Auch Pfälzerwald und Schwarzwald betroffen

Uni-Studie: Landschaft im Südwesten ist voll mit Pestiziden

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Autor/in
Ulrike Brandt

Synthetische Pestizide werden in der Landwirtschaft genutzt. Doch Forscher haben die Stoffe auch weit weg von Feldern und Weinbergen gefunden.

Jetzt im Frühling sieht man sie wieder häufiger auf Feldern oder in den Weinbergen: Fahrzeuge, die Pestizide versprühen. Das wird in der Landwirtschaft meist mehrmals im Jahr gemacht und soll Unkraut oder Schädlinge fernhalten. Versprüht werden die Pestizide auf den Äckern oder im Weinberg. Aber: Dort bleiben sie nicht, sagt Carsten Brühl, Ökotoxikologe am Campus in Landau der RPTU Kaiserslautern-Landau.

"Für uns war das Überraschende, dass wir die Pestizide aus dem Oberrhein, aus den landwirtschaftlichen Flächen, auch im Pfälzerwald oder im Schwarzwald finden", sagt Brühl. "Die verbreiten sich deutlich weiter, als man so annimmt."

Verbreitung durch Regen und Staub

Doch wie können sich Pflanzenschutzmittel überhaupt so weit verbreiten? "Das hat was mit Verdunstung zu tun", erläutert Brühl. Durch diesen Vorgang stiegen Pestizide vom Acker, auf dem sie versprüht worden seien, in höhere Luftschichten auf. Dort blase sie dann der Wind weg. "Regnet es, kommen die Pestizide im Niederschlag wieder runter." Neben Regen trage auch Staub zur Verbreitung bei: Pflanzenschutzmittel hefteten sich an Staubpartikel und würden dann vom Wind weitergetragen.

Studie: Pestizide auch auf dem Feldberg

Es ist das erste Mal, dass eine ganze Region so intensiv auf Pestizide untersucht wird. Die beiden Forscher Carsten Brühl und Ken Mauser haben mit einem Team Boden- und Pflanzen-Proben genommen. Im Sommer vor drei Jahren waren sie in der gesamten Oberrheinregion unterwegs. Also zwischen Bingen bei Mainz und Basel. Die Proben haben sie nicht nur in der Nähe von Feldern, Obstplantagen oder Weinbergen geholt - sondern auch an Orten wie dem Feldberg, dem höchsten Berg in Baden-Württemberg. Außerdem haben sie mit Hilfe weiterer Daten hochgerechnet, dass Pestizide quasi in der gesamten Region zu finden sind.

Ken Mauser und Carsten Brühl von der RPTU in Landau - Pestizide auch in der Südpfalz
Ken Mauser und Carsten Brühl von der RPTU in Landau in der Südpfalz

Auf dem Feldberg haben die Forscher drei verschiedene Pestizide gefunden, im "Nationalpark Schwarzwald" vier. Für das Naturschutzgebiet "Kleine Kalmit" bei Landau in der Südpfalz haben sie ausgerechnet, dass es dort 15 verschiedene Pestizide geben könnte. Es liegt umringt von Weinbergen. "Einerseits ist das erschreckend. Andererseits weiß man, dass Pestizide sehr weit wandern", sagt Ken Mauser. Da sei es auch klar gewesen, dass die sogar den Feldberg erreichen.

Pestizide wirken auf die ganze Umwelt ein

In der groß angelegten Studie hat das Forschungsteam am Landauer Campus der RPTU ganz konkret nach synthetischen, also künstlich hergestellten Pestiziden gesucht.

Dass sich diese Pestizide quasi überall in der Oberrheinregion finden lassen, alarmiert die Forscher um Ökotoxikologe Carsten Brühl. "Pestizide beeinflussen zum Beispiel die DNA, Zellmembrane, die Nervenleitung oder die Photosynthese. Das betrifft dann aber nicht nur die Blattlaus, die weg soll, sondern auch den Regenwurm, die Biene oder auch die Menschen, die in dieser Umwelt leben und mit Pestiziden in Kontakt kommen."

Die Grafik zeigt, wie sich die Pestizide außerhalb der Landwirtschaft verteilen.

Insgesamt 63 verschiedene Pestizide hat das Forschungsteam nachgewiesen. Manchmal in nur geringen Mengen, aber vor allem mehrere auf einmal. Gerade vor solchen Mischungen aus Pestiziden warnen die Forscher. Denn die Wirkungen könnten sich dadurch verstärken. Das zeige eine Studie aus Heidelberg.

Ken Mauser fordert, dass die Landwirtschaft deutlich weniger synthetische Pestizide als bisher einsetzt. Mauser schlägt große Modellregionen vor, die pestizidfrei sind: "So kann auch die Belastung von Naturschutzgebieten oder auch stark bewohnten Gebieten verringert werden."

Bis 2030 muss Risiko durch Pestizide um 50 Prozent sinken

Außerdem weisen die Forscher von der RPTU in Landau darauf hin, dass in den nächsten fünf Jahren das Risiko durch Pestizide in Deutschland um die Hälfte reduziert werden muss. Dazu hat sich Deutschland Ende 2022 gemeinsam mit anderen Staaten in einem internationalen Abkommen verpflichtet. Es ist der "Biodiversitätsrahmen von Kunming und Montreal". Ziel ist es vor allem, den Rückgang der Artenvielfalt zu stoppen.

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