800 Milliarden Euro-Plan für Aufrüstung in Europa?

Folge der Krise: Automobilzulieferer produzieren jetzt für die Rüstungsindustrie

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Petra Thiele
SWR-Wirtschaftsredakteurin Petra Thiele
Autor/in
Stephanie Geißler
Jenny Beyen

Die Krise belastet Automobilzulieferer, nun produzieren einige auch Rüstungsgüter. Teilweise werden Mitarbeiter von Rüstungskonzernen übernommen oder untereinander ausgetauscht.

Rund 100 Beschäftigte eines unrentablen Bremsen-Werks von Continental in Niedersachsen haben von Rheinmetall den Wechsel in eine Munitionsfabrik angeboten bekommen. Auch der Rüstungselektronik-Hersteller Hensoldt plant Beschäftigte von Continental und Bosch zu übernehmen, die vom Stellenabbau betroffen sind.

Stellenabbau: Rüstungsunternehmen übernehmen Beschäftigte

Der Panzerbauer KNDS hat jüngst ein Werk des Bahntechnik-Konzerns Alstom in Görlitz übernommen. KNDS will mehr als die Hälfte der 700 Alstom-Mitarbeiter weiterbeschäftigen.

Der Arbeitgeberverband Südwestmetall hat seinen Tarifvertrag so geändert, dass die Metallbauer ihre Beschäftigten ebenfalls untereinander austauschen können.

Zu den Betrieben, die sich gerade aufmachen, neue Wege zu beschreiten, gehört etwa das Ditzinger Laserunternehmen Trumpf. Bislang regelt ein Gesellschaftervertrag von 2015, dass sich das christlich geprägte Familienunternehmen nicht an der Waffenproduktion beteiligt. Nun erwägt der Technologiekonzern die Entwicklung von Lasern zur Drohnenabwehr.

Tests von Lasertechnik zur Verteidigung laufen

Der letzte Stand ist, dass Trumpf bereits einen entsprechenden Laser getestet hat, der technisch in der Lage wäre, unbemannte Flugobjekte fluguntauglich zu machen. Eine endgültige Entscheidung der Eigentümerfamilie für den Eintritt in den Bereich Rüstung gibt es aber noch nicht, auch wenn Miteigentümer und Aufsichtsratschef Peter Leibinger die Notwendigkeit dafür betont.

Auch wir in der Wirtschaft müssen unseren nötigen Beitrag zu einer wehrhaften Demokratie neu bewerten und damit den Wert der Verteidigungsfähigkeit und der notwendigen Güter innerlich bejahen.

Auto, Medizin und dann noch Rüstung

Auch der Stanzteile-Hersteller Hapema aus Engelsbrand bei Pforzheim, der bereits für die Medizinbranche arbeitet, habe nun zusätzlich die Luft- und Raumfahrt sowie die Rüstungsindustrie im Visier, so Hapema-Juniorchefin Eva Christmann.

Die Branchen Luft- und Raumfahrt und der gesamte Verteidigungsbereich gelten als vielversprechende Märkte. Dazu werden bundesweit immer mehr Seminare und Workshops angeboten.

Etwa im Pforzheimer Zentrum für Präzisionstechnik. Dort wurden interessierte Firmenchefs aus der Region Nordschwarzwald kostenlos von Experten über die Möglichkeiten und Voraussetzungen für eine Produktionsumstellung informiert. Dabei ging es um Zertifizierung, Qualifizierung und die strategische Geschäftsentwicklung.

Möglichst praxisnah wurde mittelständischen Unternehmern erklärt, wie sie ihre internen Prozesse optimieren und beispielsweise "nachhaltig für die hohen Anforderungen der Luftfahrtindustrie ausrichten können".

Die Transformation bietet nicht nur Herausforderungen, sondern auch enorme Chancen.

Sondervermögen von bis zu 800 Milliarden Euro für Rüstung?

Nach dem Eklat zwischen Trump und Selenskyj im Weißen Haus diskutieren die Europäer, wie man die Ukraine ohne US-Hilfe stützen kann. Wichtiger Faktor bei den Gesprächen sind die Sondervermögen: 400 Milliarden Euro allein für die Rüstung stehen im Raum. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen schlägt bis zu 800 Milliarden Euro vor.

Die Aussicht auf weitere Aufträge beflügelt die Rüstungsaktien - besonders von den drei größten deutschen Rüstungskonzernen: Rheinmetall, Hensoldt und Renk.

Auch kleinere Rüstungsfirmen profitieren von den weltweiten Kriegen und Konflikten: Heckler und Koch mit Sitz in Oberndorf am Neckar haben für 2024 ein Umsatzplus von knapp 18 Prozent gemeldet. Die Firma stellt Sturmgewehre, Maschinengewehre, Pistolen und Granatwerfer her.

Auch Rüstungsunternehmen rüsten auf

Rheinmetall plant zwei seiner Werke, in denen momentan Einzelteile für zivile Bereiche gefertigt werden, auf die Produktion von Munition umzustellen. Dabei geht es um Werke in Berlin und Neuss. Sie sollen zu "Hybrid-Standorten" werden.

Ein Konzept dafür sei den Belegschaften bereits vorgestellt worden, berichtet das Handelsblatt. Es werde nun mit Vertretern der Belegschaft abgestimmt. Explosivstoffe sollen an den Standorten nicht verarbeitet werden, betonte Rheinmetall.

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Arbeitsplatz SWR1

Bedeutung der deutschen Rüstungsindustrie wächst

Bislang hat die deutsche Rüstungsindustrie eine verhältnismäßig geringe Bedeutung für die deutsche Wirtschaft. Auch wenn in der Branche Milliardenumsätze erzielt werden und das Thema seit längerem die Berichterstattung dominiert: Rüstungskonzerne tragen derzeit gerade mal 0,3 Prozent zur gesamten deutschen Wirtschaftsleistung bei, so der Chefvolkswirt der Bank ING, Carsten Breszki.

Doch es gibt eine zweite Kennzahl, die ebenfalls im Verhältnis zur Wirtschaftsleistung steht: das "Zwei-Prozent-Ziel" der NATO. Dabei geht es jedoch darum, wie viel Geld Deutschland in seine Verteidigung investiert. Den Richtwert zwei Prozent der jeweiligen Wirtschaftsleistung soll jedes Land - gemessen an seinem Wohlstand - in Rüstung investieren. Die USA verlangen seit Jahren, dass in Deutschland und Europa insgesamt aufgerüstet wird.

In Deutschland lag der Anteil zuletzt bei 1,5 Prozent. Aktuell geht es darum, diesen Anteil deutlich zu steigern, vielleicht auf 3 Prozent. Laut einer Studie können dann 200.000 neue Jobs entstehen.

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Ulm

Rüstungshersteller mit Standort in Ulm HENSOLDT steigert Umsatz und Gewinn deutlich

Der Rüstungshersteller HENSOLDT mit seinem Werk in Ulm hat im vergangenen Jahr ein dickes Umsatzplus eingefahren. Die Firma profitiert dabei auch vom Krieg gegen die Ukraine.

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