Gesundheitstrend Barfußschuhe: Warum ein ehemaliger Leichtathlet den Werbe-Botschaften widerspricht

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Arne Wiechern

Barfußschuhe haben in den letzten Jahren den Mode- und Fitnessmarkt erobert. In der Werbung werden die gesundheitlichen Vorteile angepriesen, wie eine kräftigere Fußmuskulatur und eine bessere Durchblutung.

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SWR Aktuell-Moderator Arne Wiechern hat über Barfußschuhe mit Thomas Wessinghage gesprochen. Er ist ehemaliger Leichtathlet, Orthopäde und Präventionsmediziner.

SWR Aktuell: Hersteller von Barfußschuhen werben damit, dass diese Schuhe die Fußmuskeln trainieren sowie die Durchblutung, die Bänder und die Sehnen stärken. Stimmt das?

Thomas Wessinghage: Nicht die Schuhe kräftigen unsere Fußmuskulatur und verbessern die Durchblutung, sondern es ist die Tatsache, dass wir die klassischen Lederschuhe ausziehen und barfuß auf geeignetem Untergrund einhergehen. Die Barfußschuhe ermöglichen es uns, ohne die Sorge zu gehen, dass wir vielleicht auf Glasscherben treten, dass wir uns verletzen. Sie sind sozusagen ein Schutz, wie es auch Handschuhe sein können. Aber sie sind keine Hilfe, um eine Muskulatur zu verbessern oder das Fußgewölbe zu stärken.

SWR Aktuell: Sind Barfußschuhe für jeden Fußmarsch geeignet? Also Vom Stadtspaziergang bis zur Zehn-Kilometer-Wanderung?

Wessinghage: Die erste Entscheidung ist nicht, ob der Schuh geeignet ist, sondern ob der Mensch geeignet ist. Und wenn dieser Mensch, sagen wir mal stark übergewichtig ist und bisher niemals ohne sehr stabile Schuhe gegangen ist, dann sollte er sich gut überlegen, ob er gleich zehn Kilometer mit oder ohne Barfußschuhe gehen möchte. Dann sollte er vorsichtig beginnen. Und dann kann man sich das langsam angewöhnen. Selbstverständlich kann man dann mit solchen Schuhen auch längere Strecken zurücklegen.

SWR Aktuell: Gibt es Menschen, die Barfußschuhe besser gar nicht tragen sollten? Zum Beispiel weil sie medizinische Probleme haben?

Wessinghage: Durchaus. Das ist ja so wie immer. Man kann sich Dinge leisten, wenn man sie beherrscht und wenn man sie nicht beherrscht, sollte man vorsichtig sein. Dann kommt vielleicht der Mediziner und sagt: Mit Deinem Fußgewölbe sehe ich schwarz. Aber möglicherweise empfiehlt er eine Fußgymnastik, die die Voraussetzung dafür schafft, dass man nach einer gewissen Zeit des Trainings das Barfußgehen praktizieren kann.

Barfuß gehen ist ein gutes Training für unsere Muskulatur, es verbessert die Durchblutung und sorgt vielleicht dafür, dass man im zunehmenden Alter keine Beschwerden an den Füßen, Achillessehnen oder Unterschenkelmuskeln bekommt. Es ist also durchaus dazu zu raten, aber wie alles: Man sollte vorsichtig anfangen, es langsam steigern und dann gegebenenfalls auch mal einen Barfußschuh für eine längere Strecke verwenden.

SWR Aktuell: Viele Läuferinnen und Läufer schwören auf Barfußschuhe und sagen, sie würden damit angeblich schneller sein. Ist das nur ein Gerücht oder stimmt das?

Wessinghage: Das ist durchaus richtig. Es kommt nur darauf an, wovon wir sprechen. Ich war früher Bahnläufer und alle Läufer, die im Stadion unterwegs sind, praktizieren den sogenannten Vorfußlaufstil. Das heißt: wir setzen mit dem Vorfuß etwa in Höhe des kleinen Zehengrundgelenks auf, federn leicht durch - außer bei den Sprintern, die haben dafür keine Zeit, bei denen berührt die Ferse nicht den Boden - und drücken dann wieder ab. Und das machen alle zwischen 400 und 10.000 Meter.

Dieser Laufstil wird unterstützt durch Rennschuhe, die Spikes, die vorne kleine Nägel haben, und damit hat man einen sehr festen Abdruck. Das sind quasi Barfußschuhe, denn der Bewegungsablauf beim Barfußlaufen ist der gleiche wie der, den ich gerade geschrieben habe.

Insofern ist die Unterstützung durch die Barfußschuhe eine Hilfe. Denn das Barfußlaufen besteht ja nicht nur darin, dass unsere Muskulatur diese Belastung verkraften muss, sondern auch die Haut. Sie leidet zum Beispiel, wenn wir ungewohnterweise am Strand längere Spaziergänge machen. Die Haut zwischen den Zehen ist weich und nicht trainiert. Dann kann es zu kleinen Blasen kommen. Davor bewahren uns die Barfußschuhe.

SWR Aktuell: Es gibt bei Barfußschuhen unterschiedliche Preisklassen. Ist teuer gleich besser oder sagt der Preis nicht so viel über die Qualität aus?

Wessinghage: Aus meiner Sicht sagt der Preis nicht so viel darüber aus. Es kann durchaus sein, dass teurere Schuhe bessere und haltbare Materialien verwenden. Aber für mich wäre es wichtig, dass mir dieser Barfußschuh passt - dass also seine Form der meines Fußes entspricht. Das bedeutet: die Ferse wird eng umschlungen und vorne im Vorfußbereich habe ich genug Platz. Ob dann jede Zehe ihr eigenes Fach hat oder ob die Zehen zusammen in einem größeren Vorfußbereich ihren Platz finden, das ist eigentlich egal.

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Arne Wiechern