positiven Spielweise.
Gesellschaft Monopoly – Kapitalismus als Brettspiel
Der Spiele-Klassiker Monopoly begeistert nach wie vor – heute auch als Online-Game. Die Spielidee stammt von Lizzie Magie. Doch die Quäkerin hatte mit Monopoly etwas ganz anderes im Sinn.
"Einheitssteuer" - das umgekehrte Konzept zum heutigen "Monopoly"
Wer ein Spielfeld besitzt, darf in der ursprünglichen Version nicht den anderen Spielerinnen und Spielern Geld abknüpfen, die darauf landen, sondern muss ordentlich Abgaben dafür zahlen, mit diesem Spielfeld zu wirtschaften. Am Ende sollten alle gewinnen - ein kooperativer, anti-monopolistischer Spielansatz - durchgesetzt hat sich aber der Ansatz, andere monopolistisch in die Pfanne zu hauen. Das hat die Industrie erkannt, vermarktet und damit die eigentliche Erfinderin um ihren Ruhm gebracht, denn über Jahrzehnte war ihr Anteil an der Erfindung des Spiels vergessen.
Wurzeln in Kapitalismus-Kritik des 19. Jahrhunderts
Die ganze Geschichte beginnt schon über 40 Jahre vor dem Erscheinen der ersten Ausgabe, wie wir sie kennen. Ende des 19. Jahrhunderts gibt es in den Vereinigten Staaten einen einflussreichen Ökonomen. Er heißt Henry George und vertritt die Idee einer Einheitssteuer. Die Idee: Land - also Grundbesitz - und natürliche Ressourcen gehören allen, also der Gesellschaft insgesamt. Wer damit wirtschaften will, muss entsprechend eine saftige Steuer - die Einheitssteuer - zahlen. George ist 1897 gestorben, seine Idee aber lebte im 20. Jahrhundert weiter, auch dank feuriger Anhängerinnen wie Lizzie Magie. In einem Artikel der Tageszeitung "Kalamanzoo Gazette" aus dem Jahr 1909 ist von ihr zu lesen:
Ich bin froh, dass man mir beigebracht hat, wie man selbst denkt, statt mir beizubringen, was ich zu denken habe.
Magie stammt aus einer schottischen Einwanderer-Familie. Auf Bildern ist sie mit dichten, schwarzen Locken und markanten Augenbrauen zu sehen. Sie bleibt lange unverheiratet und arbeitet als Stenographin. Sie schreibt aber auch Essays, Kurzgeschichten, Gedichte und irgendwann hat sie die Idee für ein Spiel, das Menschen vermitteln sollte, wie die Einheitssteuer in der Praxis aussehen könnte.