Helfen die Mega-Schulden der Wirtschaft? Das hängt von der Reformbereitschaft der Politik ab. Ifo-Präsident Fuest fürchtet: Das viele Geld kann die Politik auch lähmen.
Mit großen Erwartungen, aber auch etwas Skepsis blickt Clemens Fuest, der Präsident des Münchner-Ifo-Instituts, gerade zu den Koalitionsverhandlungen in Berlin. Zusammen mit anderen Ökonomen hat Fuest wenige Tage nach der Bundestagswahl ein Papier mit Vorschlägen zu einer milliardenschweren Verschuldung verfasst – verbunden mit der klaren Erwartung, dass damit auch Reformen verbunden werden.
Nun ist in einem ersten Schritt zwar ein gigantisches Schuldenpaket für Sicherheit und Infrastruktur beschlossen worden, aber Reformen lassen auf sich warten: "Das was bislang auf dem Tisch liegt, ist eindeutig unzureichend", sagt Fuest im ARD Interview der Woche. Der Ökonom bezieht sich auf die bislang bekannten Ergebnisse der schwarz-roten Koalitionsgespräche.
Deutschland brauche dringend Reformen, die zu mehr Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft führten. Außerdem müsse die Politik Ausgaben kürzen: Weder Rüstung noch Infrastruktur könnten dauerhaft mit Schulden finanziert werden. Die Gefahr, dass sich die Politik nun aber zurücklehne, sei durchaus groß: "Es ist erfahrungsgemäß sehr schwierig, wenn finanzielle Mittel da sind, trotzdem Einsparungen durchzuführen."

Fuest: Für Schulden muss man nicht besonders kompetent sein
Der Münchner Ökonom sieht die aktuelle Regierungsbildung daher als Test, ob die Politik bereit sei, auch unangenehme Entscheidungen zu treffen: "Schulden machen ist leicht, da muss man nicht besonders kompetent sein", sagt Fuest – und ergänzt: "Kompetente Politikerinnen und Politiker sind gefragt, wenn es um das Austragen von Verteilungskonflikten geht."
Das Schuldenpaket – ein Schub für die Wirtschaft?
Im Unterschied zu anderen Ökonomen wie DIW-Präsident Marcel Fratzscher, der das Schuldenpaket einen "Gamechanger" für die Wirtschaft nennt, bleibt Fuest zurückhaltend. Die zusätzliche Verschuldung könne die Konjunktur anregen, berge aber auch Risiken: "Wenn man es schlecht organisiert, dann wird sie eher zu Inflation und zu steigenden Zinsen führen und vielleicht nur einen Strohfeuereffekt haben." Den jüngsten Anstieg des Ifo-Geschäftsklimaindex würde er daher nicht überbewerten.
Für einen Aufschwung brauche es mehr, betont der Ökonom. Zum Beispiel vereinfachte Planungs- und Genehmigungsverfahren, damit die zusätzlichen Schulden sinnvoll und zügig eingesetzt werden können: "Wir haben heute so lange Verfahren und so viele Widerspruchsrechte, dass Infrastrukturprojekte viele Jahre, manchmal sogar Jahrzehnte dauern."
Geld allein baut noch keine Straßen
Dazu kommt: Ohne ausreichend Arbeitskräfte nützen auch die zusätzlichen Finanzen nicht viel. Fuest nennt als Beispiel den Tiefbau, der bereits heute mit Straßen- und Schienenprojekten gut ausgelastet ist. Die Unternehmen müssten zusätzliche Kapazitäten aufbauen, durch neue Mitarbeiter und neue Maschinen. Dafür aber bräuchten sie Planungssicherheit von Seiten der Politik.
Trotz aller Bedenken steht Fuest weiter zum gemeinsamen Ökonomen-Vorschlag für mehr Schulden, auch wenn gerade er dafür viel Kritik einstecken musste. Angesichts einer erheblichen geopolitischen Bedrohung sei es in der aktuellen Lage wichtig, "dass Deutschland finanzielle Möglichkeiten hat, sehr schnell aufzurüsten." Das 500 Milliarden schwere Sondervermögen für Infrastruktur habe er zwar für weniger dringlich gehalten. Aber es sei eben üblich, dass Ökonomen, die gemeinsame Vorschläge machen, dabei zu Kompromissen kommen. Die weiteren Beteiligten, die Ökonomen Michael Hüther, Moritz Schularick und Jens Südekum hatten schon früher für ein kreditfinanziertes Infrastruktur-Paket geworben. Wenn Ökonomen einen gemeinsamen Vorschlag vorlegen, habe das mehr Gewicht in Öffentlichkeit und Politik, so Fuest.
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