Keine sechs Monate mehr, und Deutschland hat einen neuen Bundestag gewählt mit alten und neuen Mächtigen. Dies erklärt meines Erachtens die Mutation der Bund-Länder-Konferenz zum Flohzirkus. Ich fühle mich an meine Stimmung in der letzten Schulwoche vor den Sommerferien erinnert – Klassenarbeiten sind geschrieben und Zeugnisnoten fertig. Lehrerinnen und Lehrer bieten „Diskussionsstunden“ statt Unterricht an. Schülerinnen und Schüler melden sich krank, um früher in den Urlaub starten zu können.

Nein, es herrscht kein Regierungschaos in der Bundeshauptstadt. Kurz vor Ende der Legislaturperiode verflüchtigt sich die Macht einer jeden Bundesregierung. Und von dieser ganz besonders: Alle Welt weiß, Angela Merkel (CDU) tritt bei den Bundestagswahlen nicht mehr an. Die Wahrscheinlichkeit, dass Union und SPD wieder die Regierung bilden, ist so hoch wie ein Ausflug des Papstes zum Mond.Und die Parteien, die mutmaßlich die Kanzlerin bzw. den Kanzler stellen können, schieben die Kandidatenfrage vor sich her. Kein Wunder, dass es persönliche Absetzbewegungen von der Bundeskanzlerin gibt und Alleingänge von Länderchefs bis hin zur Meuterei.
In Berlin ist die Luft raus
Hinzu kommt, dass es menschelt mit Abschiedsgefühlen oder Resignation. Viele Mitglieder des Deutschen Bundestages werden in einem halben Jahr freiwillig aufhören oder können laut Umfragen auf keine Wiederwahl hoffen. Klimawandel, Digitalisierung, Pandemie – solche Themen gehen sie nur noch kurze Zeit als Abgeordnete etwas an.
Unabhängig davon, ob die Bundeskanzlerin die „Flöhe“ noch einmal einfangen kann oder es hierfür hohe Infektionszahlen braucht – die Luft ist raus im politischen Berlin. Daran kann auch ein politischer Stresstest wie die Pandemie nichts ändern. Wir haben Frühling, aber das politische Berlin steht mitten im Herbst.