Sondierungen Union-SPD

Mützenich von Merz‘ Kehrtwende bei Schulden "irritiert"

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Von Autor/in Anna Engelke

Gut fünfeinhalb Jahre war Rolf Mützenich Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion. Jetzt hat er seinen Platz geräumt für SPD-Chef Lars Klingbeil. Wie er von außen auf die Sondierungen schaut und warum er sich von CDU-Chef Friedrich Merz irritiert fühlt, erzählt er im ARD Interview der Woche.

Von der Fraktionsspitze ins Praktikantenbüro: der SPD-Politiker Rolf Mützenich hat nach fünfeinhalb Jahren den Job als Chef der Bundestagsfraktion abgegeben an seinen Parteichef Lars Klingbeil. Deshalb hat er auch seinen bisherigen Arbeitsplatz geräumt. Auf die Sondierungsverhandlungen zwischen Union und SPD schaut er von außen – und wundert sich, wie schnell Friedrich Merz eine Kehrtwende in der Schuldenpolitik gemacht hat.

"Das irritiert mich, das verärgert mich auch"

Viele haben sich in dieser Woche gewundert, dass Unions-Kanzlerkandidat Friedrich Merz nicht nur die Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben aussetzen will, sondern auch einem milliardenschweren Sondervermögen für die Infrastruktur zugestimmt hat. Dabei hatte die Union die Ampel-Koalition jahrelang mit der Einhaltung der Schuldenbremse um jeden Preis unter Druck gesetzt. Noch im Wahlkampf hatte Merz null Spielraum gelassen. Im ARD Interview der Woche spricht Mützenich von einer "Wunde", weil er sich drei Jahre um eine Reform der Schuldenbremse für notwendige Investitionen bemüht habe. "Und dass das jetzt innerhalb von wenigen Stunden gelungen ist, obwohl es immer auf den Widerstand von Herrn Merz und der Unionsfraktion und der beiden Parteien CDU/CSU auch gestoßen ist, das irritiert mich. Das verärgert mich auch schon, weil ich eigentlich vorausschauend Herrn Merz gebeten hatte, mit uns diesen Weg schon in der letzten Legislaturperiode zu gehen. Und er hätte ihn mitgehen können."

Auf die Frage "Kann Merz Kanzler?", zögert Mützenich keine Sekunde und sagt "Ja". Gleichzeitig betont er, ein Kanzler könne nicht alles allein stemmen und müsse auch Teamplayer sein. Im ARD Interview der Woche sagt Mützenich: "Er muss in einem Kabinett, was möglicherweise dann auch die SPD umfasst, ja manches auch ausgleichen können. Und er muss sich auch in viele Details auch hineinarbeiten, ohne besserwisserisch zu sein." Am Ende Entscheidungen zu treffen, traut Mützenich Merz zu.

In die laufenden Sondierungen will Mützenich sich nicht einmischen. "Wenn ich gefragt werden würde, ob ich noch Ratschläge geben könnte, dann würde ich das tun. Aber ein unmittelbarer Akteur zu sein danach drängt es mich nicht", sagt Mützenich der ARD.

Rolf Mützenich und Anna Engelke stehen in der Halle im ARD Hauptstadtstudio nebeneinander und blicken in die Kamera
Rolf Mützenich und Anna Engelke im ARD Hauptstadtstudio

"Die alleinige Diskussion über Rüstungsausgaben macht die Welt nicht sicherer"

Die Abkehr von Präsident Donald Trump von der Ukraine-Unterstützung und von den europäischen NATO-Partnern stellt die EU vor Herausforderungen. Rolf Mützenich sucht nach Antworten – und sieht sie nicht in unbegrenzten Verteidigungsausgaben. Der SPD-Politiker hat sich immer für Abrüstung eingesetzt. Jetzt sagt er im ARD Interview der Woche: "Wir wollen verteidigungsfähig sein, wir müssen abschrecken, wir müssen uns erwehren können. Aber wir wollen ja keine Kriege führen. Das ist schon etwas anderes und das ist auch aus meiner Sicht angelegt in den Erfahrungen nach zwei durch Deutschland verschuldete Weltkriege. Und auf der anderen Seite bin ich auch letztlich der festen Überzeugung, dass wir mehr brauchen als nur die Abschreckungsfähigkeit.“ Mützenich wünscht sich die "Staatskunst" eines Helmut Schmidt zurück, der nicht allein auf militärische Stärke gesetzt habe, sondern auch auf Verhandlungen.

"Die Debatte über französische Atomwaffen ist mühselig"

Frankreichs Präsident Emanuel Macron hat angeboten, andere europäische Länder unter den atomaren Schutzschild zu holen – weil Europa sich nicht mehr verlassen könne auf den Schutz der USA. Der SPD-Politiker Mützenich ist da skeptisch. "Wenn man sich es genau anschaut, weiß man, dass es natürlich keine nukleare Teilhabe sein wird. Die französischen Atomwaffen werden am Ende immer unter der Entscheidungsgewalt eines französischen Staatspräsidenten, einer Staatspräsidentin stehen, was ja auch alles nicht ganz ausgeschlossen ist", mahnt er mit Blick auf eine mögliche rechtspopulistische nächste Präsidentin Le Pen in Frankreich. Mützenich ergänzt: "Ich finde es etwas mühselig, diese Debatte über die französischen Atomwaffen zu führen. Ich würde lieber eine Diskussion darüber führen, wie wir stärker konventionell abschreckungsfähig sind. Wir haben heute gar nicht mehr so eine starke Unterscheidung in den Militärstrategien zwischen nuklearen Fähigkeiten und konventionellen Fähigkeiten."

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Anna Engelke