Hirsche, Rehe, Wildschweine: Wie Sie bei einem Wildunfall richtig reagieren

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Von Autor/in Leon Vucemilovic

Der Schatten am Straßenrand springt auf einmal los – und bevor ich es richtig begreife, rammt mein Auto schon das Tier, das da plötzlich aufgetaucht ist. Solche Wildunfälle werden besonders gefährlich, wenn Fahrerinnen und Fahrer falsch reagieren. Die Björn-Steiger-Stiftung hat das analysieren lassen. Darüber hat SWR-Aktuell-Moderator Leon Vucemilovic mit Siegfried Brockmann gesprochen. Er ist bei der Stiftung für das Thema Unfallprävention zuständig.

SWR Aktuell: Wie verbreitet ist es denn, dass Menschen in so einer Situation falsch reagieren?

Sigfrid Brockmann: Das Gute ist: In vielen Fällen reagieren Menschen richtig, und deswegen bleiben viele Wildunfälle tatsächlich auch glimpflich. Wir sind da jetzt wissenschaftlich andersherum rangegangen und haben uns mal angesehen: Was passiert eigentlich bei den Unfällen mit schweren Folgen, wo wir Schwerverletzte und Tote haben. Und da ist das eben ganz überwiegend so, dass das Problem darin liegt, dass die Fahrer das Lenkrad verreißen und dann eben bedauerlicherweise nicht einfach schön auf den Acker fahren - sondern da ist gar kein Acker, da ist ein Graben oder ein Baum oder beides. Und es kommt zum Überschlag oder zu schweren Kollisionen, und das halten natürlich weder der Gurt noch die Fahrgastzelle aus. Und dann kommt es eben zu den schweren Verletzungen im Fahrzeug.

SWR Aktuell: Was wäre denn dann die mustergültige Reaktion?

Brockmann:Ich weiß wohl, dass das nicht ganz so einfach ist, wenn man in treue Rehaugen blickt - denn meistens bleibt das Wild auch noch stehen, wenn es einmal auf der Fahrbahn ist - , da draufzuhalten. Aber das ist für das menschliche Überleben die einzig richtige Reaktion. Dann knallt es zwar auch, aber darauf sind natürlich die Fahrzeugsysteme eingestellt. Und dann kommt es, wenn überhaupt, zu leichteren Verletzungen. Deswegen: Wenn einem das eigene Leben lieb ist, wirklich Vollbremsung so viel es geht, Lenkrad stabil halten. Anders geht es nicht.

SWR Aktuell: Herr Brockmann, ein Ergebnis ihrer Studie ist auch, dass Wildwechsel-Schilder am Straßenrand oder Geschwindigkeitsbegrenzungen oder auch Reflektoren eher keinen Einfluss auf das Unfallgeschehen haben. Wie erklären Sie sich das denn?

Brockmann:Fangen wir mal mit dem Wildwechsel-Schild an. Da ist erstmal die Diagnose, dass wir in vielen Fällen, wo es zu schweren Unfällen kam, ein Wildwechsel-Schild hatten. Also kann es ja gar nicht so wahnsinnig viel bewirken. Und ich würde jetzt auch mal sagen, das ist die Alltagserfahrung, die wir haben. Diese Wildwechsel-Schilder wirken immer auf eine größere Streckenlänge, meist steht das sogar dabei: für drei Kilometer, für vier Kilometer. Und wenn das etwas bringen sollte, dann müsste man die Geschwindigkeit natürlich sehr deutlich reduzieren. Also sagen wir mal, maximal 60 km/h. Und das macht natürlich auf einer solchen längeren Strecke kein Mensch, erst recht nicht, wenn dahinter jemand herfährt. Und deswegen sind diese Schilder einfach vollkommen wirkungslos. Aber es ist eben mit einem Schild auch nicht besser lösbar, weil das Wild eben auch leider nicht immer dieselben Stellen nimmt, sondern auf einer größeren Strecke mal hier und mal dort über die Straße läuft.

SWR Aktuell: Das heißt wenn das alles nichts hilft, was kann man denn dann tun, um Wildunfälle zu vermeiden?

Brockmann:Wir sehen vor allen Dingen, dass nachts und in der Dämmerung die meisten Wildunfälle passieren. Das ist tatsächlich auch zu Tageszeiten, wo wenig Verkehr ist, also zwischen 22 und 0 Uhr beispielsweise und zwischen vier und 6 Uhr. Und dann ist das Tier ja oft auch verdeckt durch Büsche am Fahrbahnrand und so weiter. Wenn jetzt die Fahrzeuge Infrarotsensoren hätten, alles nicht so wahnsinnig teuer, statt normaler Radarsensoren, dann würde das Fahrzeug eben auch ein Wildtier hinter einem Busch entdecken und im Zweifel in Kombination mit dem Notbremsassistenten diesen Unfall verhindern. Das wäre auf mittlere Sicht natürlich die perfekte Lösung. Zwischenschritte sind tatsächlich, dass wir solche Gräben nicht bauen, dass wir idealerweise keine Bäume am Straßenrand haben und dass wir freie Sicht haben. Je mehr Büsche am Straßenrand; umso größer die Wahrscheinlichkeit; dass ein Wildtier tatsächlich aus dem Nichts auf der Fahrbahn steht.

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