Interview mit VdK-Präsidentin

Bentele: Ohne Sozialstaat kann Wirtschaft nicht funktionieren

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Von Autor/in Jim-Bob Nickschas ARD-Hauptstadtkorrespondent

BlackRock-Manager, Privatjet-Flieger, Unsympath – CDU-Chef Friedrich Merz wird oft ein bestimmtes Image angehängt. Wird er sich als Bundeskanzler auch für die Schwächeren in der Gesellschaft einsetzen? Die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele, hat dazu im ARD Interview der Woche eine klare Erwartungshaltung: "Ich werde Friedrich Merz als VdK-Präsidentin und auch ganz persönlich daran messen, was in seiner Kanzlerschaft Priorität hat. Da hat der Koalitionsvertrag sehr viel Spielraum: Das kann positiv sein, aber auch negativ."


Positiv sieht Bentele u.a., dass Union und die SPD das Rentenniveau stabil halten und die Mütterrente angleichen wollen. "Das ist eine Sache, für die sich der VdK sehr lange eingesetzt hat." Auch dass die geplante Reform des Krankenhaussystems aus dem Sondervermögen für Infrastruktur bezahlt werden soll, begrüßt der Verband. "Das sind 25 Milliarden Euro, die nicht von den gesetzlich Versicherten genommen werden."


Bentele: "Da muss mehr kommen von der Regierung"


An einigen Stellen aber hat der Koalitionsvertrag Bentele enttäuscht, zum Beispiel beim Thema Barrierefreiheit. "Dass Dienstleistungen, Produkte, Gebäude barrierefrei sind und für Menschen mit Behinderungen die Teilhabe erleichtern, da sehen wir als Verpflichtung gar nichts im Koalitionsvertrag." Kritisch sieht Bentele auch, dass viele Vorhaben von Union und SPD unter dem Vorbehalt stehen, dass genügend Geld im Haushalt vorhanden ist. "In der Besteuerung von großen Vermögen, sehr großen Erbschaften und Schenkungen wäre viel Spielraum für Einnahmemöglichkeiten gewesen", findet die VdK-Präsidentin. "Da muss noch ein bisschen mehr kommen von der Regierung".


Erwartungen an Koalition: Weniger Verdruss, mehr Frauen


Hohe Erwartungen an die neue Koalition hat Bentele auch in anderer Hinsicht: "Ein ganz wesentliches Ziel dieser Regierung sollte sein, den Politikverdruss vieler Menschen zu minimieren, sie zurückzuholen auf den Boden demokratischer Systeme und Parteien. Und (...) ihre Ängste nicht zu vergrößern und damit populistischen und rechtsextremistischen Parteien Zulauf zu geben."


Für Bentele sollten außerdem Frauen im künftigen Kabinett deutlich sichtbar sein: "Wir sind nun mal über die Hälfte Frauen in Deutschland und haben auch Repräsentation verdient." Aber: "Natürlich sollen das auch Frauen sein, die dafür geeignet sind. Das spricht für mich dafür, dass man sich in Parteien viel Mühe dafür geben muss, Frauen zu fördern, geeignete Frauen zu finden und sie zu ermutigen, im politischen System Fuß zu fassen."


Bentele: Wirtschaft und Sozialstaat gehören zusammen


Bentele warnt im ARD Interview der Woche davor, Wirtschaft und Sozialstaat gegeneinander auszuspielen. "Wenn wir von einigen immer vorgebetet bekommen, dass der Sozialstaat zu teuer ist und die Wirtschaft jetzt Unterstützung braucht, finde ich (...) diese Gedanken sehr verwegen. Die Wirtschaft ohne einen guten Sozialstaat, der Menschen qualifiziert, der sie bildet, für ihre Rehabilitation sorgt, wird nicht funktionieren."

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Jim-Bob Nickschas ARD-Hauptstadtkorrespondent