Etwas mehr als drei Jahre ist es her, dass Großbritannien den Brexit vollzogen hat und nicht mehr Teil der EU ist. Wie sich das auf Unternehmen ausgewirkt hat, berichtet im SWR Ulrich Hoppe, Geschäftsführer der deutsch-britischen Industrie- und Handelskammer in London.
Nicht nur Reisen nach England, Wales, Schottland und Nordirland sind für EU-Bürgerinnen und -Bürger schwieriger geworden - auch die deutsche Wirtschaft musste sich auf einige Änderungen etwa bei den Zollformalitäten einstellen. Bevor die Briten aus der EU austraten, hat das Münchner ifo-Institut prognostiziert, dass all das für die Wirtschaft in der EU und insbesondere für die deutsche Wirtschaft langfristig verkraftbar sein wird - trotz der ungünstigen Bedingungen.
"Man kann das nicht so sehr auf Branchen runterbrechen," sagt Ulrich Hoppe, Geschäftsführer der deutsch-britischen Industrie- und Handelskammer in London. Es gehe bei den Brexit-Auswirkungen vor allem um die Art der Firmen - besonders betroffen seien Unternehmen, die in internationalen Produktions- und Wertschöpfungsketten arbeiteten.
Eine Gefahr sieht Hoppe darin, dass Großbritannien an Produkte andere Anforderungen stellen könnte als die EU; "Wenn Unternehmen für unterschiedliche Märkte unterschiedlich produzieren müssen, dann wird alles noch viel teurer. Bisher habe es in Großbritannien eine solche Entwicklung zwar nicht gegeben, aber: "Man weiß nicht, wie sich das mittelfristig entwickeln wird."
"Entscheidung der Briten, wie nah sie sich an Europa orientieren wollen"
Für die Europäische Union sind nach Einschätzung Hoppes die Einflussmöglichkeiten für eine solche Entwicklung begrenzt. Es sei letztlich eine britische Entscheidung, wie nah man sich an Europa orientieren wolle. Aber: Die EU könne zumindest schrittweise helfen. "Natürlich ist auch das Nordirland-Protokoll noch ein Riesen-Streitpunkt."
Diese Debatte habe die politischen Fronten verhärtet. "Es ist an der Seite des Königreichs, damit das Thema vom Tisch kommt." Die EU habe bereits viel Bewegung gezeigt.
"Britische Volkswirtschaft wächst genauso gut oder schlecht wie die deutsche"
Einschätzungen des britischen Politologen Anthony Glees, die britische Wirtschaft steuere in "Richtung Dritte-Welt-Wirtschaft", will Hoppe nicht teilen. Die britische Volkswirtschaft sei früher dynamischer gewesen als diejenige anderer EU-Staaten. Inzwischen habe sie dieselbe Entwicklung angenommen wie in Deutschland oder Frankreich. "Das Land ist also nicht untergegangen. Es hat nur Potential verloren, das es sonst hätte haben können." Von einem "Dritte-Welt-Zustand" könne keine Rede sein.
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Seit 1981 lebt der Kulturwissenschaftler und Autor Rüdiger Görner in London. Seit 2004 lehrt er als Gründungsdirektor des Centre for Anglo-German Cultural Relations am Queen Mary College Literatur. In den letzten Jahren befasst er sich gezwungenermaßen immer wieder mit dem Brexit.