Nach dem Tod von Papst Franziskus läuft die Suche nach dem Nachfolger. Einige mögliche Kandidaten sind schon bekannt, entscheiden werden die Kardinäle beim Konklave. Der Psychiater und Theologe Manfred Lütz ist Mitglied im Laiengremium des Vatikans. In SWR Aktuell hat Bernhard Seiler mit ihm gesprochen.

SWR Aktuell: Die Trauer um Franziskus ist groß bei Gläubigen in aller Welt. Aber auch viele Nichtkatholiken sind fasziniert von den Jahrhunderte alten Ritualen und Gebräuchen, die da jetzt befolgt werden. Darüber spefche mit sprechen mit jemandem, der gerne Papst-Berater genannt wird, mit dem Bestsellerautor, Psychiater, Theologen und zumindest Papstkenner Manfred Lütz, Guten Morgen!
Manfred Lütz: Schönen guten Morgen. Papst-Berater bin ich aber nicht....
SWR Aktuell: Sie haben es in der Tat etwas relativiert. Aber ist dann nicht doch ein bisschen Wahrheit auch dran?
Lütz: Nein, ich war im päpstlichen Laienrat. Und dann hat man immer gesagt, „Papstberater“ - oder „Vatikan-Berater“, stand dann bei Wikipedia. So wurde ich dann jedes Mal vorgestellt. Das fand ich ein bisschen irritierend. Ich habe den Papst einmal im Jahr getroffen bei unserer Generalversammlung. Dann habe ich kurz mit ihm sprechen können. Ich habe ihn auch einmal eine halbe Stunde lang unter vier Augen länger gesprochen. Also: Ich habe ihn kennengelernt, aber ich kann nicht sagen, dass ich ihn jetzt wirklich sehr gut kannte oder mit ihm befreundet gewesen bin oder irgendwas. Es gibt so viele selbsternannte Experten, das bin ich sicher nicht.
Er war unglaublich authentisch, so habe ich ihn auch erlebt.
SWR Aktuell: Sie haben, wie Sie gerade geschildert haben, den verstorbenen Papst Franziskus durchaus erlebt. Warum berührt es denn Ihrer Meinung nach so viele Menschen so sehr, dass er nun -immerhin als hochbetagter Mann- gestorben ist?
Lütz: Ich glaube, es sind zwei Dinge: Das eine ist, das er unglaublich authentisch war, so habe ich ihn auch erlebt. Und das andere ist natürlich, dass, wenn in einer so alten Institution, in so einer riesigen Institution der Papst stirbt, in einer Welt, die in der Krise ist, wo es überall Kriege gibt, wo es Unsicherheit gibt - da ist so jemand schon ein Symbol von Trost. Jemand, der über Frieden redet, über Menschen in Not, denen man helfen soll. Er ist ein bisschen das Symbol für das Gute in der Welt, und danach sehnen sich viele Menschen.
SWR Aktuell: Bei der Trauerfeier morgen wird auch ein gewisser Donald Trump dabei sein - während der Papst ja zu Lebzeiten speziell auf Seiten der Migranten und Geflüchteten stand und ihn mit Trump und seiner Politik wenig verband. Das wirft ja auch so eine Art Schlaglicht auf das Verhältnis des Guten in der Welt und der Welt insgesamt. Was meinen Sie, wieviel ist Franziskus Vermächtnis angesichts dessen tatsächlich wert?
Lütz: Ich glaube, das Vermächtnis bei den Menschen ist davon unberührt. Und es ist halt so, dass das Papsttum, vor allem, glaube ich, seit Papst Johannes Paul dem Zweiten, tatsächlich international eine unglaublich große Bedeutung hat. Und bei großen Konflikten, zum Beispiel damals beim Irak-Krieg, waren alle Beteiligten wirklich sehr darauf erpicht, die Stimme des Papstes dazu zu hören. Und selbst ein Donald Trump, der sicherlich auch sehr gut selbst weiß, dass er inhaltlich mit diesem Papst überhaupt nicht übereinstimmte, konnte auch in gewisser Weise gar nicht anders, als diese Gelegenheit wahrzunehmen -zumal er eigentlich ganz gerne auch im Scheinwerferlicht steht. Und das ist natürlich ziemlich grell bei der Beerdigung.
SWR Aktuell: Das Papsttum geht weiter, auch wenn ein Papst jetzt gestorben ist. Inzwischen sind wohl auch alle zur Papstwahl berechtigten Kardinäle im Vatikan eingetroffen. Wie intensiv werden die jetzt schon über mögliche Nachfolger reden?
Die Kardinäle wählen nicht irgendjemanden, den sie besonders nett finden oder mit dem sie mal gefrühstückt haben.
Lütz: Das ist ja interessant: Es gibt ja diesen eigentlich ganz schönen Film Konklave, der aber mit der Realität nicht so besonders viel zu tun hat. In der Sixtinischen Kapelle finden überhaupt keine Debatten statt, das ist ein Gottesdienst. Da tritt jeder Kardinal vor das „Jüngste Gericht“ von Michelangelo -wer das mal gesehen hat: das ist schon ziemlich unheimlich- und sagt nicht, „ich wähle jetzt den oder jenen“, sondern sagt, „das ist jetzt derjenige, von dem ich glaube, angesichts Gottes, der mich eines Tages richten wird, dass Gott den zum Papst haben will.“ Und das ist für diese Menschen, das sind ja gläubige Menschen, die Kardinäle, schon etwas sehr ernsthaftes, dass ihnen klar ist, ich wähle jetzt nicht irgendjemanden, den ich besonders nett finde oder mit dem ich mal gefrühstückt habe oder irgendsowas - oder bei dem ich besonderen Einfluss nehmen kann. Sondern: Wer ist jetzt eigentlich der würdigste, und derjenige, der in der jetzigen Situation am besten Papst werden kann. Also in der Sixtinischen Kapelle wird nicht debattiert. Aber jetzt, während wir hier reden, jetzt wird debattiert. Jetzt gibt es die sogenannten Generalkongregationen. Jeden Tag treffen sich alle in Rom anwesenden Kardinäle, übrigens sind auch die Nicht-Wahlberechtigten dabei, zu Debatten: Was brauchen wir für einen Papst? Welche Eigenschaften muss er haben? Was wäre für uns derjenige, der uns auch aus Krisen heraushilft? Wer kann in der jetzigen politischen Weltsituation tatsächlich etwas bewirken? Wer kann geistlich diesem Abend auch einigermaßen gerecht werden? Und man muss ja sagen der Kardinal von Wien, Schönborn, hat gesagt, es gibt niemanden, der geeignet ist für dieses Amt - weil es natürlich alle möglichen Erwartungen gibt an einen neuen Papst, denen keiner wirklich völlig gerecht werden kann. Aber jetzt, ab neun oder zehn, treffen sich die Kardinäle, und da finden die großen Debatten statt.
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