Brauereien und Kneipen in der Krise: Die Deutschen trinken immer weniger Bier

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Von Autor/in Ulrike Alex

88 Liter Bier trinken wir Deutsche jedes Jahr, zumindest laut Statistik. Das klingt noch nach viel - es wird aber von Jahr zu Jahr weniger. Seit 1993 ist der Bierabsatz in Deutschland um mehr als ein Viertel zurückgegangen. Auch am „Tag des Bieres“ machen sich die Produzenten Gedanken. SWR-Aktuell-Moderatorin Ulrike Alex hat mit dem Braumeister Wolfgang Scheidtweiler gesprochen. Er führt unter anderem die Brauereien Franz und Palmbräu, und auch das Brauhaus Pforzheim sowie Hatz-Moninger in Karlsruhe.

SWR Aktuell: Vor 30 Jahren hätten die Menschen bei einer Umfrage zum Tag des Bieres kurz aufgelacht und erklärt, „jeder Tag ist Tag des Bieres.“ Was ist passiert?

Wolfgang Scheidtweiler: Ja, was ist passiert? In den guten Zeiten hat jeder Bundesbürger von Säugling bis zum Senior oder Seniorin 145 Liter getrunken. Da ist viel passiert. Das hängt mit vielen Faktoren zusammen. Ganz kurz: Es ist einerseits die Gesundheitswelle, man darf, wenn man Auto, fährt, keinen Alkohol mehr trinken. Viele Menschen, die aus anderen Kulturkreisen kommen, haben keine Beziehung zum Alkohol oder der Alkohol ist religiös bedingt ein No-Go. Das sind die wesentlichen Gründe. Und die Vielfalt von Getränken ist riesengroß geworden, das geht zulasten von Bier. Aber es ist so, der Bierkonsum geht zurück, und das wird auch in den nächsten Jahren so sein.

SWR Aktuell: Hängen denn das Kneipensterben und der rückläufige Bierkonsum zusammen?

Scheidtweiler:Ja, natürlich. Bis vor 40, 50 Jahren wurden mindestens 50 Prozent des Bierumsatzes über den Tresen, über den Zapfhahn gemacht, und heute ist es zurückgegangen - ich kenne die Zahlen nicht genau - aber sicherlich unter 20 Prozent. Vor allem müssen Sie sich vorstellen, wenn Sie zu der Kneipe hinfahren müssen, dürfen sie heute nicht mehr als ein „Nulldreier“ Bier trinken, denn sonst sind sie in der Gefahr, wenn es einen Unfall gibt, schon alkoholbedingt herangezogen zu werden.

SWR Aktuell: Stichwort alkoholfreies Bier. Die Anfänge waren mühsam und das Ganze war eigentlich nur extrem gekühlt trinkbar. Jetzt gibt's richtig gute, würzige Biere ohne Alkohol. Was hat denn da beim Brauen den Quantensprung ausgemacht?

Scheidtweiler:Beim Brauen gibt es zwei Methoden. Entweder die Würze, aus der später Bier wird, nur angären zu lassen. Und es gab dann eigentlich so einen Geschmack, der war nicht so prickelnd und hatte mit Bier relativ wenig zu tun. Heute gibt es mehrere technologische Verfahren, entweder den Alkohol abzudestillieren oder aber über Dialyse zu entfernen. Da gibt es heute sehr gute Verfahren, die auch die Biere gut werden lassen. Aber vor allem haben vor 30, 40 Jahren nur so Eingefleischte alkoholfreies Bier getrunken. Und die wurden auch eher belächelt. Aber das ist heute nicht mehr so. Heute trinkt man durchaus, statt einer Limonade lieber ein Alkoholfreies. Und vor allem ist ein Renner das alkoholfreie Weizen. Denn das hat die Aromen des Weizenbieres. Das ist schon ein leckeres Bier.

SWR Aktuell: Kann denn dann das alkoholfreie Bier die Lücke füllen, die der rückgängige Bierkonsum hinterlässt?

Scheidtweiler: Nein, das kann es sicher nicht. Aber wir müssen einfach schauen, was der Verbraucher will.

SWR Aktuell: Bier ist ja nicht irgendein Getränk, sondern deutsches Kulturgut inklusive Reinheitsgebot. In Köln wird Kölsch aus winzigen Gläsern getrunken, in Düsseldorf gibt es Altbierbowle, und den Bayern wird die Maß gestemmt. Geht da gerade auch was verloren?

Scheidtweiler:Ich hoffe nicht, natürlich. Ich glaube es auch nicht. Der Verbraucher wird sicherlich zukünftig einfach ein bisschen weniger trinken. Es wird das deutsche Kulturgut schlechthin bleiben. Vor allem sind wir so stolz darauf, dass wir seit über 500 Jahren ein sensationelles „Lebensgenussmittel“ machen und das ohne chemischen Zusatz, ohne alles.

SWR Aktuell: Der Bier-Export nimmt aber auch stetig ab, auch wenn es keine völligen Einbrüche gibt. Wird denn die Deutsche Braukunst, die sie jetzt hier so hochhalten, im Ausland nicht mehr so geschätzt? Oder liegt es daran, dass alles in riesigen Konzernen wie Interbrew aufgeht?

Scheidtweiler: Ja, natürlich haben diese Interbrew-Leute und die großen internationalen Konzerne sehr viel Geld, um Marketing zu machen. Und es hängt damit zusammen, hier im näheren Ausland. Wenn ich auf Italien sehe: Das war früher ein Riesenmarkt. Inzwischen gibt es in Italien auch eine Menge Hausbrauereien oder Mittelständler, die ein sehr ordentliches Bier auch „reinheitsgebot-like“ brauen. Aber wenn ich höre, dass große deutsche Brau-Unternehmen in 50, 60 Länder liefern …  dann ist das so schlecht nicht.

SWR Aktuell: Wo sehen Sie denn die Zukunft des deutschen Biers?

Scheidtweiler:Ich sehe sie für uns Mittelständler auch darin, die Biere handwerklich weiter ordentlich zu brauen. Und vor allem, das ist ja das Tolle, wir brauen zum Beispiel in unserer Familiengruppe jeden Monat ein besonderes Bier. Das sind aber keine Biere, die ich jetzt maßkrugweise trinke, sondern die muss ich genießen, wie ich einen guten Wein genieße. Und wir haben eine Riesen-Fangemeinde, die die Biere großartig findet und gespannt ist: Was kommt jetzt als Nächstes?