Klimaaktivisten der "Letzten Generation" haben sich auf der Straße festgeklebt. (Foto: dpa Bildfunk, Picture Alliance)

Aktiver Widerstand

Finanzierung, Ziele, Hintergründe: Das ist die "Letzte Generation"

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Die Klimaschutzgruppe "Letzte Generation" tritt immer wieder vor allem mit Straßenblockaden in Erscheinung. Zuletzt waren aber auch Flughäfen betroffen. Welche Ziele verfolgt die Gruppe, wie finanziert sie sich? Antworten und Hintergründe gibt es hier.

Wer ist die "Letzte Generation"?

Die "Letzte Generation" ist ein Bündnis von Aktivistinnen und Aktivisten aus der Umweltschutzbewegung. Die Gruppe hatte sich nach einem Klima-Hungerstreik in Berlin im Jahr 2021 gegründet und setzt sich vor allem durch zivilen Ungehorsam für ein entschiedeneres Vorgehen gegen den Klimawandel ein.

Bei ihren Protestaktionen blockieren sie etwa Straßen oder Autobahnen, aber auch Pipelines. Es ist die Strategie der "Letzten Generation", auf spektakuläre Weise gegen Regeln zu verstoßen, um damit Aufmerksamkeit für ihr Anliegen zu generieren.

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Was fordern die Aktivistinnen und Aktivisten konkret?

Die Aktivisten fordern die Bundesregierung grundsätzlich auf, mehr gegen den Klimawandel zu tun und die schlimmsten Folgen der Erderwärmung zu verhindern. Das Bündnis hat dabei drei zentrale Forderungen. Es setzt sich zunächst für ein Tempolimit von 100 km/h auf Autobahnen und ein dauerhaftes Neun-Euro-Ticket ein. Ziel sei es, so CO2 einzusparen und damit das Klima zu schützen.

Außerdem fordert das Bündnis einen Gesellschaftsrat mit 160 gelosten Mitgliedern, der das Ende der Nutzung fossiler Brennstoffe wie Öl, Kohle oder Gas in Deutschland bis 2030 konkret planen soll.

Was ist die Motivation der Gruppe?

Auf der Webseite der Initiative heißt es: "Wir sind die Letzte Generation, die den Kollaps unserer Gesellschaft noch aufhalten kann." Aus dieser Annahme leitet sich auch der Name der Gruppe ab. Die Aktivistinnen und Aktivisten sind überzeugt davon, nur noch wenige Jahre Zeit zu haben, um den Weg in die Klimakatastrophe abwenden zu können. Deshalb müsse nun schnell gehandelt werden. Die Maßnahmen der Politik reichen ihrer Ansicht nach dafür aber nicht aus.

In Interviews weist die Gruppe immer wieder darauf hin, dass bisherige Aktionen wie Demonstrationen oder Petitionen keine Wirkung gezeigt hätten. "Die Menschen, die sich aktuell im zivilen Widerstand befinden, haben jahrelang auf anderen Wegen versucht, den Klimakollaps aufzuhalten", sagte zum Beispiel Sprecherin Aimée van Baalen. Der aktive Widerstand vorrangig auf den Straßen sei notwendig und moralisch legitimiert, heißt es. Die "Letzte Generation" hält ihren Protest für absolut friedlich und einen Akt des zivilen Widerstands ähnlich der Bürgerrechtsbewegung in den USA in den 1960er Jahren.

Wie entstand die Klimaprotestgruppe?

Die "Letzte Generation" hatte sich 2021 nach einem sieben Wochen andauernden Hungerstreik in Berlin gegründet. Die Aktion fand im Vorfeld der Bundestagswahl statt, die Hungerstreikenden forderten unter anderem persönliche Gespräche mit den drei damaligen Kanzlerkandidaten Armin Laschet (CDU), Olaf Scholz (SPD) und Annalena Baerbock (Grüne). Olaf Scholz stimmte schließlich einem Gespräch nach der Wahl zu. Aus einem Teil der beteiligten Aktivistinnen und Aktivisten formierte sich schließlich die Gruppe "Letzte Generation".

Welche Aktionen unternimmt die "Letzte Generation"?

Am 24. Februar 2022 blockierte die Gruppe in Berlin zum ersten Mal eine Straße. Seitdem gab es solche Blockaden in vielen deutschen Städten - zum Beispiel auch in Mainz. Hier wurden so diverse Male lange Staus verursacht. Die Gruppe selbst hat im vergangenen Jahr 1.250 Straßenblockaden in ganz Deutschland gezählt.

Bei diesen Aktionen kleben sich einige Aktivistinnen und Aktivisten an Straßen oder Autobahnen fest, damit die Räumung länger dauert. Der Kleber ist dabei zu einer Art Markenzeichen der Gruppe geworden, der ihnen auch den Namen "Klimakleber" eingebracht hat. Mitte Mai legten die Aktivisten die Flughäfen in Hamburg und Düsseldorf für mehrere Stunden lahm.

Festgeklebte Klimaaktivisten haben die Theodor-Heuss-Brücke in Mainz blockiert. (Foto: Letzte Generation)
Festgeklebte Klimaaktivisten haben die Theodor-Heuss-Brücke in Mainz blockiert.

Neben den Verkehrsblockaden hat die "Letzte Generation" viele weitere Aktionen durchgeführt. In Museen wurden etwa Kunstwerke mit Kartoffelsuppe überschüttet. Brunnen wurden schwarz gefärbt oder das Grundgesetz-Denkmal in Berlin mit Farbe beschmiert. Außerdem versuchte ein Aktivist, einen Schriftzug am Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe mit einem Presslufthammer zu beschädigen. In Mainz störten Aktivisten Anfang des Jahres eine Rede des CDU-Parteivorsitzenden Friedrich Merz.

Ende Mai sind Mitglieder der Gruppe in mehreren Städten in Deutschland mit Protestmärschen durch die Städte gezogen, um auf ihre Sache aufmerksam zu machen.

Welche Aktionen sind für die Zukunft geplant?

Mit dem Start des Sommers plante die Initiative nach eigenen Angaben Aktionen gegen "Symbole des modernen Reichtums". Man wolle die "Aufmerksamkeit auf die rücksichtslose Verschwendung der Reichen lenken", heißt es in einem Sommerplan der Gruppe. Die Klimakatastrophe werde in erster Linie von reichen Menschen gemacht und die Bundesregierung lasse das zu. Außerdem kündigte die "Letzte Generation" auf Twitter an, an Montagen Sitzblockaden im ganzen Land zu veranstalten.

Bis zum 6. August will die Gruppe eine Art Sommerpause machen. Ab dem 7. August soll es eine Kampagne besonders in Bayern geben, auch mit Blick auf die dortige Landtagswahl im Oktober. Im Herbst soll dann wieder Berlin im Mittelpunkt von Protesten stehen.

Wie finanziert sich die Gruppe?

Die "Letzte Generation" finanziert sich nach eigenen Angaben zum allergrößten Teil über Spenden oder Crowdfunding. Anfang 2022 veröffentlichte die Gruppe einen Transparenzbericht. Demnach erhielt sie im vergangenen Jahr mehr als 900.000 Euro an Spenden und gab etwa 535.000 Euro aus.

Die Hälfte davon floss nach Angaben der Gruppe in Mieten von Veranstaltungsräumen, Wohnungen für Demonstranten und Autos, weitere 100.000 Euro in Material wie Sekundenkleber, Transparente, Warnwesten, Sitzkissen und Handwärmer.

Hinzu kommen rund 50.000 Euro Fördergelder der US-amerikanischen Stiftung Climate Emergency Funds (CEF). Die Nichtregierungsorganisation unterstützt Klimaprotestgruppen weltweit. Die Aktivistinnen und Aktivisten wiesen aber darauf hin, dass die Gelder der CEF keine "direkte Zuwendung" seien. Vielmehr gehe das Geld an den Berliner Verein Wandelbündnis und dessen Initiative "Gemeinnützige Bildungsarbeit zur Unterstützung von Letzte Generation". Die Förderungen würden dann in Bildungsarbeit investiert, wie etwa Vorträge oder Workshops.

Welche Kritik gibt es?

Die "Letzte Generation" sorgt mit ihren Aktionen immer wieder für Diskussionen und Kritik, auch bei anderen Klimaschützenden. Für viele mögen die Klimaaktivisten die richtigen Ziele verfolgen - aber mit den falschen Mitteln.

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Von der Klimabewegung "Fridays for Future" hieß es etwa Mitte April: "Die Klimakrise braucht gesamtgesellschaftliche Lösungen, und die finden und erstreiten wir nur gemeinsam und nicht, indem wir Menschen im Alltag gegeneinander aufbringen." Auch die Grünen distanzieren sich von der Art des Protestes, weil so keine Mehrheiten für das Anliegen geschaffen werden könnten. Vize-Kanzler Robert Habeck sagte Ende April aber auch, er bewundere die Aktivisten für ihren Mut und ihre Ernsthaftigkeit.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) beschrieb hingegen die Anklebe-Aktionen der "Letzten Generation" als "völlig bekloppt". Vorwürfe kommen auch von der Gewerkschaft der Polizei. Sie wirft den Aktivisten "Guerilla-Taktiken" und "extremistisches Gedankengut" vor. Auch führende Politiker der CDU sprechen von den Aktivisten als "Straftätern" oder "Extremisten".

Wie kommt der Protest bei den Bürgern in Deutschland an?

Auch in der Bevölkerung fehlt der Rückhalt. Die allermeisten Bürger halten beispielsweise nichts von den Blockaden. Laut einer YouGov-Umfrage von Mitte Mai lehnen drei Viertel den Versuch ab, mit Aktionen wie Straßenblockaden mehr Klimaschutz durchzusetzen. 60 Prozent gaben an, dies "voll und ganz" zu tun, 16 Prozent "eher".

Weitere 13 Prozent der Befragten sagten, sie befürworteten die Aktionen "eher", nur 5 Prozent taten dies "voll und ganz". Der Rest war unentschieden oder machte keine Angaben. Tendenziell unterstützen jüngere Befragte die Aktionen eher, allerdings tun dies selbst bei den 18- bis 29-Jährigen nur 36 Prozent. Bei der Umfrage machten mehr als 2.000 Menschen aus ganz Deutschland mit.

Was droht den Aktivistinnen und Aktivisten juristisch?

Bundesweit laufen hunderte Gerichtsverfahren gegen Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" wegen Nötigung und anderer Delikte. In der Regel geht es dabei um Geldstrafen.

Anfang März verurteilte das Amtsgericht Heilbronn Aktivisten der Gruppe erstmals zu mehrmonatigen Haftstrafen ohne Bewährung. Die Männer hatten sich auf einer Straße in Heilbronn festgeklebt. Die Strafen fielen dem Gerichtssprecher zufolge strenger aus, weil sie schon öfter wegen ihres Klimaprotests auffällig gewesen seien und vor Gericht erklärt hätten, dass sie mit den Aktionen weitermachen wollten.

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Mehrere Staatsanwaltschaften prüfen, ob die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung einzustufen ist. Ende Mai durchsuchten etwa Polizei und Staatsanwaltschaft Wohnungen von Mitgliedern der Gruppe wegen Ermittlungen der Münchner Generalstaatsanwaltschaft. Das Landgericht Potsdam bestätigte erstmals einen Anfangsverdacht. Bislang ist hier gerichtlich aber noch nichts geklärt.

Zudem haben Ermittler Telefonate von Aktivisten der Letzten Generation abgehört - im Auftrag der Generalstaatsanwaltschaft. Für Aufruhr sorgte in diesem Zusammenhang vor allem ein Bericht der Süddeutschen Zeitung, wonach über Monate auch Gespräche mit Journalisten mitgehört wurden.

Ist die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung?

Unter Juristen ist umstritten, ob die "Letzte Generation" als kriminelle Vereinigung eingestuft werden kann. Nach Paragraph 129 im Strafgesetzbesuch ist ein Zusammenschluss kriminell, wenn sich mindestens drei Personen zusammentun, um Straftaten zu begehen. Der Zweck muss hauptsächlich auf dieses Ziel gerichtet sein.

Dass es bei den Protestaktionen zu Straftaten kommt, ist in einigen Fällen gerichtlich festgestellt worden. Ob das Hauptziel der "Letzten Generation" aber die Begehung von Straftaten ist, ist fraglich. Denn die Aktivistinnen und Aktivisten setzen sich vorrangig für eine klimafreundlichere Politik ein und wollen mit ihren Aktionen Aufmerksamkeit erregen. Das könnte als legaler Protest gewertet werden.

Gleichzeitig nimmt die "Letzte Generation" aber auch bewusst in Kauf, dass ihre Aktionen als strafbar eingestuft werden können. Eine gerichtliche Feststellung dazu gibt es noch nicht.

Ist die "Letzte Generation" extremistisch?

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt bezeichnete die Letzte Gruppierung als eine "Klima-RAF". CDU-Generalsekretär Mario Czaja bezeichnete die "Letzte Generation" als "Extremisten" oder "Gewalttäter", Friedrich Merz, CDU-Fraktionsvorsitzender, von "Straftätern", die "keine Gesprächspartner" seien.

Das Bundesamt für Verfassungsschutz sieht jedoch keinen Beleg für Extremismus bei der "Letzten Generation". Die Aktivisten begingen Straftaten, die geahndet werden müssten, sagte Präsident Thomas Haldenwang Ende März. Da die Grundhaltung der Aktivisten sei, auf aktive Gewalt zu verzichten, liege kein Extremismus vor. Der Verfassungsschutz verfolge aber täglich, wie sich die Situation entwickle.

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