Irgendwann dieser Tage bin ich ins Grübeln gekommen. Was genau war nochmal Liberalismus? Naja – was tut man in so einem Fall? Genau: Wikipedia. Dort steht: Der Liberalismus, von lateinisch liber = frei, ist (…) eine historische und aktuelle Entwicklung, die eine freiheitliche politische, ökonomische und soziale Ordnung anstrebt. Da war ich beruhigt, so ungefähr hatte ich das auch in Erinnerung.
Die Kolumne von Pascal Fournier können Sie hier auch als Audio hören:
Allerdings: das Grübeln hörte nicht auf. Denn irgendwie will die selbsternannte Stimme des Liberalismus in Deutschland, die FDP, in diese Definition nicht so richtig reinpassen. "Nein" zum Tempolimit – OK, da komm' ich noch irgendwie mit. Freie Fahrt für freie Bürger oder so. Der Slogan ist zwar fast 50 Jahre alt und böse aus der Zeit gefallen, aber bitte, meinetwegen.
Die FDP altbacken und wenig liberal
Nur – es geht ja noch weiter: Tankrabatt, staatliche Subventionierung von Spritpreisen. Aber keine staatliche Förderung von Elektroautos mehr. "Nein" zum europäischen Aus für Verbrennermotoren. Rückkehr zur Atomkraft. Und – nicht zu vergessen die dunkeldüsteren Prophezeiungen, Stichwort: drei bis fünf harte Jahre. Das sind die politischen Pflöcke, die Deutschlands oberster Liberaler Christian Lindner in den vergangenen Tagen und Wochen eingeschlagen hat. Und ehrlich – so sehr ich mich bemühe: Ich tue mich schwer damit zu begreifen, was das alles mit dem Streben nach einer freiheitlichen politischen, ökonomischen und sozialen Ordnung zu tun haben soll.
Glücklicherweise ist Christian Lindner zwar Deutschlands oberster, aber nicht Deutschlands einziger Liberaler. Zum Beispiel gibt's da auch noch den baden-württembergischen FDP-Landtagsabgeordneten Christian Jung. Er hat in dieser Woche erklärt: der in Walldorf verhängte Hausarrest für Katzen - der ist ein unverhältnismäßiger und unbegründeter Eingriff in die individuelle Freiheit zahlloser Katzen im Rhein-Neckar-Kreis.
Freiheit zahlloser Katzen gefährdet
Zur Erinnerung: Seit Mitte Mai und in den nächsten drei Jahren jeweils von April bis August dürfen Katzen nicht mehr frei durch den Süden Walldorfs streifen. Weil dort die seltene Haubenlerche brütet und die Katzen eine beträchtliche Gefahr für die Brut darstellen, so die Begründung der Kreisverwaltung.
Liberalismus für die Katz
Kann zwar sein, so Jung sinngemäß - aber was ist mit Steinmardern, Füchsen, mit Krähen, Elstern und Störchen? Die tun der Haubenlerchenbrut auch nicht wirklich gut, aber die stehen nicht unter Arrest. Ein krasser Fall von Ungleichbehandlung. Ja - SO geht Liberalismus! Tausende Walldorfer Katzen werden es Jung danken. Haubenlerchen vermutlich eher nicht, aber die werden eh immer weniger...