Der Mindestlohn soll zum kommenden Jahr von 12 Euro auf 12,41 Euro angehoben werden, so hat es die zuständige Kommission empfohlen. Dieser Anstieg von gerade einmal 3,4 Prozent ist in meinen Augen ausgesprochen mickrig in einer Zeit mit einer durchschnittlichen Teuerungsrate von um die sechs Prozent. Er ist ein Schlag ins Gesicht für Millionen von Menschen in diesem Land, die mit ihrem Einkommen ohnehin nur gerade so über die Runden kommen, und denen nun signalisiert wird, dass sie den sprichwörtlichen Gürtel noch enger schnallen müssen.

Diese Minimalerhöhung verliert aus den Augen, dass der Mindestlohn allen Beschäftigten ein Leben in Würde ermöglichen soll, konkret: dass sie von ihrer Arbeit leben können und nicht in die Armut abrutschen oder Sozialleistungen beantragen müssen. Doch genau diese Perspektive winkt jetzt vielen Beschäftigten in den unteren Einkommensgruppen. Folgerichtig haben die Vertreter der Gewerkschaften in der Mindestlohnkommission gegen diese knausrige Erhöhung gestimmt und deutlich mehr verlangt, sind damit aber insbesondere an den Arbeitgebern gescheitert.
Wirtschaftsvertreter behaupten gerne, dass der Mindestlohn in großem Umfang Arbeitsplätze vernichten würde, und malen das Schreckgespenst der Massenarbeitslosigkeit an die Wand. Das hat sich zwar weder bei der Einführung der Lohnuntergrenze im Jahr 2015 noch bei späteren Erhöhungen bewahrheitet, aber das Argument ist einfach zu verlockend für sie, um es nicht auch diesmal anzuführen. So wollen Leute, die nie und nimmer in die Situation kämen, sich für den Mindestlohn verdingen zu müssen, verhindern, dass die schmalen Einkommen wenigstens im gleichen Maße steigen wie die Kosten für Miete und Lebensmittel.
Jetzt muss die Bundesregierung entscheiden, ob sie dem Votum der Mindestlohnkommission zustimmt – und hat damit die Gelegenheit zu beweisen, dass sie einen klareren Blick auf die Lage von Millionen Beschäftigten hat als gewisse Kommissionsmitglieder.