Saskia Esken hat das Erscheinungsbild der Ampel-Koalition kritisiert. Im Gespräch mit SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler nannte die SPD-Chefin den Streit über die Kindergrundsicherung als Beispiel.
Die Ampel-Koalition hat in den vergangenen Monaten viel gestritten. Das kritisiert SPD-Parteichefin Saskia Esken. Als Beispiel nannte sie die Debatte über die Kindergrundsicherung. Der in der Öffentlichkeit geführte Streit sei unnötig gewesen.
Am Dienstag, den 29. August, kommt die Ampel-Regierung auf Schloss Meseberg bei Berlin zu einer zweitägigen Klausur zusammen. Vor dem Auftakt hat SWR Aktuell-Moderator Andreas Herrler mit der SPD-Parteichefin gesprochen.
SWR Aktuell: Der Kanzler hat bei der Kindergrundsicherung zwischen Grünen und FDP vermittelt. Vermitteln heißt aber auch, dass Olaf Scholz und die SPD sich nicht eindeutig positionieren wollten. Warum eigentlich nicht?
Saskia Esken: Die Kindergrundsicherung ist ein ur-sozialdemokratisches Projekt. Wir hatten es in unserem Sozialstaatskonzept drin, das wir 2019 beschlossen haben und wir haben es auch im Wahlprogramm drin gehabt. Das heißt: Es ist ein Projekt der Ampel-Koalition. Jetzt ging es um sehr viele wichtige Details. Es ist eine große Sozialstaatsreform, die viele unterschiedliche Behörden zusammenbringt. Insofern gab es auch viel zu besprechen, und da sind wir zu einem guten Ergebnis gekommen. Das ist vor allem gut für die Familien und die Kinder.
SWR Aktuell: Die Kindergrundsicherung ist also ein Projekt der SPD, aber das ist irgendwie nicht rübergekommen. Das ist aussagekräftig für die Ampel-Koalition insgesamt, weil SPD-Projekte oft als solche nicht richtig verkauft werden, oder?
Esken: Ich spreche sehr gerne und sehr viel über die Kindergrundsicherung und insgesamt über unsere Familienpolitik. Denn es ist dringend notwendig, dass wir die Familien stärken. Leider werden diese sogenannten weichen Themen oft als nicht besonders relevant für unsere Volkswirtschaft angesehen. Das ist aber falsch, was auch viele kluge Wissenschaftler mittlerweile sehr deutlich sagen. Deswegen bin ich froh, dass wir jetzt ein gutes Ergebnis haben. Die Eskalation vergangene Woche war unnötig. Das sage ich ganz einfach, wie es ist.
SWR Aktuell: Deshalb hat Olaf Scholz am Wochenende auch gesagt, die Koalition sollte sich mehr darauf konzentrieren, die Erfolge der Regierungstätigkeit herauszustellen und die nötigen Diskussionen über die Vorhaben intern führen. Warum macht man das bisher zu wenig?
Esken: Wir sind sehr bemüht, die notwendigen Debatten zu führen, aber die müssen intern geführt werden. Wir haben unterschiedliche Auffassungen in den Parteien. An der einen oder anderen Stelle ist es sicher richtig, dass man diese Unterschiede deutlich macht. Denn die Bevölkerung muss wissen, was der Unterschied zwischen SPD, FDP und den Grünen ist. Aber am Ende müssen die Debatten natürlich intern geführt werden. Wir müssen gemeinsam zu einem guten Ergebnis kommen, damit wir gemeinsame Projekte auch gemeinsam darstellen können.
SWR Aktuell: Sie haben gesagt: Die Debatte vergangene Woche war unnötig. Ärgert sie sowas?
Esken: Nicht die Debatte war unnötig, aber die Eskalation. Natürlich ärgert mich so etwas, weil es eben die Darstellung unserer guten Arbeit verhunzt. Das muss man wirklich so sagen. Wir haben in den letzten zwei Jahren sehr viel ziemlich geräuschlos auf den Weg gebracht. Denken Sie an das Fachkräftezuwanderungs- und an das Weiterbildungsgesetz. Dazu kommt die Ausbildungsgarantie, die wir kurz vor der Sommerpause ohne jeden Streit im Bundestag beschlossen haben. Da ist nicht viel berichtet worden. Das ist auch ein bisschen schade.
SWR Aktuell: Aber es wird halt oft gestritten, zum Beispiel auch beim Heizungsgesetz. Braucht es häufiger das berühmte Machtwort des Kanzlers?
Esken: Im Fall des Heizungsgesetzes, ähnlich übrigens wie bei der Kindergrundsicherung, ist mit einer Debatte begonnen worden, die nicht von fachlicher Tiefe gekennzeichnet war. Das ist sicher auch ein Fehler. Es muss am Ende um die Sache gehen und nicht zum Beispiel um Zahlen wie zwölf Milliarden oder zwei Milliarden. Darum geht es bei der Kindergrundsicherung nicht. Es geht darum, dass wir die bedürftigen Familien auch erreichen. Derzeit sind es gerade mal 35 Prozent, die die ihnen zustehende Unterstützung in Anspruch nehmen. Da müssen wir viel besser werden. Das kennzeichnet am Ende den Erfolg der Reform.