Der Wahlkampf war kurz und heftig, die Koalitionsverhandlungen sind abgeschlossen, die neue Regierung ist noch nicht im Amt. Solche Zeiten des Übergangs sind für Lobbyisten besonders wichtig: Sie versuchen, ihre Interessen durchzusetzen, solange die politischen Karten neu gemischt werden.
Besonders die neu gewählten Abgeordneten bekommen jetzt viele Kontaktanfragen. Sie werden geradezu überschüttet mit Einladungen, Positionspapieren, Stellungnahmen. Das offizielle Lobbyregister des Deutschen Bundestages hat jüngst beeindruckende Zahlen veröffentlicht: Über 33.000 Interessenvertreter sind in Berlin offiziell registriert, sie geben jedes Jahr mehr als 900 Millionen Euro für ihre Zwecke aus. Was geschieht mit dem vielen Geld? Wie groß ist der Einfluss der vielen Lobbyverbände auf die Politik in Deutschland? Der Verein Lobby Control setzt sich ein für mehr Transparenz.
Wer entscheidet über das meiste Geld?
33.000 Einflüsterer für 630 Abgeordnete – rein rechnerisch also 52 Interessenvertreter pro Politiker. Doch eine entscheidende Frage ist im Regierungsviertel noch offen: Wer bekommt einen Sitz in den wichtigsten Ausschüssen, in den über das meiste Geld entschieden wird? Persönliche Kontakte in den Verteidigungsausschuss sind in diesen Zeiten unbezahlbar. Bei Lobbyisten auch begehrt: der Gesundheitsausschuss und natürlich der Haushaltsausschuss. Denn in den Ausschüssen werden die politischen Weichen gestellt. Der Wettlauf um die besten Argumente wird mit einer Flut von Studien und Stellungnahmen bestritten.
Die Methoden der Lobbyisten
Mit welchen Methoden arbeiten die Lobbygruppen in Berlin? Was sind die einflussreichsten Verbände, Thinktanks und Beratungsfirmen? Der Verein Lobby Control bietet lobbykritische Stadtführungen im Regierungsviertel an. Viel mehr als Klingelschilder bekommt man nicht zu sehen. Und dazu die Einordnung. Welches wichtige Gesetz wurde hier bekämpft oder durchgesetzt? Manch ein ehemaliger Abgeordneter wechselt die Seite, versilbert sein Adressbuch, verdient als Lobbyist deutlich mehr Geld als ein Politiker. Wo ist die Grenze zur Korruption? Fließend.

Die Arbeit von Lobby Control
Das offizielle Lobbyregister macht es leichter, die Arbeit der vielen Verbände in Berlin einzuordnen. Ein wichtiger Schritt. Doch Lobby Control will mehr: Das Informationsfreiheitsgesetz sollte zu einem Transparenzgesetz erweitert werden, Parteispenden durch einen Spendendeckel begrenzt werden. Für Lobby Control ist die Entwicklung in den USA das abschreckende Beispiel. Der Verein fordert die Politik deshalb auf, Internationale Digitalkonzerne stärker zu reglementieren.
Die Forderungen von Lobby Control
Google, Apple, Amazon & Co, die so genannten Big Tech Konzerne mit Sitz in den USA, seien inzwischen zu politischen Akteuren geworden. LobbyControl Sprecher Timo Lange bezeichnet diese Machtkonzentration als besorgniserregend, weil die US-Digitalkonzerne große Teile unseres Lebens prägen und massenhaft private Daten sammeln. Lange fordert, die deutsche und europäische Politik müsse sich dem Druck aus den USA widersetzen, auch wenn sich die Trump Administration gemeinsam mit Elon Musk gegen neue Digitalsteuern wehren.
Lobby Control setzt sich auch für eine Verschärfung der Parteienfinanzierung ein. Der so genannte Spendendeckel, also die maximale Begrenzung der Höhe von legalen Parteispenden, sei in anderen europäischen Ländern längst üblich, in Deutschland noch nicht. Auch hier zeige das Beispiel USA, wohin es führen könne, wenn man sich mit Geld einen Platz an der Regierung kaufen könne. Das Beispiel Elon Musk belege, dass eine strikte Parteienfinanzierung wichtig sei, um die Demokratie zu schützen.
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