Die "Querdenken 711"-Bewegung dürfte den Zenit ihrer Wirkung überschritten haben. Dafür sorgten politisch zwielichtige Vertreter und Redner mit absurden Geschichtsvergleichen. Zurück bleibt das Problem, das die Bewegung erst entstehen und wachsen ließ: Ihre Unterstützer stehen meines Erachtens keiner Partei im Bundestag nahe. Die Dunkelziffer von politisch Heimatlosen, die nicht als "Querdenker" auf die Straße gehen, dürfte viel höher sein. In diese Bresche sucht der Publizist und frühere CDU-Politiker Jürgen Todenhöfer zu springen, indem er eine eigene Partei gegründet hat.

Jürgen Todenhöfer, CDU-Mitglied seit 50 Jahren, legt den Finger in die Wunde. Linkes Denken wählt häufig nicht mehr die rot-schwarze SPD oder die rot-grünen Linken, sondern grün. Oder gar nicht. Das rechte Spektrum scheint mir noch stärker zersplittert: Wer früher Helmut Kohl oder Franz-Josef Strauß gewählt hätte, kann mit der Christdemokratin der Mitte, Angela Merkel, nicht viel anfangen. Aber mit der Partei rechts davon auch nicht. Die AfD kann oder will ihren rechtsradikalen Flügel nicht loswerden. Ihre Erbsünde. Eine neue Partei, das zeigen die Beispiele von Grünen und Linken, muss sich in der Demokratie vielfach politisch häuten, um an die Macht zu kommen – und eine andere werden.
Friedrich Merz wäre ein CDU-Kanzlerkandidat, der politisch heimatlose Rechte binden könnte. Das politische Chamäleon Markus Söder von der CSU schon weniger und Armin Laschet überhaupt nicht. Ich glaube, es ist die letzte Chance einer sogenannten etablierten Partei, das althergebrachte deutsche Parteiensystem zu retten. Es ist ein System der alten Bundesrepublik, die es nicht mehr gibt.
Wie auch immer die Personalfragen in der Union ausgehen - die Lücke zwischen dem Meinungsspektrum im Volk und dem im Parlament will geschlossen werden. Die Pandemie als Auslöser der "Querdenken 711"-Bewegung dürfte kommendes Jahr zu Ende sein. Der Konflikt zwischen Parlament und Straße nach meinem Dafürhalten nicht.