Nach dem Münzgeld-Aus in öffentlichen Telefonzellen nahm am Sonntag der nächste Service der Deutschen Post Abschied von uns, das Telegramm. Die Beerdigung fand nicht in aller Stille, sondern mit Böllerschüssen am Silvesterabend statt. Das Telegramm wurde 106 Jahre alt.

Schnellste schriftliche Nachricht seiner Zeit
Dem Telegramm ging es wie Schauspielenden, die in die Jahre kommen: Der Lack ist ab und der Ruhm liegt schon lange zurück. Das Telegramm war der Sprinter unter den schriftlichen Nachrichten, teuer und selten. Hoffentlich haben Sie nur Telegramme mit netten Botschaften bekommen ("Ich liebe Dich") - oder gar keine. Und bloß nie eines dieser Schmuckblatt-Telegramme mit Melodien ("Für Elise"!) seit den 90er-Jahren. Da nahm das Telegramm schon schlechte Rollen an.
Ruhm erlangte es - wie die Telefonzelle - in der Literatur und im Film. Gern versetzte es Empfänger in Angst und Schrecken, die darauf panisch reagierten. So nahm die Handlung wieder Fahrt auf. Zur Faszination des Telegramms gehörte auch sein Widerspruch zwischen der nachrichtlichen Bedeutung und ästhetischen Schäbigkeit. Ein Stammel-Deutsch auf schlechtem Papier, gespickt mit Übertragungsfehlern.
Mein erstes Telegramm bekam ich von Heidi, die für ihre Absage lieber Geld in die Hand nahm, statt an einer Wählscheibe eines Telefons zu drehen. Heute käme ihre Nachricht per Smartphone. Aber die könnte ich nicht auf Papier verwahren wie bis heute Heidis telegrafischen "Korb".