Deutschlands digitale Aufholjagd

Bitkom-Präsident freut sich über neues Digitalministerium

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Von Autor/in Jan Frédéric Willems

Deutschland und Digitalisierung – ein schwieriges Thema. Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst hat trotzdem Hoffnung, dass wir es in die EU-Digital-Top 3 schaffen. Wie aber kann das klappen?

Es ist eine aufregende Woche gewesen in Sachen Digitales: In der Hauptstadt hat die Digitalkonferenz re:publica stattgefunden. Der neue Bundesminister für Digitales und Staatsmodernisierung, Karsten Wildberger, hat erste Akzente gesetzt und die Regierung denkt über eine neue Digitalabgabe für die großen Tech -Unternehmen nach.

Branchenverband Bitkom ist happy über Digitalministerium


Dass Deutschland ein eigenes Bundesministerium für Digitalisierung und Staatsmodernisierung bekommt, wurde auch Zeit, findet der Präsident des Verbands der Digitalwirtschaft Bitkom, Ralf Wintergerst. Im ARD Interview der Woche setzt er große Hoffnung in den neuen Digitalminister: Wintergerst hält es für "gut möglich", dass Deutschland es am Ende dieser Legislaturperiode in die Digitalisierungs-Top 3 der EU schafft. "Die Regierung hat schon mal einen guten Start hingelegt", sagt Wintergerst. Sie habe ein gut ausgestattetes Digitalministerium und erste Maßnahmen auf den Weg gebracht. "Wir werden die digitale Infrastruktur Deutschlands ausbauen. Auch die Unternehmen werden wieder Vertrauen gewinnen und mehr investieren. Und wenn das in Kombination passiert und wir einen dritten Punkt hinkriegen, dass wir Deutschland insgesamt digital affiner machen, dann sind wir wieder auf der Gewinnerstraße", hofft der Bitkom-Präsident.

Deutschland hat die Technologie-Begeisterung verloren

Allerdings ist dafür noch eine ganze Menge Arbeit nötig. Problem 1: Deutschland fehlt der Digital-Mindset: "Wir haben als Land ein wenig die Technologiebegeisterung verloren", klagt Wintergerst. Das liegt ihm zufolge auch an der digitalen Unerfahrenheit und mangelnder Bildung. Wintergersts Forderung: "Die digitale Bildung muss schon früh in der Schule beginnen. Beispielsweise mit IT als Pflichtfach."

Das ist aber nicht nur ein Problem der Bürgerinnen und Bürger, des Staates oder der Politik. Auch die Unternehmen müssten sich mehr um die eigene Zukunft bemühen. „Als Bitkom -Präsident schimpfe ich tatsächlich auch mit den Unternehmen, sie müssten mehr investieren." Die Krise der deutschen Wirtschaft sei auch eine Krise der zögerlichen Digitalisierung, sagt Wintergerst. Um den Zug ins Rollen zu bringen, schlägt der Bitkom-Präsident eine Reihe von Maßnahmen vor:

  • Die digitale Infrastruktur in Deutschland – zum Beispiel 5G-Mobilfunk und Glasfaserkabel – muss ausgebaut werden
  • Unternehmen müssen von zeit- und geldzehrender Bürokratie befreit werden
  • Bürgerinnen und Bürger müssen eine "digitale Identität" bekommen – Grundstein dafür, dass alle Behördengänge eines Tages auch online gemacht werden können

Es braucht keinen europäischen Elon Musk

Bei aller Liebe für Deregulierung: Komplett entfesselte Tech-Unternehmer wie Elon Musk oder Mark Zuckerberg braucht es laut Wintergerst nicht in Europa. Statt einiger weniger Riesen-Unternehmen wünscht der Bitkom-Präsident sich lieber viele, stabile Unternehmen der Mitte: "Europa braucht keinen Elon Musk. Europa bräuchte eher einen neuen digitalen Mittelstand. Deutschland würde es gut tun, wenn wir 1.000 Unternehmen hätten, die 100 Millionen Euro Umsatz machen im Digitalbereich." Ob Deutschland sich tatsächlich in diese Richtung bewegt, werden die nächsten Monate und Jahre zeigen. Die Weichen dafür wurden jedenfalls gestellt, sagt Bitkom-Präsident Ralf Wintergerst.

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Jan Frédéric Willems