SWR: Herr Gött, was ist bei Ihnen konkret passiert?
Daniel Gött: An einem Dienstagabend hat jemand plötzlich vor meinem Privathaus gesungen. Ich hatte alle Rollläden bereits geschlossen und konnte daher nicht sehen, wie viele Leute das waren und bin auch nicht vor das Haus gegangen. Es wurden zwei Lieder gesungen, unter anderem "Die Gedanken sind frei".
Und wussten Sie, wer da vor Ihrer Tür steht?
Ich wusste, dass das solche Corona-Kritiker sind, die normalerweise montags in vielen Städten protestieren. Bei uns war es dann an einem Dienstagabend. Vermutlich hatten die Protestierenden am Montag in einer anderen Stadt oder anderen Gemeinde bereits protestiert. Ich weiß nicht von allen, die dabei gewesen sind. Aber ich weiß von einigen, die dabei waren und sich schon zuvor kritisch geäußert hatten. Das war jetzt einmalig und erst vor zwei Wochen. Am Dienstag darauf war noch mal eine kleine Versammlung von Kritikern im Ort. Da war allerdings aufgrund des Vorfalls von vor zwei Wochen die Polizei und das hat sich dann relativ schnell zerstreut.
Sie haben das Ganze öffentlich gemacht. Haben Sie noch andere Dinge unternommen und versucht, Kontakt aufzunehmen?
Ich habe zu zwei Leuten per E-Mail Kontakt aufgenommen, von denen ich vermutet hatte, dass sie dabei waren. Ich habe zum einen geschildert, wie das normalerweise geregelt ist, also dass man eine Versammlung anmelden muss. Dann bekommt man bestimmte Auflagen, die man einzuhalten hat. Und zum zweiten, dass ich es nicht möchte, dass man vor meinem Privathaus protestiert. Stattdessen hat man das vor dem Rathaus zu machen, denn die Proteste sind schließlich - hoffentlich - nicht gegen mich als Privatperson gerichtet, sondern gegen mein Amt oder meine Funktion als Bürgermeister.
Haben Sie eine Reaktion bekommen?
Ich habe nur mitbekommen, dass es in der Gruppe weitergeleitet wurde.
Warum, glauben Sie, verstehen manche Menschen nicht, dass sie da eine Grenze überschreiten?
Ich glaube, dass es vor allem auch durch Gruppendynamik dazu kommt. Zwei, drei Leute wollen diese Grenze überschreiten und ziehen dann die Gruppe mit, der das in dem Moment gar nicht bewusst ist.
Was würden Sie sich denn erhoffen? Was würden Sie denn gerne mit diesen Menschen besprechen?
Ich glaube, zu besprechen gibt es da nicht viel, weil die Meinungen bei diesem Thema so weit auseinander gehen. Wenn sie möchten, nehme ich mir Zeit, um mir die Sorgen und Nöte mal anzuhören. Aber in eine Diskussion würde ich da nicht einsteigen. Im Moment ist die Sache so verfahren, dass man in einer Diskussion wenig erreicht.
Auch Gegner der Corona-Maßnahmen haben unterschiedliche Motive. Kennen Sie denn die Motive dieser Menschen, die sich bei Ihnen vor dem Haus versammelt haben?
Ich glaube auch, dass die Motive sehr, sehr unterschiedlich sind und ich bin auch grundsätzlich nicht dagegen, dass sie protestieren. Denn es gibt sehr viel Kritik, die berechtigt ist: an verschiedensten Corona-Maßnahmen und der Sinnhaftigkeit dieser Maßnahmen. Aber für mich ist an dieser Aktion problematisch, dass es vor dem Privathaus passiert und diese Grenze zwischen Amt und Privatem nicht eingehalten wird.
Macht Ihnen das Angst?
In dem Moment, als es passierte, hatte ich keine Angst, und auch jetzt nicht, weil ich Leute hier vor Ort kenne. Ich glaube nicht, dass es da zu Gewaltausbrüchen kommen wird. Aber trotzdem möchten weder ich als Privatperson noch meine Familie da hineingezogen und in dieser Art und Weise belästigt werden.
Haben Sie das Gefühl, dass Sie gerade durch die Polizei gut geschützt sind?
Ich habe das Gefühl, dass ich ganz gut geschützt werde. Wenn alles so bleibt wie jetzt, befürchte ich nicht, dass es in Gewalttätigkeit ausartet. Natürlich könnte es noch mal anders werden, wenn tatsächlich eine Impfpflicht kommt - dass die Proteste dann massiver werden und dann vielleicht auch Gewaltausbrüche denkbar sind.