Torbjörn Kartes (CDU), Wahlkreis: Ludwigshafen-Frankenthal
Ein spätsommerlicher Abend in Hochdorf-Assenheim. Vor einem großen Supermarkt haben Torbjörn Kartes und seine Helfer ihren Stand aufgebaut. "Guten Abend, darf ich Ihnen eine Rose von der CDU mitgeben?" spricht er die Leute an, die gerade aus dem Supermarkt kommen. "Das soll ein bißchen das Eis brechen", sagt er. "Und die Leute freuen sich auch!" Wie es aussehen kann, wenn sich jemand nicht freut, hat er allerdings auch schon erlebt.

Wütend, aggressiv und organisiert
Laut Torbjörn Kartes ist der Ton in diesem Wahlkampf aggressiver geworden, insbesondere wenn es um die Themen Corona und Impfen geht. Da seien Leute von Pirmasens nach Beindersheim gefahren - gut 90 Kilometer, über eine Stunde Fahrtzeit - um bei einem seiner Wahlkampfstände zu stören und krude Theorien zu verbreiten. Er versuche dann immer souverän zu bleiben und scheue auch die Diskussion nicht. "Aber manchmal ist es eben blanker Hass, der einem da entgegenschlägt."
In Mutterstadt bis ans Auto verfolgt
Ein Vorfall hat im Juli für Schlagzeilen gesorgt. Kartes war in Mutterstadt auf dem Wochenmarkt unterwegs, als ein Mann ihn plötzlich beleidigt und bedroht habe. Er habe über den ganzen Markt geschrien, Kartes sei eine Mörder und ein Drecksau. Bis ans Auto sei ihm der Mann gefolgt. Für Torbjörn Kartes war damit eine Grenze überschritten. Man sei ja inzwischen einiges gewohnt, aber das habe ihn mitgenommen. Am nächsten Tage habe er direkt Anzeige erstattet. Letzte Woche dann ein Drohbrief am Auto, darin: Seine Kandidatenkarte mit einem Fadenkreuz über seinem Foto und ein weißes Pulver, durch das er Atemprobleme bekommen habe. Wieder rief er die Polizei. "Man darf sich nicht alles gefallen lassen. Auch als Politiker nicht."
Isabel Mackensen-Geis ( SPD), Wahlkreis: Neustadt-Speyer
In Kirchheim an der Weinstraße gibt es Federweißer, Zwiebelkuchen und Kurt Beck. SPD Direktkandidatin Isabel Mackensen-Geis hat sich den ehemaligen Ministerpräsident als prominente Unterstützung an die Seite geholt. Sie sucht vorne das Gespräch mit dem Laufpublikum, der Alt-Ministerpräsident steht weiter hinten für Selfies zur Verfügung, alles sehr harmonisch. Drohungen oder Angriffe habe sie noch nicht erlebt, sagt Isabel Mackensen-Geis. Klar gäbe es auch mal heftige Diskussionen am Wahlstand, vor allem beim Thema Corona. Ihre Strategie: zuhören und auch zugeben, dass in der Bekämpfung der Pandemie nicht alles glatt gelaufen ist. Dann sei ein Austausch auch bei extremeren Positionen durchaus möglich.

Hübsche Frau, hässliches Plakat
Zwei Männer gehen vorbei. Einer – um die 60, graues Haar, grauer Schnurrbart, Bauch - bleibt stehen und spricht Isabel Mackensen-Geis an: Dass eine so hübsche junge Frau sich für so ein hässliches, knallrotes Plakat hergebe, könne er nicht verstehen. Das müsse er einmal loswerden. Mackensen-Geis ist direkt auf Betriebstemperatur: Das Foto sei ihre Entscheidung gewesen, sie finde das Plakat großartig. Der Mann verdreht die Augen, als sie sich echauffiert. Aus dem Hintergrund ruft Kurt Beck, sie solle sich da ja nichts einreden lassen.
Anzüglichkeiten im Internet
Dass im Gegensatz zu männlichen Kandidaten bei ihr auch das Äußere eine Rolle spielt, ist sie gewohnt. Bei Facebook habe sie auch schon mal anzügliche Posts löschen müssen. "In den sozialen Medien, ist ohnehin eine Enthemmung zu spüren: Kritik, harte Vorwürfe, Anfeindungen – sowas kriege ich auch ab". Jemand habe ihr vorgeworfen, sie und ihre Kollegen würden Kinder als Versuchskaninchen missbrauchen, weil sie sie während Corona in die Schulen gehen ließen. "Der Grenzübertritt ist da, wenn meine Tochter mit reingezogen wird, und jemand schreibt, ich sei doch selbst Mutter, wie ich da so verantwortungslos mit Kindern umgehen könne." So was passiere aber eigentlich nur im Netz. "Im persönlichen Gespräch merken die dann: Okay, mein Gegenüber ist auch ein Mensch, mit Gefühlen und Empfindungen. Und das macht den Unterschied."
Tobias Lindner (Grüne), Wahlkreis: Südpfalz
Ein bisschen hat Landau sich heute gegen die Grünen verschworen: Neben dem Wahlkampfstand dröhnt eine Baustelle und dahinter bietet der Wochenmarkt eine ganz eigene Geräuschkulisse. Und genau in dem Moment, als die Bauarbeiter Pause machen, tritt ein Leierkastenspieler auf den Plan, als hätten sie sich abgesprochen. "Der Standort war alternativlos", grinst Tobias Lindner. Es ist sein fünfter Bundestagswahlkampf, so etwas bringt ihn nicht mehr aus der Ruhe.

Die Ablehnung wird schärfer formuliert als früher
Es gebe dieses Mal auf der Straße nicht weniger Ablehnung als vor vier oder acht Jahren, sagt er. Das Thema Klima, zum Beispiel, polarisiere ja nicht mehr. Als Grüner würde man nicht mehr angegangen, wenn man sich damit auf die Straße stellt. Aber der Ton, in dem die Ablehnung formuliert wird, sei schärfer geworden. Nicht mehr "Nee, Danke!", sondern "Euch würde ich nie wählen! Verschwindet!" Und: Laut Lindner geht es oft nicht mehr um die Diskussion, den Austausch, sondern einzig darum, Recht zu haben. Krasse Beleidigungen habe er in diesem Wahlkampf aber noch nicht erlebt.
"Ich krieg's Kotzen!"
Mittags, kurz vor Schluss: Eine Frau, vielleicht 40 Jahre alt, geht Hand in Hand mit ihrem Freund oder Mann in Richtung Wochenmarkt. Als sie den Wahlstand der Grünen sieht, sagt sie: "Das sind mir die Richtigen…ich krieg´s Kotzen!" Sie speit die Worte fasst auf den Gehsteig. Lindner wirkt nicht, als sei ihm so eine Situation vollkommen fremd. Er zuckt nicht einmal. "Ja, manchmal bekomme ich das nebenbei mit. Und manchmal wollen die Leute auch, dass ich das mitbekomme. Bei so einer Wortwahl straft man die Leute dann am besten mit Nichtachtung. Das ist die höchste Strafe."
Mario Brandenburg (FDP), Bundestagskandidat der Jungen Liberalen RLP
Wenn man mit Mario Brandenburg durch Rülzheim geht, wird er alle paar Meter angesprochen. Man ist nur nie sicher, ob es damit zusammenhängt, dass er der Spitzenkandidat der Jungen Liberalen Rheinland Pfalz ist, oder dass er hier aufgewachsen ist. "Natürlich ist das hier ein Heimspiel. Ich bin für die Leute hier der Mario, oder der Kerl aus dem Angelsportverein, aber nicht unbedingt der Herr Abgeordnete. Und wenn sie mit der Politik der FDP nicht einverstanden sind, sagen sie es mir auf vernünftige Art und Weise." Es sei ihm aber durchaus bewusst, dass es Kollegen gibt, die morgens in der Stadt auf dem Marktplatz stehen, und was ganz anderes erleben.

Die Begegnung mit dem Wähler ist planbar
Es komme auch ein bisschen darauf an, wo man die Menschen anspricht: "Wir haben an einem sonnigen Mittwochabend einfach eine Kühlbox vollgemacht, und Radfahrern in Leimersheim auf dem Rheindamm was zu trinken angeboten. So ist man dann ins Gespräch gekommen." Man dürfe Leuten, die gerade versuchen, noch schnell im Feierabend den Einkauf zu erledigen, nicht auch noch mit Politik kommen. „In so einer Situation ist die Zündschnur natürlich deutlich kürzer.“
Hasskommentare finden wenigstens öffentlich statt
Kommentare auf Facebook, die jedes Maß sprengen, das kenne er natürlich auch, sagt Brandenburg: Manche Leute glaubten halt, sie seien da völlig anonym unterwegs. Solche Kommentare seien aber auch ein Gradmesser, eine Information, mit der ein Politiker im Zweifel arbeiten könne. Das sei immer noch besser, als wenn sie sich in Messenger-Gruppen hinter verschlossenen Türen austoben, und man gar nicht mehr wisse, was da vor sich geht. "Natürlich ist es ärgerlich, wenn man angegangen wird. Ein bißchen gehört es für einen Politiker aber auch dazu." Die Grenze verläuft bei Mario Brandenburg aber entlang der gleichen Linie, wie bei seinen Kollegen: "Beleidigungen und Drohungen gehen gar nicht"