„Mind the gap“, so lautet die berühmte Durchsage in der Londoner U-Bahn. Die Passagiere sollen aufpassen, dass sie nicht in die Lücke zwischen Wagen und Bahnsteig geraten. Und „Mind the gap“ gilt irgendwie auch für den neuen König Charles. Denn die Lücke, die seine Mama hinterlassen hat, ist das eine. Das andere ist der Abstand zwischen ihm und seinen Untertanen. Gefährliche Lücke, also: Mind the gap. Aber ist Großbritannien überhaupt bereit für einen König?
Die Kolumne von Marie Gediehn können Sie hier auch als Audio hören:
Womöglich ja ungefähr so bereit, wie in Deutschland die CDU für die Gleichstellung. Oder besser Gleichberechtigung oder Chancengerechtigkeit? Schon über die Wortwahl wurde böse gezankt gerade beim Parteitag. Muss man sich auch erstmal leisten können, aber gut, die Briten leisten sich eine komplette Monarchie. Und da ist es mittlerweile Zufall, ob ein Mann oder eine Frau das Zepter in der Hand hält.
Ich sage nur: Mind the gap, liebe CDU, denn wenn dreiviertel der Parteimitglieder Männer sind, klingt Volkspartei fast ein bisschen ulkig. Ich bin kein Zahlenfreak, aber ich habe dann doch mal todesmutig durchgezählt im Parteipräsidium. „Gesichter der CDU Deutschlands“ steht da im Internet und man sieht: 14 Männer, sieben Frauen.
Und im Bundestag? In der Unionsfraktion? Fraktionsspitze: 15 Männer, fünf Frauen. Da nützt es auch nichts, wenn die Fotos auf der Internetseite so ein bisschen frech angeordnet sind, so absichtlich nicht ganz auf Linie, wirkt fast ein bisschen durcheinander. Und ich war auch ein bisschen durcheinander, als ich versucht habe, die Debatte über Gleichstellung bei der CDU zu verstehen.
Kristina allein unter Männern
Verbindliche Frauenquote für Gremien und Wahllisten? Planwirtschaftliche Gleichstellung, warnt die ehemalige Bundesfamilienministerin Kristina Schröder. Mind the gap, will man ihr zurufen, oder einfach nur Halleluja, was für ein Quark. Das passiert offenbar, wenn man mit 14 in die Junge Union eintritt und allein unter Männern in der Politik groß wird. Sie hat mal über sich als Jugendliche gesagt: Andere mochten Pferde, ich mochte Helmut Kohl.
Die Queen mochte Pferde sehr, vermutlich sogar ein winziges bisschen mehr als sie Helmut Kohl mochte. Aber: Den vermeintlichen Ausverkauf konservativer Werte hat sie bestimmt genauso gefürchtet wie Kristina Schröder. Und natürlich Schröders Chef, Friedrich Merz. Wobei, der war ja für die vermaledeite Quote und hat sie ja nun auch bekommen. Also muss Merz jetzt, um nicht des Kommunismus verdächtigt zu werden, an anderer Stelle extra dolle konservativ sein.
Und was glauben Sie? Was bringt die Seele der meisten im Durchschnitt über 60-Jährigen zu dreiviertel männlichen Parteimitglieder zum Kochen? Ungewisse Zukunft der britischen Monarchie? Lieferung schwerer Waffen an die Ukraine? Nein! Die Ehre geht ans Gendersternchen. Also wettert Friedrich Merz jetzt wieder ordentlich gegen das Gendern, vor allem in den Öffentlich-Rechtlichen, die seien schließlich keine Volkserziehungsanstalten. Nee, sind sie tatsächlich nicht, ich gebe nur ganz sachte zu bedenken: Mind the gap!